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Missing Link

19 / 04 / - 28 / 06 / 2002
Ausstellung / Diskussion

Überblick und Dokumentation der Arbeiten
der Wiener Arbeitsgemeinschaft “Missing Link” (1970-80)

Aktion von Missing Link mit Schülern des Bundesgymnasiums Wiener Neustadt.
17 /10 / 1973, 16h -17h3o, Frauengasse-Domplatz-Hauptplatz Wiener Neustadt.



Angela Hareiter während der Performance Die andere Seite, Wien 1972

Arbeitsbericht Projekte 1970 – 72
Karl 365 (1971)
16. November: Eine Utopie in neun wirklichen Bildern (1972)
Treffen auf dem Feld (1972)
Via Nostalgia: Straßenarbeit (1972/73)
STtilleben Weltatrappe (1972/73)
Die andere Seite (1973)
Die verstoßene Stadt (1974)
Asyleum – Großes Hutobjekt (1976)
Via Trivialis Fünf Aspekte zur Straße
Wiener Studien
Comments in Architecture (1980)

Reviews

Ziel der Aktion: Das Sichtbarmachen der optischen, räumlichen, energetischen und kommunikativen Strukturen der städtischen Umwelt an einem Ort, den die Schüler täglich erfahren: der Weg zur Schule, die umliegenden Straßen und Plätze ...

Der öffentliche Stadtraum - die Straße - wird in seiner Dimension heute gewöhnlich unterschätzt. Ihre Entwicklung und Gestaltung fächerte gerade die technischen Funktionen der Straße aus einer Fläche ehemals simultaner Vorgänge in einen vertikalen Aufriß auf. Die Infrastruktur wanderte in die Tiefe (Kanal, Gas, Wasser, Rohrpost, Telefon... ) oder in die Höhe (Licht,'Elektrizität ...) und tritt an der Oberfläche selbst nur mehr punktweise in Erscheinung (Kanalgitter, Hydrant, Gas- und Wasserzeichen, Papierkörbe, Beleuchtungskörper... ). Der Großteil der Strukturen, die Umwelt letztlich entscheidend bestimmen, ist also unsichtbar bzw. nur verschlüsselt sichtbar, ihre Wirkung ist dennoch total und unübersehbar: Infrastruktur, das ist die auf die geschilderte Weise den. Straßen zugeordnete Auslastung, - ist als Bereich öffentlicher Kompetenz und Leistung ein Mittel der Gesellschaftspolitik und eine Ware, die sich verkaufen läßt. Sie ist eingebunden in die Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage und solcherart politisches wie monetäres Spekulationsobjekt. Die Errichtung bzw. Verbesserung öffentlicher Infrastruktur ergibt einen "Bodenwertzuwachs" für die anliegenden Grundstücke. Nicht zuletzt sind es gerade diese Strukturen, die eigentlich Architektur-Stadt ausmachen und nicht Fassaden, Bauvolumen, was Karl Kraus treffend meinte, wenn er sagte: "Ich brauche von einer Stadt nichts weiter als Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung...“ Genau diese "Hardware“, das nach wie vor unattraktive öffentliche Service, ist als eine wesentliche Komponente sozialen Besitzes anzusehen.

Die andere Seite der scheinbar ungeordneten Flut von Wahrnehmungen, Abläufen und Erlebnissen auf der Straße, in der Stadt, ist ein technisiertes, vernetztes Instrumentarium, dem wir nur im Augenblick des Gebrauchs unmittelbar begegnen. Die zugrundeliegenden Abhängigkeiten und Zusammenhänge sind nicht mehr nachzuprüfen, werden unklar, wodurch die Entstehung eines unkritischen Bewußtseins begünstigt wird, das umgekehrt wieder mit vordergründiger Schlagwortpolitik (Baumhysterie...) beliebig manipulierbar ist. Was ist das andere Ende des Hydranten? Das städtische Wasserreservoir? Der Wasserhahn im Badezimmer? Der öffentliche Brunnen, den es nicht mehr gibt? ... Was ist die andere Seite des Kanaldeckels? Die WC-Spülung, das Rohrlabyrinth unter Straßen und Gehsteigen? Die Kläranlage? Die Quelle im Gebirge? Die Anschlußgebühr? Die Wasserzeichen aus Plastik an den Fassaden und die aus Gußeisen im Pflaster? Das Ende der großen Epidemien?

Die "andere Seite" - die unsichtbare Stadt- ist nicht nur das Kanalsystem unter dem Asphalt, das an Ausdehnung, Differenziertheit und "Bevölkerungsdichte“ ( eine Ratte pro Kopf) der oberirdischen Stadt um nichts nachsteht. Das Netz der Zufuhr von Wasser, Gas oder Licht, Verteilung und Ableitung ergibt ebenso - für sich allein betrachtet - ein grobes Bild des Gesamten. Fernsehkanal und Telefonleitungen, Zeitungen und Kaffeehäuser sind Einrichtungen und Verzweigungen zum Transport jeweils verschiedener Dinge und Angelegenheiten. Manche Strukturen sind statisch, ortsfest (Bahnhof, Telefonzelle, Pissoir... ), manche sind bewegliche Behälter (Geldbörse, Müllauto ... ), andere sind demokratisch überall gleichmäßig vorhanden und zu gebrauchen ( Radiowellen, Straßenverkehrsordnung ... ). Jedes System ist für sich geschlossen und wieder abhängig von anderen. Diese Prozeßhaftigkeit bleibt uns, die wir als routiniert gedankenlose "Endverbraucher“ nur mit kurzfristigen Gebrauchswerten zu tun haben, meist verborgen. Die zeitweise Erhellung der weiterreichenden Zusammenhänge durch Krisensituationen wird solange nicht zum Tragen kommen, wie es am kritischen Bewußtsein der Gesamtabläufe mangelt - solange, wie wir "die andere Seite" geflissentlich übersehen.

Aktion: Entdecken-Bezeichnen der Infrastruktur auf dem Gehsteig, dem Platz, der Straße, an Fassaden; Etikettieren mit Schildern, Verhängen-Verlegen mit weißen Tüchern - Enthüllen der Zusammenhänge.

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