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16 / 11 / 02 – 15 / 12 / 02
Exhibition / Films / Talks / Performance

Von Citizen Tania zu Patty Hearst (2002)
Sammlung Schürmann (D)

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Installationsansichten in der Ausstellung, Künstlerhaus Stuttgart (2002)

Im Jahr 1999 stellte der Sammler Wilhelm Schürmann von der Aachener Sammlergruppe TwoDo anlässlich der Eröffnung von haus.0 dem Programm eine Arbeit von Mel Chin und dem GALA Committee, die "Shooters Bar” aus der Fernsehserie Melrose Place), als erweiterte Leihgabe zur Verfügung.

Die Shooters Bar, gleichzeitig Kunstwerk, Fernseh-Ausstattungsgegenstand und tatsächlicher sozialer Treffpunkt wurde in der 4. Etage des Künstlerhauses installiert. Dort blieb sie bis 2001, um dann im Rahmen ihrer Bestimmung als Kunstgegenstand in Düsseldorf wieder in einen musealen Kontext eingegliedert zu werden.

Die Shooters Bar spielte nicht nur als verschobene und doch zentrierende Gegenwart als Punkt sozialer Interaktion rund um ein Spiel mit Geschichte und Identität eine Rolle – sie verkörperte auch eine Konstellation von Scripts und sozialen Aspekten verschiedener Begegnungen, Screenings, Vorträge und Ausstellungen

Durch diese Bar wurde das Werk des Künstlers Mel Chin eingeführt, dessen "Revival Fields"- Projekt in Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim damals seinen Anfang nahm. Innerhalb eines weiteren Scripts, den Melrose Plays-Script-Workshops unter der Leitung von Rainer Kirberg, kam der Shooters Bar als Schauplatz und Set ebenfalls zentrale Bedeutung zu.


Arbeiten in der Ausstellung:
l:Edgar Arceneaux, Untitled (2000)
r:Raymond Pettibon, Flyer für Black Flag (1982)
r:Raymond Pettibon, (1982)


>redirect, das letzte Ausstellungsprojekt von haus.0 im Künstlerhaus Stuttgart, zeigt nun am ehemaligen Standort der Bar "Von Citizen Tania zu Patty Hearst” aus der Sammlung Schürmann.

Dieser zweite Beitrag von Wilhelm Schürmann schliesst nun im Jahr 2002 einen Kreis, der sich 1999 mit der Leihgabe der Melrose Place Bar im Rahmen des ersten haus.0 Projekts "Open haus" eröffnete.

Das Segment "Von Citizen Tania...” bezieht sich – wie die Bar – auf einen einzigartigen Prozess der "Enculturation", hier dargestellt am Beispiel der berüchtigten Transformation der Patricia Hearst von Patty zu "Tania". "Citizen Tania" zeigt eine collagenhafte Welt von Repräsentationen, die in der Patricia-Hearst-Story eine Verdichtung spezifisch amerikanischer Formen der Sozialisierung zeigen, eines Prozesses also, der kaum jemals sichtbar wird – es sei denn, etwas passiert: Zum Beispiel die Entführung der Erbin des Medienmoguls Randolph Hearst (dessen eigener Vater Vorlage für Orson Welles’ Citizen Kane war), die später selbst zum Mitglied der Gruppe ihrer Entführer, der Symbionese Liberation Army (SLA) wurde. Das blieb sie auch lange genug, um in ihrer neu angenommenen Identität als Tania bei einem Bankraub fotografiert zu werden. Der Verlauf und die Auflösung dieser Geschichte, sowie der Prozess, der danach vor allem in den amerikanischen Medien stattfand, um das erwünschte Ende zu provozieren, machte den Weg für die Wiederauferstehung der Patricia Hearst als multipler Medien-Ikone amerikanischer Gegenkultur frei. So wurde – unterstützt von Zeitschriften wie People und Enquirer die amerikanische Gegen- mit der Celebrity-Kultur kurzgeschlossen. Zwei Jahrzehnte nach der tatsächlichen Entführungsepisode, durch welche die Verwandlung von Patty in Tania und wieder retour in Gang gesetzt wurde, wurden alle kulturellen Ikonen innerhalb eines Auftritts von Hearst als Gast-Star in ihrer eigenen Geschichte synthetisiert: in einer Filmparodie unter der Regie von John Waters.


Vitrine mit diversen Materialien zu Patty Hearst
Zusammengestellt von Wilhelm Schürmann

Wie der Sammler Wilhelm Schürmann bemerkte, nahm sein Interesse an der Zirkulation zeitgenössischer Patty/Tania Ikonen mit einer Arbeit von Cady Noland, "SLA Group Shot", seinen Anfang. Diese Arbeit basiert auf einer Fotografie aus der Zeit von Hearsts Gefangenschaft. Die oszillierende Identität von Patty und Tania fügt sich nahtlos in eine Gesellschaft, die durch Nolands Gebrauch von Ikonen repräsentiert wird, die aus der Welt der Medien in die Kunstwelt transferiert werden, um so als kulturelle Dialogpartner zu fungieren. Mit dem Erwerb dieser Arbeit nahm Schürmanns Interesse als Sammler einen neuen Weg. Dieser zeigt sich hier als Segment seiner Sammlung. Eine mögliche Identität wird in der Verwandlung und Ausformung innerhalb früherer Präsentationen sichtbar – hier unter dem Titel "Von Citizen Tania zu Patty Hearst".

Dieses Segment bewegt sich durch das Treibgut, das die explosiven Ereignisse anzeigt, durch welche eine Person sich in eine kulturelle Ikone verwandelt, und verbindet es zu neuen Konstellationen.Seine Verwandlung in Gegenstände, die innerhalb amerikanischer Kultur und Kunstproduktion zirkuliert werden, verbindet sich wiederum mit einer besonderen Strategie des Sammelns. Dies spiegelt eine weitere Form der "Enculturation", innerhalb welcher die Rolle des Kunstsammlers innerhalb und auch als kontinuierlicher Prozess symbiotischer Entdeckungen unterschiedlicher Identitäten verhandelt wird.



Zeitschriftensammlung - Zusammengestellt von Wilhelm Schürmann

 


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