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16 / 11 / 02 – 15 / 12 / 02
Exhibition / Films / Talks / Performance

Peter Lorre - Das doppelte Gesicht
59 Min., Farbe, s/w
(1984)
Regie, Buch, Kommentar: Harun Farocki (D)


Peter Lorres außergewöhnliche Physiognomie legte gewisse gestalterische Möglichkeiten nahe. Er landete im Studiosystem Hollywoods nur zu oft immer dann auf den Besetzungslisten, wenn es darum ging, den pathologischen Killer, den geistig nicht voll zurechnungsfähigen Täter darzustellen. Seine weichen Gesichtszüge, sein fast kindliches Aussehen evozierten eine Mischung aus Sanftheit und Wahnsinn und damit den unberechenbaren Eindruck, den die Verantwortlichen der Studios in Lorre immer wieder erkennen wollten.

Bereits seine erste Filmrolle bescherte dem damals 26 jährigen Schauspieler zwar ungewöhnlich großen Erfolg, brachte für Lorre jedoch auch negative Folgen mit sich: die Verkörperung des Kindermörders Hans Beckert Langs M »belegte ihn mit dem Stigma des Bösen, Bedrohlichen«, wie Friedemann Beyer in seinem Lorre-Buch (München 1988) schreibt. Von da an erwies sich das Prinzip des »type casting«, nach dem in den meisten Studios verfahren wurde, als größtes Hindernis für seine weitere Karriere.

Die Entfaltung seines vielseitigen Talents als Schauspieler wurde somit verhindert. Lorre, der stets um differenzierte Darstellung, um die Zwischentöne bei seiner Arbeit bemüht war, sah sich mit einer Vielzahl von Rollenangeboten konfrontiert, bei denen der pathologische, gewalttätige Aspekt im Vordergrund des Charakters stand.

Der Verlorene kann als ein Versuch des Schauspielers und Regisseurs gewertet werden, die Erwartungshaltung des Publikums und der Öffentlichkeit vordergründig zu bestätigen, die Beschneidung seiner Vielseitigkeit jedoch gleichzeitig subtil zu unterwandern: Indem Lorre Wahnsinn und Gewalt bewusst wieder so thematisiert und nebeneinander stellt, wie Lang dies bereits zwanzig Jahre zuvor getan hat, weist er durch jede minimale Abwandlung bereits auf bedeutsame Unterschiede hin. Über den unvermeidlichen Vergleich, die gestalterischen und thematischen Bezüge zu M, über das Zitat, gelingt es ihm aber vor allem, den ausgesparten, verdrängten Zeitraum zwischen den beiden Filmen (die Handlung von Der Verlorene ist zwischen 1943 und 1945 angesiedelt) umso deutlicher zu markieren, das heißt die Lücke mit all ihren Konsequenzen sichtbar zu machen.


aus: Monika Spindler, “Das Aufflammen des Streichholzes.
Peter Lorre und sein Film Der Verlorene
in: Peter Lorre, Der Verlorene. Belleville München: 1996.

Alle Abb.aus:Peter Lorre - Das doppelte Gesicht (1984)

 

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