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>redirect

16 / 11 / 02 – 15 / 12 / 02
Exhibition / Films / Talks / Performance

English

Inhaltsverzeichnis >



>redirect eröffnet die letzte Veranstaltungsreihe des haus.0 Programms im Künstlerhaus Stuttgart. Das Projekt bewegt sich durch die Materialien des vorhandenen Kontexts, der mit den Anfängen des Programms 1999 formuliert wurde – und tritt gleichzeitig aus den Verkörperungen möglicher Formen der Zukunft die Rückreise an. >redirect suggeriert, dass die Linien, die Fiktion von Geschichte trennen, sich zu einer fragilen Räumlichkeit anordnen, wie ein Programm sie erfordert, das eine relevante Identität für ein Künstlerhaus im 21. Jahrhundert entwerfen soll.

Der Raum, in dem >redirect stattfindet, konstituiert sich aus einem spekulativen Kräftefeld von Anziehung / Abstossung, und wird über verschiedene Produktionen erzählt, von denen einige innerhalb dieser Institution zwischen 1999 und 2002 realisiert wurden. Die Ausstellung lokalisiert dieses Feld innerhalb eines Rahmenwerkes verschiedener Praktiken, und organisiert den Raum von dort aus zu unterschiedlichen “Konstellationen”, sodass filmische, künstlerische, historische oder theoretische Diskurse neben denen eines Sammlers angeordnet werden können, wie das mit “Von Citizen Tania zu Patty Hearst” aus der Sammlung Schürmann zu sehen ist.






Ausgewählte Filmvorführungen, Vorträge und eine Performance erweitern diese Dynamik durch eine spezifische Interpretation von “Massenmedien”, durch die Bezugnahme von Identitäten früher Formen des Kinos auf dessen Anfänge innerhalb nationaler Konturen, und in einer Gegenbewegung, durch die Darstellung kultureller Modelle von Repräsentationspolitiken. Innerhalb einer Verlagerung von der Raumzeit ritueller Besessenheit über synthetische Muster von Stimmen, die eine noch zu schreibende Geschichte entwerfen, bis zur Produktion diskursiver Formen des Widerstands wird ein territorialer Fluss sichtbar. So erscheinen die Bruchlinien innerhalb der “nahtlosen” Bildung von Identitäten wieder, die durch soziopolitische und kulturelle Dynamiken in Gang gesetzt wird.






>redirect ordnet den Ausstellungsaum um zwei Ikonen der Nachkriegszeit an: zwei aufnahmen, die die Transformation verschiedener Glaubenssysteme der Moderne anzeigen, und so auf eine instabile zeitgenössische Ethnografie verweisen, die sich am Rande des Virtuellen bewegt.

Der umstrittene Film Les Maîtres Fous (Mad Masters) von Jean Rouch aus dem Jahr 1955 stellt eines der Hauptwerke des ethnografischen Kinos dar. Während der jährlichen Zeremonie der religiösen Bewegung der Hauka aus Westafrika (Ghana/Niger), verfallen die Teilnehmer in Trance und werden in Folge von einer Reihe von Geistern besessen, die als Verkörperungen der Kolonialmächte gelten. Eine Gruppe von Hauka-Priestern beauftragte Rouch, diese Zeremonie zu dokumentieren. Ein traditionelles Ritual wird mit den Gespenstern der Moderne aufgeladen und suggeriert so einen Prozess kathartischer Internalisierung als Medium, das für das andauernde Selbstgespräch der Bewegung der Hauka notwendig ist.


Die Voyager Interstellar Record wurde 1977 mit der Voyager ins Weltall geschickt, auf einen Weg bis zum Ende des Sonnensystems und darüber hinaus. Neben Bild- und Symboldatenbanken beinhaltet die Voyager Record auch eine 90 Minuten lange Musikauswahl, darunter eine Polyphonie von Stimmen und verschiedenen Sprachen; westliche Klassiker, und regionale Musikstile aus aller Welt. Nachdem Voyager das Sonnensystem verlassen hat, wird es vierzigtausend Jahre dauern, bevor das Raumschiff die Nähe eines anderen Planetensystems erreicht. Projektberater Carl Sagan schrieb, “Voyager wird nur dann bemerkt und die Platte nur dann abgespielt werden, wenn es andere Zivilisationen im interstellaren Raum gibt, die Raumfahrt betreiben. Aber alleine der Umstand, dass diese Flaschenpost in den kosmischen Ozean geschickt wurde, sagt etwas sehr Hoffnungsvolles über das Leben auf diesem Planeten aus.” Mit diesem Satz rückt Sagan die Raumfahrt in die Nähe einer rituellen Reise, als solipsistisches kosmisches Vexierspiel und fortdauerndes Selbstgespräch von “Erde zu Erde”…

Fern von den interstellaren Räumen und auf der Erde verankert, funktioniert ein Künstlerhaus wie eine Unterbrechungsschaltung für derartige Einweggespräche. Es gehört dem Bereich zeitgenössischer Kulturproduktion und künstlerischer Praxis an, – eine soziale Architektur, zum Teil Raumstation und zum Teil irdischer Ort: haus.0 – die Identität eines Programms, als unfertiges Interface geschrieben, ein institutionelles Dérive (im Gegensatz zum institutionalisierten Dérive). So werden latente Bedeutungen innerhalb der Rolle von KünstlerInnen aktiviert, die Räume für Kunst in institutionellen Sphären begründen.



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