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Die Filme von Peter Watkins

07 / 12 / - 08 / 12 / 01
Filmvorführung / Vortrag


English

Heute noch stellt es ein schwieriges Unternehmen dar, das komplette filmische Oeuvre des Regisseurs und Medienkritikers Peter Watkins aus den Jahren 1960-2000 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Neben zahlreichen Projekten und frühen Amateurfilmen besteht sein Oeuvre vor allem aus 12 Hauptwerken, darunter der mit dem Oskar ausgezeichnete Dokumentarfilm War Games, der Kultklassiker Privilege aus den Sechzigerjahren, und der frühe Doku-Fictionfilm Punishment Park. Erst vor kurzem gelang es der Harvard University, unkooperative oder desinteressierte Verleihfirmen davon zu überzeugen, ihre Archive zu durchsuchen und die oft letzten noch verfügbaren Kopien von Peter Watkins' Filmen zur Verfügung zu stellen, um damit eine längst fällige Retrospektive dieses bedeutenden Regisseurs organisieren zu können.

Watkins Arbeit stellte von Beginn an ein revolutionäres, kommunikatives Potential in der Praxis des Filmemachens fest. Dies schließt das Produktionsmodell in Hinblick auf die Veränderungen einer Gesellschaft, ihrer Kunstpraxis, der Politik und der Medien mit ein. Seine frühen Amateurfilme The Diary of an Unknown Soldier von 1959 ( ein pazifistischer Film über den Ersten Weltkrieg aus der Perspektive eines jungen Soldaten, der an die Front beordert wird), und der Film The Forgotten Faces von 1961 (ein fiktiver Bericht über die Geschehnisse in Ungarn 1956) enthalten bereits viele seiner zukünftigen Strategien. Sein zweiter professioneller Film The War Games von 1966 wurde äußerst kontrovers aufgenommen, und behandelt die möglichen Auswirkungen eines nuklearen Angriffs auf Großbritannien. Der Film wurde von BBC nicht ausgestrahlt, und gewann dennoch einen Oscar als Bester Dokumentarfilm 1966. Watkins folgende Werke verbinden die Konventionen des Underground- und Alternativkinos mit jenen des Third Cinema, aber auch mit dem klassischen kommerziellen Kino. Die Filme thematisieren oft schon in ihrem Produktionsprozess eine bestimmte Form von Gemeinschaft. Dies dient als Ausdruck eines kollektiven Engagements, das in den transformativen, emanzipatorischen Dynamiken der Sechzigerjahre seinen Ursprung nimmt, und oft die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen Medien, Kultur und Politik vorwegnimmt. Sein jüngstes Filmprojekt La Commune (Paris 1871), in dem nicht-professionelle Darsteller ihr jeweils eigenes historisches "Script" entwickeln, und vor laufender Kamera kollektive Diskussionen über aktuelle politische Themen abhalten, bewegt sich nach wie vor entlang dieser Konzeption.


Publikumsdiskussion mit Mitgliedern der Vereinigung Rebond pour La Commune während der Vorführung von La Commune (Paris 1871)

haus.0 präsentiert im Rahmen von zwei Abenden eine Reihe von Peter Watkins Arbeiten. Die Produktion La Commune (Paris 1871) dient als Navigator für weitere Vorführungen seiner FIlme, Diskussionen mit Teilnehmern, Darstellern und Produzenten von La Commune; ein neuer Dokumentarfilm über Peter Watkins mit dem Titel The Universal Clock: The Resistance of Peter Watkins des kanadischen Filmemachers Geoff Bowie, der unter anderem von den Dreharbeiten zu La Commune berichtet, wird gezeigt; und im Video Plug In sind eine Reihe von frühen Amateurfilmen, weitere Feature Films und ein erst kürzlich in Litauen entstandenes Interview mit dem Regisseur zugänglich.

Dieses haus.0 Projekt entstand auf Grundlage eines Vorschlages von Peter Watkins, die Gruppe "Rebond pour La Commune" vorzustellen, ein Netzwerk, das aus TeilnehmerInnen der Dreharbeiten zu La Commune (Paris 1871) besteht. Diese Gruppe entstand bereits während der Dreharbeiten zum Film, und setzt die kollektive Diskussion, die im Rahmen der Produktion entstand, in die Gegenwart fort. Caroline Lensing-Hebben, Darstellerin und Präsidentin des Vereins und Patrick Watkins, Regieassistent und Casting Director, werden in diesen zwei Veranstaltungstagen den Prozess der Filmproduktion und weitere Materialien zu Rebond präsentieren.

Alle oben genannten Filme sowie ein neues Interview mit dem Titel Peter Watkins Litauen 2001 (36 Min., Engl. OV m. franz. Untertiteln) stehen im haus.0 Video Plug-in zur Verfügung.

Weitere Informationen finden Sie auf der webseite von Peter Watkins: www.mnsi.net/~pwatkins


Filme:

The Universal Clock: The Resistance of Peter Watkins (C 2001)

Regie: Geoff Bowie. 76 Min. Engl. OV. Beta PAL.
Durch die wachsende Zahl von Fernsehsendern erlebt das Genre des Dokumentarfilms durch ein Publikum, das eine Alternative zum gängigen Infotainment sucht, einen noch nie dagewesenen Boom. Doch auch der Dokumentarfilm bleibt von den Konventionen und Reglements des Fernsehens nicht verschont. Im Zentrum steht dabei die sogenannte "Universal Clock", eine zeitliche Einschränkung der Länge des jeweiligen Films, die so versucht, die Beiträge dem Standard eines globalen Marktes anzupassen. Dieser Film verbindet eine Dokumentation der Dreharbeiten zu La Commune (Paris 1871) (Regie: Peter Watkins, F 1999) mit Aufnahmen der jährlich in Cannes stattfindenden internationalen Fernsehmesse, und stellt so den Prozess der Entstehung von Watkins sechstündigem Epos über die Pariser Kommune Interviews mit den Strategen der Fernsehindustrie gegenüber, die Standards bestimmen und Geschäfte abschließen, und im Zuge dessen die "Universal Clock" auf immer neue Bedürfnisse des Diktats der Globalisierung abstimmen. Bowies Film erzeugt so ein dialektisches Wechselspiel zwischen der Industrie und Peter Watkins Kritik an deren Produktions- und Distributionspolitik.

Punishment Park (USA 1971)

Regie: Peter Watkins. 88 Min Engl. OV m. deutschen Untertiteln. Mit Mark Keats, Kent Foreman, Carmen Argenziano.
Dieser Film von Peter Watkins spielt in den USA zur Zeit des Vietnamkriegs. Wegen der zahlreichen sozialen Unruhen und Aufstände richtet die Nixon Regierung Lager ein, um die Proteste von Pazifisten, Studenten, schwarzen Militanten und anderen störenden Elementen zu unterdrücken. Dabei beruft die Regierung sich auf den sogenannten McCarran Act von 1950, der es gestattet, lange Gefängnisstrafen im Austausch gegen eine dreitägigen Aufenthalt in einem sogenannten Punishment Park zu erlassen. Dort allerdings müssen die Gefangenen 53 Meilen zu Fuß , ohne Wasser und Nahrung, durch die kalifornische Wüste zurücklegen, während sie von bewaffneten Nationalgardisten verfolgt werden, die autorisiert sind, sie einfach zu erschießen, sobald sie ihrer ansichtig werden. Der Filme wurde zur Gänze vor Ort improvisiert, die Darsteller waren alle Laien, die ihren tatsächlichen politischen Ansichten Ausdruck verliehen.

La Commune (Paris 1871) (F 1999)

Regie: Peter Watkins. s/w 345 min. Video. Franz. OV mit deutschen Untertiteln.
Im März 1871 tobt der Bürgerkrieg in Paris. Ein Journalist von Versailles TV berichtet von den schrecklichen Ereignissen, von denen die Französische Republik erschüttert wird, während von den Aufständischen eine eigener Fernsehkanal eingerichtet wird. Über 220 Schauspieler, zumeist Laiendarsteller, verkörpern in einem leeren Pariser Theater die Arbeiter des Popincourt-Viertels aus dem 11. Arrondissement, und stellen in einer Wiederinszenierung der damaligen Ereignisse die sozialen und politischen Debatten nach, von denen die Pariser Kommunarden bewegt wurden. Trotz der authentischen Ausstattung drehen sich die Diskussionen oft um zeitgenössische Themen wie Arbeitslosigkeit oder Rassismus , und ein Großteil der Kritik richtet sich nicht an Versailles, sondern an die heutige Regierung und Gesellschaftsform. Es ist ein eigenartiger Tribut, der diesem Film über die Pariser Kommune gezollt wird - trotz Überlänge von sechs Stunden und dem unkonventionellen Verfahren des Regisseurs - wenn sogar das Magazin Variety, ein Bollwerk der Industrie, ihn mit furiosen Kritiken bedenkt.


haus.0 Video Plug-In stellt auch folgende Videos zur Verfügung:

Peter Watkins, Litauen 2001

36 Min., Englische OV mit franz. Untertiteln
Juli 1999. Peter Watkins dreht in Montreuil, in den früheren Studios von Georges Méliès, La Commune (Paris 1871). Dies ist ein Werk, das einen radikalen Bruch mit den dominanten Konventionen des Kinos darstellt, ob es sich nun um die historische Recherche handelt, um die Erzählung, die Montage oder die Schauspielerführung.
Zwei Jahre später, umgeben vom surrealistischen Dekor eines pro-sowjetischen Theme Parks, wenige Kilometer von litauischen Vilnius entfernt, kehrt der Regisseur zu dieser einzigartigen Erfahrung zurück. Er erzählt von seiner Arbeit, von der Entstehung des Films, von seiner Position als Regisseur, und von der Krise der zeitgenössischen Medien.

The Diary of an Unknown Soldier (1959)

Regie: Peter Watkins
Die Geschichte spielt während des Ersten Weltkriegs und handelt von einem jungen Soldaten, der an die Front muss, von den Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen, und seinen Ängsten. Die erste Einblendung bereitet den Zuschauer/die Zuschauerin auf "den letzten Tag im Leben" des Hauptdarstellers, des unbekannten Soldaten, vor. Der Rest des Films zeigt Kampfhandlungen aus seiner Perspektive.

The Forgotten Faces (1961)

Der Film rekonstruiert die Ereignisse und den Kampf der ungarischen Befreiungskämpfer während des Aufstands in Budapest 1956. Ein gewalttätiger Mob erhebt sich gegen die von der Sowjetunion kontrollierte Geheimpolizei, drei der Agenten werden exekutiert. Ein Lastwagen, der als Rotkreuzfahrzeug verkleidet ist, wird zerstört; eine Gruppe von Freiheitskämpfern gerät in einen Hinterhalt und wird von Scharfschützen der Polizei beschossen; Studenten, Arbeiter und Soldaten diskutieren und verteidigen ihre jeweiligen politischen Positionen.

Privilege (UK 1967)

Regie: Peter Watkins. 35mm, Farbe, 103 Min. Mit Paul Jones, Jean Shrimpton, Mark London
In diesem Film verbindet Watkins dokumentarischen Stil mit metaphorischen Elementen, um so seine Untersuchungen zu Medien und Politik zu erweitern. Privilege war Teil von Universals europäischem Produktionsprogramm, innerhalb dessen junge europäische Regisseure eingeladen wurden, Low Budget-Studio Filme herzustellen. Konventioneller als die Debutfilme Watkins', beharrt der Film dennoch auf die Markenzeichen von Interviews und Pseudodokumentation. Die Geschichte handelt von Steven Shorter (Jones), einem erfolgreichen Popstar, der von der Regierung vereinnahmt wird. Er soll durch gewalttätige theatralische Rockinszenierungen die Jugend von politischen und sozialen Problemen ablenken, und sie so zu einer "fruchtbaren Konformität" mit Kirche und Staat anhalten. Als Shorter sich schließlich zurückzieht, nachdem er erkannt, dass er manipuliert wird, um die Öffentlichkeit zu kontrollieren, wenden seine Fans sich gegen ihn, und er wird zum Staatsfeind.

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