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AMP (Asiatic Mode of Production)

07 / 04 / - 16 / 07 / 00
Exhibition / Events

AMP (Asiatic Mode of Production)
Formen zeitgenössischer populärer asiatischer Kultur
aus der Perspektive der zweiten Generation
produziert von haus.0 mit Ruby Sircar (D)


Lotussäule, Hauptelement des amp Ausstellungs-Designsystems

siehe auch:
AMP project page

english

AMP ist ein Projekt, das sich aus einer für diese haus.0 Produktion entwickelten Reihe von media narratives, aus Beiträgen der in verschiedenen kulturellen Feldern operierenden TeilnehmerInnen zusammensetzt.

Das Projekt geht einer Reihe von Fragestellungen nach, die der Begriff 'Asiatic Mode of Production' aufwirft. Ursprünglich versteht man unter dieser Bezeichnung den Prozess der ökonomischen und gesellschaftlichen Verschiebung von Feudalismus und Merkantilismus hin zu kapitalistischen Strukturen. Gleichzeitig werden die Parameter einer Kultur in Frage gestellt, deren Selbstverständnis sich an der hegemonialen Definition eines Identitätsbegriffs abbildet, der sich vor allem über Begrenzungen und Umrisse geographischer Räume konstituiert.

Die Theoretikerin Gayatri Spivak definierte diesen Begriff im Zuge ihrer Untersuchungen auf dem Gebiet von Cultural Studies auf neue Weise. Sie stellte ihn in Bezug zur Dynamik postkolonialer Bewegungen, und entwickelte neue Konnotationen entlang einer gedanklichen Linie, die über Fragen nach dem Begriff der 'unabhängigen' Nation, über die Folgen massiver Emigration aus ökonomischen Gründen bis zur Beobachtung von Formen kultureller Rekolonisierung im Zusammenhang mit Globalisierungsprozessen reicht. Zeitgenössische Produktionen asiatischer Kultur können heute nicht mehr an geographischen Koordinaten festgemacht werden, und ethnische Identitäten spielen diesbezüglich ebenfalls keine grosse Rolle. Spivak bereicherte diesen Diskurs um eine zusätzliche psychologische Dimension, indem sie das Konzept des 'Native Informant' (NI) entwarf. Dabei handelt es sich um eine Figur, welche einer Kultur angehört, die in direktem Verhältnis zu einem tatsächlichen geographischen Ort, zu einer Nation steht. In ihrer These beschreibt Spivak das Wesen des 'Native Informant' als das eines sich selbst entfremdeten Subjekts. Dieses Subjekt lebt in einem Zustand permanenter Emigration. Mit der Bezeichnung 'living abroad' beschreiben Asiaten der zweiten Generation ihre Situation. Für diese Generation gibt es zwei mögliche Perspektiven - die eine besteht in einem Rück(be)zug auf die Sicherheit, die von der Vorstellung einer mythologisierten, ursprünglichen, einheimischen Kultur ausgeht, die re-kolonisiert wird, indem das Idealbild eines intakten kulturellen Erbes in die Bedingungen einer wirklich existierenden Nation hineingespiegelt wird. Die andere Perspektive reflektiert die Bedingungen, die das Leben woanders mit sich bringt, als das Material, durch welches eine Vielzahl von Auffassungen in Hinblick auf die Rolle von kultureller Identität und der Entwicklung neuer Formen von Gemeinschaft entstehen können.

Während Spivaks Thesen aus der Auseinandersetzung mit Fragen von Kolonialismus, Rassismus und Sexismus hervorgehen, die in direktem Bezug zur ersten Generation der 'Native Informants' stehen, erscheint hier, innerhalb der Erzählung, die das Projekt AMP entwickelt, ein Bild der nachfolgenden Generation. Diese Generation operiert mit einer neuen Semantik von Identität, die sich aus einer komplexen Realität formiert, und mit unterschiedlichsten Projektionen befasst ist. Eine der grundlegendsten Strukturen der sogenannten Rekolonisierung bildet sich in der Wahrnehmung ab, welche die ältere Generation von der jüngeren hat. Diese Wahrnehmung besteht auf den Entwurf eines Idealbilds von einer 'ursprünglichen' Gesellschaft, während jedoch die Realität das Bild einer aus dynamischen Kulturen bestehenden Gemeinschaft zeigt, deren traditionelle Familienstrukturen und soziale Übereinkünfte einer permanenten Veränderung unterliegen.

AMP entwirft ein Abbildungs- und Orientierungssystem, das auf der neuen Semantik der zweiten Generation basiert. Im Besonderen hat Sircar sich mit populären zeitgenössischen Formen asiatischer Kultur befasst, die ihren eigenen Interessen entsprechen. Über die Untersuchung der Verhältnisse zwischen Geschlechtern und Generationen etabliert sie eine Perspektive, deren Fluchtpunkt sich in der Repräsentation der Kategorie des 'Weiblichen' kondensiert. Sircar beschreibt die Rolle der Frau innerhalb der asiatischen Gesellschaft als eine aus transitorischen Momenten bestehende Konstruktion, die sich in den Übergangszonen zwischen dem Privaten als der Verkörperung kulturellen Erbes, der Öffentlichkeit, und dem Bereich der Massenmedien konstituiert. AMP verknüpft den Wunsch, neue Ausdrucksformen für feministische Strategien zu entwickeln, mit einer Untersuchung des Wesens der fluktuierenden Identitäten der zweiten Generation.

In diesem Wechselspiel verweist AMP auf das Potential, das die Fähigkeit zur Anerkennung verschiedenster Vorstellungen kultureller Identität und Gemeinschaft mit sich bringt. Schon zu Beginn der Entwicklung des Projekts AMP entstand die Idee, eine andere Art von Forum für die - lokale - zweite Generation zu schaffen. Die Verknüpfung verschiedener Dialoge und Diskurse verleiht dem Projekt auch eine zukünftige Perspektive, und ruft gleichzeitig die Rolle der Institutionen in Erinnerung, die innerhalb der Gesellschaft und ihrer Kultur produktive Interfaces zur Vermittlung zeitgenössischer Semantiken darstellen können.

Übersetzung und Bearbeitung: Constanze Ruhm


Mehr Informationen: AMP Projekt-Seite

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