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Transaction

10 / 10 / - 24 / 11 / 2000
Ausstellung / Präsentation

Transaction
Nomeda und Gediminas Urbonas (LT)

Session

Transaction
Frauen
Psychologie
Filmauswahl
Filmliste + Synopsis

english

Transaction Session, Zentrum für Frauenstudien an der Universität Vilnius. Die TeilnehmerInnen sehen fern, und diskutieren über die Äußerungen der Psychiater.

VD - Dr. Viktorija Daujotyte, Philologin
AMP - Dr. Ausrine Marija Pavilioniene, Philologin
SD- Dr. Solveiga Daugirdaite, Literaturkritikerin
DM - Dr. Dalia Marcinkeviciene, Historikerin
RP - Dr. Rima Praspaliauskiene, Historikerin


A.M.P.: Sollen wir versuchen, an einen Punkt zu kommen, an dem Männer und Frauen eine Übereinkunft erreichen, eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Aufgabe innerhalb der Gesellschaft, oder sollen wir, wie einer der Kommentatoren gesagt hat, die Arbeit den Männern überlassen, um den Frauen ihre Stabilität zu bewahren? Ich habe wirklich keine Lust, dem zuzustimmen. Und ich glaube, dass die Kommentatoren in Stereotypen denken. Man muss sich das ja nur ansehen, die Art und Weise, wie die dasitzen, drei Männer und eine Frau, warum nicht zwei und zwei? Das ist wirklich ein künstlich erzeugter Raum.

V.D.
: Was für ein Interesse gibt es an diesem Modell? Drei Männer - eine Frau. Meine Beobachtungen sagen mir, dass dieses Modell den Proportionen des 20. Jahrhunderts entspricht. Wenn bei irgendeinem Treffen drei Männer dabei sind, taucht bestimmt auch eine Frau auf. Drei Männer, und eine Frau. Das ist das optimale Verhältnis, das auch unsere Kultur in gewisser Weise wiedergibt. Darüber hinaus - wenn man zum Beispiel über Literatur spricht, über die Generation modernistischer Neoromantiker - Aistis, Brazdionis, Mikinis, Salomeja Neris. Wenn wir in unsere Zeit zurückkehren, sagen wir, in die Zeit der Wiederauferstehung der Sowjetischen Ära - wir finden wieder das gleiche Verhältnis - Baltakis, Marcinkevicius, Maldonis, Degutyte Janina. Eine Generation, die wurde so ungefähr um 1930 herum geboren...

V.D.
: Und ich könnte weiter Namen aufzählen, bis zur Gegenwart. Wenn wir uns das ansehen, können wir annehmen, dass es nicht ganz so schlimm ist, ein Drittel - es ist nicht so eine Katastrophe. Wir sollten auf ein 2:2 Verhältnis hoffen.

A.M.P.
: Es ist auf alle Fälle bemerkenswert, dass diese Filme produziert wurden, als in Litauen noch niemand über Feminismus gesprochen hat. Würden wir die Filme aus dieser Zeit analysieren, würden wir auf völlig unterschiedliche Themen stoßen. Diese männlichen Psychologen denken in ganz traditionellen Stereotypen. Und aus irgendwelchen Gründen gibt man ihnen die Erlaubnis, ihre Meinung zu äußern. Warum erlaubt man weiblichen PsychiaterInnen keinen Kommentar? Sie hätten sich mit feministischen Theorien vertraut machen können, diese Wissen ermöglicht es, alles anders zu bewerten, indem man zum Beispiel feministische Theorien anwendet, und so weiter ... seine Haltung verändert.

D.M.: Aber ich glaube, dass alleine der Umstand, dass es sich um eine weibliche Psychiaterin handelt, noch keine Garantie dafür ist, dass sie aus einer nicht-traditionellen Perspektive argumentieren wird. Ich glaube, dass sowohl die Teilnehmer, wie auch die Filme in einem bestimmten Verhältnis angeordnet sind. Es scheint mir, dass Frauen ähnliche Dinge gesagt haben. Ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt, spielt keine Rolle...

S.D.: Aber das ist gut, es zeigt einfach ein Spiegelbild unserer existierenden Psychiater-Elite. Tatsächlich kann man an diesem Text gut erkennen, dass es sich um ein völlig schablonenhaftes Denken handelt, eine Liebe zum Freudianismus - woran die Welt vor hundert Jahren krankte, wird heute noch völlig ernsthaft diskutiert - wir leben im Allgemeinen in einer Zeit, in der man zum Beispiel einer Gruppe von Leuten begegnet, die von sich behaupten, Experten zu sein. Zuerst denkt man, Moment mal, was für Experten sind das denn? Warum sind sie Experten? Sind sie Experten für die Wirklichkeit? Und was bedeutet das alles? Man fängt an, darüber nachzudenken, was das alles so bedeutet, denn ein Experte ist nicht mehr als ein Spezialist. Heute gibt es so viele verschiedene Arten von Experten, man muss wirklich schon darüber lachen.

V.D.
: Artifizieller Raum, und nicht artifizieller Raum. Diese Welt der Kultur ist völlig artifiziell. Aber man findet hier fast schon die zweite Schicht von Künstlichkeit. Diese Filme benützen eine vorfabrizierte Ideologie, ein spezielles Konstrukt, natürlich ein sehr männliches Konstrukt. All dieses totalitären Ideologien sind extrem männlich, sie entsprechen allen bekannten Klischees. Sie sind gefährlich, furchterregend, Ideologien der Macht - Faschismus. Sie unterdrücken und manipulieren Menschen. Irgendwie können sie auch für eine Frau attraktiv sein, wenn wir den Faschismus betrachten, so wie diese Revolutionäre, oder was auch immer, wenn Frauen dann beginnen, Lederjacken zu tragen, und Ledermäntel, Hosen, Schuhe. Vielleicht muss man daran denken, dass es sich nicht nur um eine künstliche Welt handelt, sondern da gibt es auch diese Schichten von Ideologien. Natürlich können wir uns dann fragen, ob die Menschen überhaupt eine einzige Ideologie kennen, die sich der Illusion hingeben könnte, diese Welt zu reorganisieren, diese Ideologie, die eine weibliche Ideologie genannt werden könnte. Das ist die einzige Ideologie, die von Solveiga diskutiert werden könnte, und die natürlich von Marija Gimbutiene erschaffen, beziehungsweise rekonstruiert wurde. Das ist diese Ideologie, die schon lange zuvor in der fernen Vergangenheit existierte, und die niemals zurückzukehren scheint. Diese Mutter-Gottheit, die die Welt bewahrt, aber nicht den augenblicklichen Status Quo. Kreativität ist die einzige Handlung, innerhalb der sowohl eine gewisse Stabilität, aber auch eine Art von Veränderung miteinander koordiniert werden können.

A.M.P.
: Wie auch immer, Kreativität ist auch ein Charakteristikum männlicher Sexualität, ich würde dieses spirituelle Potential nicht nur einem Geschlecht zuordnen.

D.M.: Jetzt, wo wir schon Marija Gimbutiene erwähnt haben, wäre es interessant zu sehen, wie eine andere Ideologie entstanden ist. Der Beginn einer anderen Ideologie, die öffentlich der ganzen Welt zur Diskussion gestellt wurde.

A.M.P.
: Das wird von den Historikern geleugnet. Das war einfach ein schöner Mythos.

D.M.: Ja, sie leugnen es, aber wie? Es scheint so, als hätte es einen patriarchalen K
A.M.P.
f gegeben, den diese Ideologie gewonnen hat, die ganze Welt bewunderte sie zehn Jahre lang. Aber heute wird sie sehr stark kritisiert und auch widerlegt.

S.D.: Niemand leugnet, dass es sich um einen Mythos handelt, aber um einen Mythos nicht in dem Sinn, dass er unwahr wäre..., sondern es ist jener Mythos der, wie immer wieder gesagt wird, zur Basis aller radikalen Feminismen geworden ist. Dieser Mythos war in einem Ausmaß lebendig, dass es unmöglich geworden ist, ihn in Kategorien wie Wahrheit und Unwahrheit einzuordnen.

A.M.P.
: Damit stimme ich nicht überein. Das war vielleicht die Basis für die Idee der Mutter, die gebiert, und erschafft. Das ist nur einer der Aspekte feministischer Theorie. Feministinnen betonen oft auch eine praktische Aktivität. Ich würde gerne noch einmal ins Heute zurückkehren und die Proportionen betrachten, die schon von Viktorija diskutiert wurden. Sehen wir uns mal diese Wahlplakate an: Frau Prunskiene, und sonst nur Männer, sie ist die einzige Frau.

V.D.
: Aber auf manchen Postern kommt sie gar nicht vor, man sieht nur drei Männer. Das verändert wieder die Proportion.

A.M.P.
: In keinem Programm kommt die Gleichberechtigung der Geschlechter vor, nur bei Paulauskas, und das auch nur, weil die Psychologin Vasiliauskiene damit zu tun hat. Sie versucht, ihm diese Haltung aufzuzwingen, sie sagt, dass Frauen auch in der Lage sind, diese Welt zu gestalten, und zu verwalten. Das bedeutet, dass unser Land sich auf Wahlen vorbereitet, und in keinem Programm steht etwas darüber, dass diese Gesellschaft von beiden Geschlechtern gestaltet werden soll. Wir sollten in der Lage sein, das einzulösen, und uns nicht von Gimbutienes Ideen einschläfern lassen. Im Gegenteil, wir sollten Aktionen und Reden und Kommentare verbreiten.

V.D.
: Ich möchte aber nochmals auf die Ideen von Gimbutiene zurückkommen.
Ich stimme darin überein, dass es sich um einen Mythos handelt, aber ein Mythos
ist nicht gleich Unwahrheit. Im Allgemeinen ist es ohnehin unmöglich, gegen einen Mythos anzukämpfen.

A.M.P.
: Und außerdem gibt es keinen Grund dafür.

V.D.
: Ein Mythos kann lebendig sein, und lebendig bleiben, ein Mythos besitzt eine lebendige Kraft und kann etwas Wesentliches in der Struktur dieser Welt verändern. Ich glaube, dass, was auch immer Gimbutiene getan hat, nichts bewiesen werden kann, aber es kann auch nicht geleugnet werden. Und diese Ideen werden immer zurückkehren, weil sie so ein starkes Gleichgewicht schaffen. Das ist eine Ideologie. Wenn sie nicht schon existierte, könnte sie eben einfach entstehen. Es könnte so sein.

S.D.: Der Umstand, dass sie nicht existiert hat, macht alles viel schlimmer.

R.P.: Niemand hat Gimbutienes Worte widerlegt. Sie wird kritisiert, weil sie ihre Forschung zu politischen Zwecken verwendet hat, aber niemand hat eine Alternative gehabt. Und es ist auch ziemlich seltsam, dass Gimbutiene in unserer Gesellschaft selbst von den Frauen nicht geschätzt wird. Tatsächlich hat sie sich nicht als Feministin verstanden, und in allen Interviews, in denen sie über ihr Verhältnis zum Feminismus befragt wird, sagt sie einfach immer: "Ich bin keine Feministin.", obwohl sie doch eine war. Und es scheint mir sehr seltsam zu sein, dass die Frauen in unserer Gesellschaft sie nicht für ihre Zwecke instrumentalisieren ...

V.D.
: Es ist ganz gut, dass wir das nicht tun.

R.P.: Warum?

V.D.
: Weil man sie für eine Autorität hält. Wir können sie nicht einfach benützen, wir können das einfach nicht. Das ist ein so wichtiges Phänomen, das nicht einfach so verwendet werden kann.

R.P.: Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt...wir sollten ihr folgen, meine ich.

V.D.
: Der Autorität folgen? Die Position, die eine Autorität in Anspruch nimmt, sollte irgendwie gerechtfertigt sein, das hätte zum Beispiel in Form eines Dialogs geschehen können. Es ist wichtig, eine sehr starke kreative Energie zu besitzen, um mit Gimbutiene in einen Dialog treten zu können, und sich nicht nur auf sie zu beziehen.

D.M.: Vielleicht wollte Rima sagen, dass Gimbutiene die feministische Bewegung nicht erfunden hat, vielleicht ist das der Grund, warum wir Prunskiene in den Postern finden, und nicht sie.Und vielleicht ist das der Grund, warum Politiker nicht über Gleich-berechtigung sprechen. Weil wir eine große Chance hatten, die ganze Welt hatte eine Chance, aber für uns war es dann doch keine Chance, obwohl sie eine von uns war.

R.P.: Aber wir haben sie doch vermisst.

A.M.P.
: Es mangelt unseren Frauen, den Leuten überhaupt, einfach an Erziehung. Nicht einmal ihre Bücher wurden von unseren Verlagen publiziert. Ist es nicht so?

Übersetzung: Constanze Ruhm

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