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Die Letzte Rache

23 / 07 / 1999
Screening

Die Letzte Rache, Spielfilm,(D) 1982, 89 min. S/W
Dir. Rainer Kirberg, Pt 1. of "P's Memory"

Rainer Kirberg ist Drehbuchautor, Regisseur und dramaturgischer Berater. Seine Arbeit umfasst verschiedenste filmische Genres. Er inszenierte Musik- und Werbeclips ebenso wie Kurzfilme, Kurzspielfilme und drei abendfüllende Spielfilme. Daneben arbeitet er mit Installationen und Performances im Grenzbereich der Kunst.

Seit Beginn der 90er Jahre hat sich Rainer Kirberg aufs Schreiben für den Film konzentriert. Als Drehbuchautor entwickelte er verschiedene heterogene Formate wie Independent-Spielfilme und Daily Soaps (Gute Zeiten - Schlechte Zeiten, Mallorca). In näherer Zukunft soll wieder die Inszenierung eigener Stoffe im Vordergrund stehen.

Im Rahmen seiner Tätigkeit als Autor gilt Kirbergs Interesse speziell der Mathematik des Erzählens. Die dramatische Struktur von Geschichten ist für ihn nicht bloßes Hilfsmittel, um Erzählungen "unterhaltsamer" oder "spannender" zu machen - sie wird selbst zum Bestandteil der Arbeit. Diese selbstreferenzielle Methode unterscheidet seine Arbeit auf kontroverse Art vom Mainstream-Film.

Kirberg realisiert für haus.0 eine interaktive Erzählung, die nach dem Prinzip eines digitalen Automaten funktioniert. P's Memory - so der Arbeitstitel - wird den User in Kommunikation mit einem fiktiven Charakter von der Daily Soap in den Mystery Thriller entführen - und von der virtuellen Welt der Daten in eine heimtückisch inszenierte Realität...

Zum Auftakt dieser Zusammenarbeit zeigt haus.0 Rainer Kirbergs ersten abend-füllenden Spielfilm, Die letzte Rache.

Spiel mit den Genres - die Neue Deutsche Welle im Film

Zu Beginn der 80er Jahre kamen in Deutschland einige Spielfilme in die Kinos, deren leichter, unterhaltsamer Esprit und hemmungslose Eklektik sich dem musikalischen Einfluss der Neuen Deutschen Welle verdankt. Die bekanntesten dieser Filme - wie Bernd Eichingers "Trio"-Film und "Gib Gas, ich will Spaß" von Wolfgang Büld mit der NDW-Sängerin Nena - sind explizit in dieser Anlehnung und präsentieren sich als Musikfilme in der Richard-Lester-Tradition.

Neben diesen eher konventionellen Produkten befruchteten die neuen Strömungen in der Musik aber auch einige deutsche Regisseure, die auf der Suche nach einer neuen Bildsprache im Film waren. Michael Kliers "Der Riese" gemahnt in seinem spröden Dokumentarismus an die Ästhetik der Industrial Music, und Gabor Altorjay nahm mit "Tscherwonez" die Sowjetästhetik der späten 80er vorweg. Für diesen Film hat die NDW-Gruppe "Wirtschaftswunder" die Filmmusik gemacht. Rainer Kirberg arbeitete für seinen Film Die letzte Rache mit der Gruppe "Der Plan" zusammen.

Die letzte Rache entzieht sich jeglicher Zuordnung zu einem Genre. In einer waghalsigen Mischung aus expressionistischem Figurendrama, Comic-Klamauk, Film-Noir-Melancholie und Pop-Musical entfaltet dieser Film einen bunten Schwarzweiss-Bilderbogen von düsterer atmosphärischer Dichte, mit dem er sich treffsicher zwischen alle Stühle des etablierten Kinos setzt.

1982 im ZDF erstausgestrahlt, traf Die letzte Rache die deutsche Filmkritik unvorbereitet. Die Kommentatoren des deutschen Autorenfilms der 70er gerierten sich ratlos bis empört angesichts eines Werks, das mit ihrem ästhetischen Kanon radikal gebrochen hatte. Noch unbewandert in der Formensprache der Postmoderne, beklagten sie eine "Plünderung des Fundus der Filmgeschichte" und brandmarkten die Aufmüpfigkeit gegen den erstarrten Tiefsinn deutscher Filme jener Zeit als "modisch" und "banal".

Dabei entging diesen Kritikern, was andere um so enthusiastischer aussprachen: von "leidenschaftlichem Kino" war die Rede, und vom wirklichen "Stand der Dinge", den Die letzte Rache wie kaum ein anderer deutscher Film zur Sprache bringe. Besonders im Ausland war man, wie so oft, dem Neuen aus Deutschland aufgeschlossener. Ein Pariser Kritiker attestierte der "letzten Rache" die visuelle Kraft von Fritz Langs Metropolis und David Lynch's Eraserhead

Doch auch in deutschen Kinos wurde Die letzte Rache viele Jahre lang gezeigt - nicht oft, aber immer wieder. Der Zeitgeist der 80er Jahre holte den Film zwar bald ein - und überholte ihn mit seiner audiovisuellen Flut, die sich dem Mainstream verschrieb. Gerade aber heute mag das an diesem kleinen, exzentrischen Werk um so klarer zum Vorschein kommen, was ihm seinerzeit voreilig abgesprochen wurde: ein gutes Stück geistreiche Zeitlosigkeit.

Die letzte Rache - Synopsis

Auf der Suche nach dem letzten aller Abenteuer dringt der Welt-Kenner in den verbotenen Landsitz des Herrschers ein, um diesem seine Dienste anzubieten. Er kommt im richtigen Augenblick: Der Herrscher trauert um seinen missratenen Sohn, der seiner Schwester in inzestuöser Liebe verfallen war und den das Schicksal dafür mit dem Tod bestraft hat. Wer soll nun das Reich lenken, wenn der Herrscher stirbt? Der Welt-Kenner erhält den Auftrag, einen würdigen Nachfolger zu finden.

Auf der Einweihungsfeier für das Denkmal des Scheiterns, das der Herrscher seinem Sohn gestiftet hat, trifft der Welt-Kenner eine Kandidatenauswahl unter den Prominenten der Welt. Der Schöne, der Starke und der Kluge sollen gegeneinander um die begehrte Aufgabe antreten. Doch der ehrgeizige Wettstreit endet mit der gegenseitigen Ermordung der Kandidaten. Die mysteriösen Todesfälle rufen den Kommissar auf den Plan, der sich mit seinem Assistenten an die Fersen des Welt-Kenners heftet.

Angesichts des Misserfolgs reift im Welt-Kenner die Überzeugung, dass einzig er selbst der Nachfolge des Herrschers würdig ist. Doch einen Kandidaten hat er übersehen: den Gerissenen. Entschlossen, die Herrschaft an sich zu reißen, fordert der Welt-Kenner den anonymen Widersacher zum öffentlichen Rededuell auf dem Platz der Debatten. Aber er muss erkennen, dass er den Gerissenen unterschätzt: in aller Öffentlichkeit bezichtigt dieser ihn des Mordes an den prominenten Kandidaten. Als der Kommissar den Welt-Kenner verhaftet, enthüllt der Gerissene seine wahre Identität: er ist der Herrscher selbst.

Im Gefängnis sinnt der Welt-Kenner auf Rache. Hierbei erhält er überraschend Unterstützung von einem Wissenschaftler, der ihn durch einen Geheimgang in die unterirdische Fabrik des Herrschers entführt. Der Wissenschaftler gibt dem Welt-Kenner eine allzu perfekte Gelegenheit, seine Rachedurst zu stillen. Er darf den Herrscher töten - und schafft hiermit die Voraussetzung für ein unerhörtes Experiment: mittels seines Lebenswerks, einer Unsterblichkeitsmaschine, schenkt der Wissenschaftler dem Herrscher das ewige Leben.

Abermals überlistet, beschließt der Welt-Kenner, den Herrscher zu stürzen. Er wiegelt seine Mitgefangenen zur Revolte auf. Während er mit ihrer Hilfe die Zerstörung der unterirdischen Fabrik vorbereitet, nimmt der Kommissar den Wissenschaftler ins Verhör. Der Kommissar erfährt, dass der Herrscher der eigentliche Drahtzieher des kriminellen Geschehens ist. Er beschließt, dem Gesetz auch gegen die Macht Geltung zu verschaffen.

Doch die Unbeirrbarkeit des Kommissars und der Rachedurst des Welt-Kenners sind bloße Faktoren im Spiel eines Dritten, der die Macht des Herrschers brechen will. Als der Herrscher arglos seine Unsterblichkeit genießt, fordert ihn sein eigener missratener Sohn, den er doch für tot glaubte, zum letzten Kampf auf das Denkmal des Scheiterns. Der Vergeltungsplan gelingt: Fassungslos über die Niedertracht seines Sohnes stürzt der Herrscher unter den Erschütterungen, die die Zerstörung der unterirdischen Fabrik hervorrufen, vom Denkmal in die Tiefe. Er überlebt, weil er unsterblich ist - aber die erlittenen Verletzungen bereiten ihm ewige Qual.

Der Sohn bringt den leidenden Herrscher zu seiner Schwester auf den herrschaftlichen Landsitz. Glücklich über den Sturz ihres Vaters geben sich die Geschwister ihrer verbotenen Liebe hin. Der Welt-Kenner, der Wissenschaftler und der Kommissar erkennen, dass sie lediglich Marionetten im grausamen Spiel der Kinder waren. Außer sich über diese Wendung des Falles missbraucht der Kommissar seine Amtsgewalt und erschiesst das Paar. Sein Assistent verhaftet ihn. Der Wissenschaftler bemächtigt sich seines hilflosen Herrn, um ihn skrupellos für weitere Experimente zu benutzen. Der Welt-Kenner aber steht ergriffen vor den Früchten dieses letzten aller Abenteuer und verliert den Verstand.

Die letzte Rache
Spielfilm, Bundesrepublik Deutschland 1982
89 min. S/W

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