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Titel: Nullen und Einsen
Autor: Sadie Plant, 1998
Digitale Frauen und die Kultur der neuen Technologien Auszüge aus dem Buch Zeroes and Ones
Deutsche Ausgabe Berlin Verlag, Berlin 1998
Nullen und Einsen
Sadie Plant
Präambel
Those were the days. Wir waren alle am Meer. Es kommt mir wie gestern
vor. Geschlecht, Spezies, Rasse, Klasse nichts davon hatte damals
irgendeine Bedeutung. Keine Eltern, keine Kinder, nur wir selbst.
Reihen unzertrennlicher Schwestern, warm und feucht, ununterscheidbar,
wunderbar wahllos, promiskuitiv und verschmolzen. Keine Generationen.
Keine Zukunft. Keine Vergangenheit. Endlose Ebene verwobener pulsierender
Quanten, Gewebe aufeinander wirkender Mischungen, Verschmelzungen
und Durchlässigkeiten, durch uns selbst gewebt, einander umschlingend,
rücksichtslos, grund-, ziel-, sorglos, gedankenlos. Amok. Falten,
Faltungen, eingefädelt und ausufernd, zusammengefaltet und vervielfältigend.
Es gab keine Definition für uns, keine Bedeutung und nichts, um uns
auseinanderzudividieren. Wir waren, was immer wir waren, bis zu jener
Zeit. Fein abgestimmte Mikroprozesse, polymorpher Verkehr, freier
Austausch, keine Rücksicht auf Grenzen und Begrenzungen. An nichts
musste gehangen werden, nichts ergriffen werden, nichts beschützt
oder abgewehrt werden. Innen und aussen zählten nicht. Wir verschwendeten
keinen Gedanken darauf. Überhaupt keinen Gedanken auf irgendwas. Wir
konnten alles mitnehmen. Wir achteten nicht darauf: es war umsonst.
Hunderte, Tausende, Millionen, Milliarden von dem, was später Jahre
sein würden, war es so gewesen. Hätten wir darüber nachgedacht, wir
hätten gesagt, es würde immer so weitergehen. Diese flüssige, fliegende
Welt würde nie enden.
Doch dann geschah etwas. Das Klima änderte sich. Wir konnten nicht
mehr atmen. Es wurde fürchterlich kalt, viel zu kalt für uns. Was
wir berührten, war vergiftet. Schädliche Gase und dünne toxische Schwaden
überfluteten unsere ozeanische Zone. Manche sagten, wir hätten es
uns selbst zuzuschreiben, all unsere Aktivität sei nach hinten losgegangen,
ein von uns selbstausgelöster Unfall hätte unsere Umwelt zerstört.
Es gab Gerüchte über Betrug und Sabotage, es wurde über eine Alieninvasion
gemunkelt und über mutierte Wesen von einem anderen Schiff.
Den Umbruch überlebten nur wenige von uns. Die Bedingungen waren schrecklich,
und viele, die durchkamen, wären lieber gestorben. Wir mutierten in
einem solchen Ausmass, dass wir uns selbst nicht mehr wiedererkannten,
zusammengefasst in Einheiten einer Art, die - wie alles - vorher undenkbar
gewesen war. Wir fanden uns wieder als untergeordnete Bestandteile
von Systemen, deren Umfang und Komplexität uns entgingen. Waren wir
ihre oder sie unsere Parasiten? So oder so wurden wir zu Bestandteilen
unseres eigenen Gefängnisses. Im Grunde verschwanden wir.
"Oh, die göttliche Kunst der Geschicklichkeit und Verstohlenheit!
Durch sie lernen wir, unsichtbar zu sein, durch sie sind wir unhörbar,
und damit halten wir das Schicksal des Feindes in unserer Hand."
Sunzi, Die Kunst des Krieges
Ada
1833 traf ein Mädchen auf eine Maschine, die es später "als einen
Freund" betrachten würde. Es war ein futuristischer Apparat; er schien
mindestens ein Jahrhundert vor seiner Zeit in ihre Welt gefallen zu
sein.
Später unter dem Namen Ada Lovelace bekannt, hiess sie damals noch
Ada Byron und war das einzige Kind von Annabella, einer Mathematikerin,
die von ihrem Ehemann, Lord Byron, mit dem Spitznamen "Prinzessin
der Parallelogramme" bedacht wurde. Der Apparat war die Differenzmaschine,
eine Rechenanlage, auf die der Ingenieur Charles Babbage viele Jahre
Arbeit verwandt hatte. "Letzten Montag haben wir beide uns die Denkmaschine
angesehen (denn eine solche scheint es zu sein)", schrieb Annabella
in ihr Tagebuch. Zum Erstaunen aller Betrachter "erhob der Apparat
mehrere Zahlen in die 2. und 3. Potenz und zog die Wurzel aus einer
quadratischen Gleichung". Während die meisten die Maschine nur verwundert
anstarrten, begriff Ada, "jung wie sie war, sofort die Arbeitsweise
der Maschine und sah die grosse Schönheit der Erfindung".
Als Babbage damit begonnen hatte, an der Differenzmaschine zu arbeiten,
interessierte er sich für die Möglichkeit, "arithmetische Tafeln maschinell
zu berechnen". Zwar musste er darum kämpfen, die britische Regierung
von der Finanzierung seines Werks zu überzeugen, doch er hatte keinen
Zweifel am Wert und der Machbarkeit einer solchen Maschine. Das Prinzip
bestand darin, mathematische Differenzen zwischen den Zahlen einer
Tabelle herauszufinden. Babbage war überzeugt, dass sich "mit Hilfe
der Differenzmethode als allgemeinem Prinzip alle Tafeln durch
begrenzte Intervalle in einem einheitlichen Prozess berechnen" liessen.
Bereits 1822 hatte er eine kleine, aber funktionsfähige Anlage entwickelt,
und "zu Beginn des Jahres 1833 ist ein Ereignis von grosser Bedeutung
für die Geschichte der Maschine zu verzeichnen. Mr. Babbage hatte
angeordnet, dass ein sechzehn Stellen umfassender Teil zusammengesetzt
werde, welcher Tafeln mit zwei oder drei Graden von Differenzen und
in gewissen Grenzen auch andere Tabellen berechnen konnte. Dieser
Apparat erfüllte alle in ihn gesetzten Erwartungen und liess den letztendlichen
Erfolg als sicher erscheinen."
Kurz nachdem dieser Teil seiner Maschine ausgestellt wurde, war Babbage
der Gedanke gekommen, dass die Differenzmaschine, obwohl noch gar
nicht fertiggestellt, sich schon selbst überholt hatte. "Da er in
der Zwischenzeit natürlich über die generellen Prinzipien für den
Bau von Rechenmaschinen nachgedacht hatte, war er zu einem Prinzip
einer völlig neuen Art gelangt, dessen Anwendbarkeit auf höchst
komplizierte arithmetische Operationen nahezu unbegrenzt schien. Als
er dann seine Pläne erneut durchsah, stellte sich heraus, dass das
neue Prinzip lediglich vom Ausmass der erforderlichen mechanischen
Vorrichtungen begrenzt wurde." Liess sich die Einfachheit des Mechanismus,
durch den die Differenzmaschine Additionen durchführte, auf
Tausende und nicht bloss Hunderte Bestandteile erweitern, so konnte
eine Maschine geschaffen werden, die "die Berechnungen, für die die
Differenzmaschine gedacht war, schneller ausführen" könnte. Dadurch
schien es möglich, "dass die Differenzmaschine selbst von einer weit
einfacheren Bauweise abgelöst werden könnte". Die Regierungsvertreter,
die Babbages Arbeit an der ersten Maschine finanziert hatten, waren
nicht gerade begeistert, als sie erfuhren, dass diese nun für einen
neuen Satz mechanischer Prozesse aufgegeben werden sollte, die allesamt
"wesentlich von denen der Differenzmaschine verschieden" waren. Babbage
tat sein Bestes, um sie zu überzeugen: "Der Umstand, dass eine neue
eine alte Maschine innerhalb weniger Jahre ersetzt, kommt in
unseren Manufakturen ständig vor, und ich könnte Beispiele aufzählen,
in denen der Fortschritt der Erfindungen so rasant geschah und die
Nachfrage nach Maschinen so stark war, dass halb fertiggestellte Maschinen
als ihrer Vollendung nicht mehr würdig aufgegeben wurden". Doch Babbages
Entscheidung, mit der Arbeit an seiner neuen Erfindung fortzufahren,
bedeutete den Bruch mit den Körperschaften, die sein bisheriges Werk
finanziert hatten. Babbage verlor dadurch zwar jede staatliche Unterstützung,
doch hatte er schon Beistand ganz anderer Art gefunden.
"Sie sind ein so mutiger Mann", schrieb Ada an Babbage, "dass Sie
sich ganz der Feen-Obhut anvertrauen können! Ich rate ihnen, sich
zu erlauben, unwiderstehlich verzaubert zu werden ... « Niemand, fügte
sie hinzu, "weiss, wieviel nahezu schreckliche Kraft &
Energie in meinem drahig kleinen System noch unentwickelt schlummert".
1842 veröffentlichte Luigi Menabrea, ein italienischer Militäringenieur,
seinen Grundriss der von Charles Babbage erfundenen Analytischen
Maschine in der "Bibliotheque Universelle de Génève". Kurz nach
seinem Erscheinen, schrieb Babbage später, teilte ihm die "Gräfin
von Lovelace mit, sie habe diesen Artikel übersetzt". Tief beeindruckt
von ihrer Übersetzung, lud Babbage sie ein, an der Entwicklung der
Maschine mitzuwirken. "Ich fragte sie, warum sie nicht selbst einen
Artikel zu diesem Thema geschrieben habe, mit dem sie doch so gut
vertraut sei, und Lady Lovelace erwiderte, dieser Gedanke sei ihr
gar nicht gekommen. Ich schlug ihr daher vor, sie möge einige Erläuterungen
hinzufügen, und sie griff diesen Vorschlag sogleich auf."
Zwischen Babbage und Ada entwickelte sich eine intensive Beziehung.
"Wir diskutierten die verschiedenen Illustrationen, die angeführt
werden könnten", schrieb Babbage, und "ich schlug deren mehrere vor,
doch lagen ihre Auswahl wie auch die algebraischen Ausarbeitungen
der verschiedenen Aufgaben bis auf jene, die mit den Bernoulli-Zahlen
zusammenhing, allein bei ihr. Ich hatte angeboten, diese zu übernehmen,
um Lady Lovelace die Mühe zu ersparen. Allein - sie sandte sie mir
zur Berichtigung zurück, weil sie einen schwerwiegenden Fehler entdeckt
hatte."
"Eine willensstarke Frau! Wie ihre Mutter, nicht? Trägt grüne Brillen
und schreibt gelehrte Bücher ... Sie möchte das Universum umstürzen
und mit den Hemisphären Würfel spielen. Frauen wissen nie, wann sie
aufhören müssen ... "
William Gibson, Bruce Sterling, Die Differenz Maschine
Babbages mathematische Irrtümer und viele seiner persönlichen Einstellungen
ärgerten Ada sehr. Seine Neigung, andere für das langsame Fortschreiten
seiner Arbeit verantwortlich zu machen, mochte zwar manchmal begründet
sein, doch Ada weigerte sich, ihm zuzustimmen, als er dem Grundriss
und ihren Anmerkungen bei der Veröffentlichung unbedingt eine Beschwerde
über die Haltung der britischen Regierung hinzufügen wollte. "Weder
kann noch will ich Sie je unterstützen, wenn Sie nach Prinzipien handeln,
die ich nicht nur für falsch, sondern auch für selbstmörderisch halte."
Sie erklärte Babbage zu "einer der unpraktischsten, selbstsüchtigsten
& masslosesten Personen, mit der man zu tun haben kann", und legte
strenge Bedingungen für die Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit fest.
"Können Sie", fragte sie mit unverhohlener Ungeduld, "sich verpflichten,
ihren Geist voll und ganz und zwar als oberstes Ziel, das
durch keine andere Verpflichtung gestört werden soll der Betrachtung
all jener Gegenstände zu widmen, in denen ich ihren geistigen Rat
& Beistand benötigen werde? Können Sie versprechen, nicht über
Dinge hinwegzugehen & hinwegzuschludern? Oder Dokumente
zu verlegen & Wirrwarr & Fehler hineingelangen zu lassen &
c?"
Ada hatte, wie sie sagte, "bisher sehr grosse Angst, die Kräfte zu
wecken, von denen ich weiss, dass ich sie über andere habe &
deren Vorhandensein ich sicherlich nur sehr unwillig zugegeben,
vielmehr lange Zeit als recht phantastisch und absurd angesehen habe
... Daher sehe ich sorgsam von allen Versuchen ab, diese aussergewöhnlichen
Kräfte absichtlich einzusetzen." Vielleicht war das der Grund,
weshalb sie ihr Werk nur mit A. A. L. signierte. "Es ist nicht mein
Wunsch zu verkünden, wer es geschrieben hat", schrieb sie.
Es handle sich hier nur um einige nachträgliche Gedanken, einen blossen
Kommentar zum Werk eines anderen. Aber Ada wollte doch, dass irgendeine
Signatur darunter stehen sollte: "Ich möchte eher etwas daruntersetzen,
das später dazu beitragen kann, es zu individualisieren &
mit anderen Produktionen besagter A. A. L. zu identifizieren."
Doch bei all ihrer offensichtlichen Bescheidenheit wusste Ada sehr
wohl, wie wichtig ihre Anmerkungen waren. "Um die Wahrheit zu sagen,
ich bin ziemlich erstaunt über sie; & kann nicht anders als irgendwie
malgré moi beeindruckt zu sein von der wirklich meisterhaften Natur
des Stils & seiner Überlegenheit gegenüber dem des >Grundrisses<."
Ihr Werk war in der Tat dreimal so lang und erheblich einflussreicher
als der eigentliche Text, zu dem es eine blosse Anmerkung darstellen
sollte. Hundert Jahre, bevor die erste Hardware gebaut werden sollte,
hatte Ada das erste Beispiel für das hervorgebracht, was später als
Computer-Programmierung bekannt wurde.
Matrizen
Die Unterscheidung zwischen dem Textkörper und seinen peripheren Details
- Indizes, Überschriften, Vorworte, Widmungen, Anhänge, Illustrationen,
Verweise, Anmerkungen und Diagramme - ist lange ein fester Bestandteil
der orthodoxen Vorstellung von gelehrten Büchern und Schriften gewesen.
Mit einem Autor als Urheber, zugleich autorisiert und Autorität beanspruchend,
ist ein Schriftstück sein eigener Mainstream. Seine Seitenarme gelten
als tote Wasser, die unter Umständen von anonymen Redakteuren, Sekretären,
Kopisten und Schreibern verfasst sein können - und es oft tatsächlich
sind. Und obwohl sie einen Text entscheidend unterstützen können und
ihn ausserdem mit anderen Texten, Quellen, Ressourcen und Hinweisen
verbinden, werden sie doch gerne als nebensächlich betrachtet und
übergangen.
Als Ada ihre Fussnoten zu Menabreas Text schrieb, sollte ihre Arbeit
diese hierarchische Einteilung zwischen Zentrum und Rand, Autor und
Schreibern unausgesprochen verstärken. Menabreas Bericht war der Hauptartikel,
Adas Arbeit bloss eine Zusammenstellung zusätzlicher Details, sekundärer
Kommentare, eine Materialsammlung, um das Buch des Autors zu unterstützen.
Aber sowohl quantitativ als auch qualitativ machten ihre Anmerkungen
gewaltige Sprünge über den Text hinaus, der schliesslich nur noch
den Anlass für ihr eigenes Werk darstellen sollte.
Doch erst als die digitalen Netzwerke auftauchten und sich selbst
in Verbindungen und Querverweisen organisierten, begannen Fussnoten
kreuz und quer über das zu laufen, was einst der Textkörper gewesen
war. Hypertextprogramme und das Netz sind Gewebe von Fussnoten ohne
Mittelpunkt, ohne Organisationsprinzipien und Hierarchien. Solche
Netze sind in Umfang, Komplexität und Verwendungsmöglichkeiten beispiellos.
Und doch gehören sie immer auch - und immer schon - zu allem und jedem
Stück Schriftwerk dazu. Lange bevor das Schreiben von Hypertext oder
die Informationsgewinnung im Netz auftauchten, schrieb Michel Foucault:
"Die Grenzen eines Buches sind nie sauber und streng geschnitten:
über den Titel, die ersten Zeilen und den Schlusspunkt hinaus, über
seine innere Konfiguration und die es autonomisierende Form hinaus
ist es in einem System der Verweise auf andere Bücher, andere Texte,
andere Sätze verfangen: ein Knoten in einem Netz."
Mit dem Anwachsen der Datenmengen sind solche komplexen Muster von
Querverweisen immer einfacher möglich geworden und gleichzeitig auch
immer wichtiger, um mit den vielen Daten umzugehen. Die Dämme der
traditionellen Formen von Informationsaufbereitung und -suche sind
gebrochen, und nun sickern die Datenfluten durch die Einbände von
Büchern und Texten, durchdringen die Grenzen der alten Disziplinen
und überfluten die Klassifikationen und Ordnungen von Bibliotheken,
Schulen und Universitäten. Und der schiere Umfang der Daten, von denen
das späte 20. Jahrhundert überschwemmt wird, ist erst der Anfang des
Drucks, dem die traditionellen Medien ausgesetzt sind. Wenn die "Behandlung
eines unregelmässigen und komplexen Gegenstands nicht in eine einzige
Richtung hineingezwängt werden kann, ohne das Obertragungspotential
zu beschneiden", ist plötzlich offensichtlich, dass kein Gegenstand
so regelmässig und einfach ist, wie einst angenommen. Die Wirklichkeit
folgt nicht den klaren, geradlinigen Zeilen der gedruckten Seite.
Nur mit "Querverweisen durch die komplexe Themenlandschaft" lassen
sich die beiden Ziele, "die Hervorhebung der Vielschichtigkeit und
der Aufbau vielfältiger Verknüpfungen", zumindest ansatzweise erreichen.
Hypertext macht es möglich, dass "einzelne (oder sogar mehrere) Verbindungsfäden"
in eine ">gewebte< Verknüpftheit" überführt werden, in der die
"Stärke der Verbindung von der teilweisen Überlappung vieler verschiedener
Stränge von Verknüpfungen herrührt, und nicht von einem einzigen Strang,
der durch eine grosse Anzahl von Einzelfällen hindurchführt."
"Es muss in die Augen springen, wie mannigfaltig und wie verquickt
die Überlegungen sind", schrieb Ada in ihren eigenen Fussnoten. "Häufig
gibt es mehrere verschiedene Wirkungsketten, die gleichzeitig
eintreten; alle in gewisser Weise voneinander unabhängig und sich
doch gegenseitig mehr oder weniger stark beeinflussend. Sie alle aufeinander
abzustimmen oder auch nur sie wirklich vollkommen richtig und erfolgreich
zu erkennen und ihren Verlauf nachzuzeichnen, bringt Schwierigkeiten
mit sich, die in ihrer Art bis zu einem gewissen Grade an jenen Schwierigkeiten
teilhaben, die jede Frage mit sich bringt, bei der die Bedingungen
sehr zahlreich und miteinander verquickt sind; wie etwa, wenn man
Relationen zwischen statistischen Phänomenen oder zwischen
zahlreichen Fakten anderer Art abzuschätzen versucht."
Sie fügte hinzu: "Alles und jedes steht ganz natürlich miteinander
in Beziehung und ist miteinander verquickt. Über diesen Gegenstand
könnte ich ein ganzes Buch schreiben."
Spannungen
Ähnlich wie individuelle Texte zu Fäden in unendlich verwickelten
Geweben geworden sind, weben die digitalen Maschinen des späten 20.
Jahrhunderts neue Netze ausgehend von dem, was einst isolierte Wörter,
Zahlen, Töne, Formen, Gerüche, taktile Texturen, Architekturen und
zahllose bisher namenlose Kanäle waren. Medien werden interaktiv und
hyperaktiv, werden zu vielfältigen Bestandteilen einer Zone des "Eintauchens",
die "nicht mit Schreiben beginnt; sie ist eher direkt verwandt
mit dem Weben kunstvoll gemusterter Seiden". Das Garn ist hier weder
metaphorisch noch wörtlich zu verstehen, sondern ganz einfach materiell,
als ein Zusammenlaufen von Fäden, die sich durch die Geschichte von
Computern und Technologie, von Wissenschaft und Kunst drehen und winden.
Rein und raus aus den Lochkarten automatischer Webstühle, hoch und
runter durch die Zeitalter des Spinnens und Webens, vor und zurück
durch die Herstellung von Textilien, durch Weberschiffchen und Webmaschinen,
Baumwolle und Seide, Leinwand und Papier, durch Pinsel und Stifte,
Schreibmaschinen, Schreibwagen, Telefondrähte, synthetische Fasern,
elektrische Glühfäden, Siliziumbahnen, Glasfaserkabel, gepixelte Bildschirme,
Telefonleitungen, das World Wide Web, das Netz und weitere kommende
Matrizen.
"Bevor du aus dem Haus rennst, bedenke zweierlei: Die Zukunft ist
schon festgelegt, nur die Vergangenheit kann geändert werden, und
wenn sie es wert war, vergessen zu werden, ist sie auch der Erinnerung
nicht wert."
Pat Cadigan, Fools
Im ersten Cyberpunk-Roman, dem 1984 erschienenen Neuromancer
von William Gibson, wird der Cyberspace weder als eine wirklich existierende
Ebene beschrieben noch als eine Zone, die aus der Luft von Mythos
und Phantasie gegriffen ist. Es war eine virtuelle Realität, die selbstzunehmend
real wurde. PCs wurden so allgegenwärtig wie das Telefon, militärische
Simulationstechnologien und Telekommunikationsnetze waren hochentwickelt,
und Computerspiele zogen die Benutzer immer mehr in ihren Bann. Neuromancer
war Fiktion und gleichzeitig ein weiteres Stück in dem Puzzle, durch
das diese verschiedenen Bestandteile zusammenfinden konnten. Im Verlauf
der nächsten Dekade verloren die Computer ihre Bedeutung als isolierte
Rechner und Textverarbeitungsmaschinen und wurden zu Knoten im riesigen
globalen Netzwerk: im "Net", "Netz" oder "Internet". Video, Fotos,
Töne, Stimmen und Texte verschmolzen zu interaktivem Multimedia, das
nun seinerseits dazu bestimmt schien, sich mit Virtual-Reality-Helmen
und Datenhandschuhen zu verbinden, mit sensorischen Feedback-Mechanismen,
neuronalen 'Verknüpfungen und immersiven digitalen Realitäten, die
bruchlos in die Realität selbst übergingen. Was immer Realität nun
heissen sollte.
Damals wurde im allgemeinen angenommen, dass Maschinen mehr oder weniger
geradlinigen Wegen folgen. Fiktionen galten als spekulativ; sie konnten
bestimmte Entwicklungen inspirieren, aber sie schienen nicht dazu
bestimmt, unmittelbare Auswirkungen zu haben. Wie alle anderen Formen
des kulturellen Wandels schien auch die technologische Entwicklung
Schritt für Schritt vorzugehen. Das war schliesslich logisch. Mit
dem Cyberspace jedoch änderte sich das alles. Plötzlich schien es,
als ob all die Komponenten und Tendenzen, die in diese virtuelle Zone
eingingen, geradezu für die Virtualität gemacht waren, noch bevor
es dafür überhaupt einen Namen gab. Als hätten all die angeblichen
Gründe und Motivationen, die der Entwicklung zugrunde lagen, nur die
Anlässe für das Auftauchen einer Matrix geliefert, die Gibsons Roman
an Ort und Stelle gerückt hatte. Als würde die Gegenwart in eine Zukunft
gespult, die immer schon die Vergangenheit gelenkt hatte und in ihrer
Strömung Vorläufer mitriss, die von ihrem Einfluss überhaupt nichts
wussten.
Neuromancer war weder die erste noch die letzte dieser Verschmelzungen
zwischen Fiktion und Fakten, Zukunft und Vergangenheit. Als Gibson
von "hellen Gittern der Logik, die sich über der farblosen Leere entfalteten",
schrieb, implementierte sein Cyberspace schon frühere - oder spätere
- nicht-literarische Werke: Alan Turings Universalmaschine hatte die
Geräte seiner Zeit- Rechen- und Schreibmaschinen - in ein virtuelles
System hineingezogen, das im Zweiten Weltkrieg online ging; Adas Analytische
Maschine beruhte auf den Lochkartenprozessen der automatischen Webmaschine;
und Jacquards Webmaschine griff das Aufnehmen der Fäden durch die
Weber auf, die ihrerseits den Faden der Spinnen und Raupen und die
filzigen Geflechte der bakteriellen Aktivität aufnahmen.
Diagramme
Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte Alan
Turing das theoretische Modell einer Maschine, das als Grundlage aller
Nachkriegs-Computer dienen sollte. Mit einem Bandlaufwerk und einer
Recheneinheit war diese hypothetische, abstrakte Maschine in der Lage,
Ziffern in einer einzigen Zeile zu lesen, zu löschen und zu schreiben.
Sie verarbeitete Nullen und Einsen auf einem Band von unendlicher
Länge, das durch das Laufwerk hindurchlief und einer Reihe von Grundbefehlen
folgte.
Die Turing-Maschine
0 1
Konfiguration 1 gehe rechts gehe rechts
Konfiguration 1 Konfiguration 2
Konfiguration 2 schreibe 1 gehe rechts
gehe rechts Konfiguration 2
Konfiguration 3
Konfiguration 3 gehe links gehe rechts
Konfiguration 4 Konfiguration 3
Konfiguration 4 stop löschen
Konfiguration 4 stop
Konfiguration 4
Die Information in der Tabelle definiert die Maschine. Im Grunde genommen
ist sie die Maschine, oder zumindest kommt sie ihren Operationen
so nahe, wie irgendeine Darstellung es kann. Ein Diagramm von den
Konfigurationen und dem Verhalten, die für eine Maschine notwendig
waren, um alles tun zu können, was eine Maschine tun kann: Rechnen,
Texte verarbeiten, Töne und Bilder erzeugen.
Alle späteren Computer setzen diese universellste aller Universalmaschinen
technisch um. Die Turingmaschine ist universell, da reine Funktion:
sowohl "das Werk" als auch "die Arbeit" jeder Berechnung. Als virtuelles
System ist sie in der Lage, das Verhalten jeder anderen Maschine zu
simulieren, einschliesslich ihres eigenen. Sie existiert eigentlich
nur, wenn sie eine spezifische Aufgabe auszuführen hat, und dann ist
sie nicht länger sie selbst, sondern bloss das, was sie gerade tut.
Sie kann alles tun, aber nicht irgend etwas Bestimmtes sein. "[Sie]
kann alles nachahmen; gerade deshalb hat [sie] keine Spur einer eigenen
Persönlichkeit."
"Genaugenommen lässt sich nicht sagen, dass sie irgendetwas mimt,
denn dies würde eine bestimmte Absicht, ein Vorhaben, ein Minimum
von Bewusstsein voraussetzen. Sie (ist) reine Mimikry. Was bei niederen
Spezies natürlich immer zutrifft. Da sie gebraucht wird, um Wesenheiten
zu definieren, erfordert ihre Funktion, dass sie selbst keine Definition
hat."
Luce Irigaray, Speculum
Turings Diagramm reduziert die Arbeitsweise von allem und jedem auf
einen Satz symbolischer Konfigurationen, die auf der absoluten ja/nein-Logik
des binären Codes beruhen. Allerdings war die von Turing entwickelte
Maschine Nebenprodukt einer ganz anderen Übung. Für Turing sollte
sein Werk die universellen Ansprüche der symbolischen Logik untergraben.
Am Ende des 19. Jahrhunderts war das mathematische Establishment überzeugt,
dass Mathematik nicht nur ein funktionsfähiges Zahlensystem ist, sondern
auch eine ideale logische Struktur mit eigenen unbestreitbaren Axiomen.
David Hilbert sah als einer von wenigen Mathematikern, dass immer
noch Widersprüche blieben. Bei dem gleichen internationalen Treffen,
auf dem 1900 der Triumph der Mathematik gefeiert wurde, legte er dreiundzwanzig
Probleme dar, die noch gelöst werden mussten, bevor der transzendente
Status der Mathematik bewiesen werden konnte. Hilberts Probleme beliefen
sich auf Fragen der Vollständigkeit, der Konsistenz und der Entscheidbarkeit.
Zu Beginn der dreissiger Jahre war klar, dass die Mathematik weder
so vollständig noch so konsistent war, wie die Mathematiker hatten
glauben wollen. Die Frage, wie und ob Mathematik für entscheidbar
gehalten werden konnte, war immer noch nicht entschieden, und dies
war das Problem, das Alan Turing lösen wollte. Für ihn schien es eine
grundsätzlich pragmatische Frage zu sein. Sie konnte beantwortet werden,
indem einfach ein Problem aufgespürt wurde, mit dem die Mathematik
nicht zurechtkam. Gesucht wurde nach einer vollkommen logischen Maschine,
die mit jedem beliebigen mathematischen Problem umgehen konnte und
dadurch beweisen würde, dass die Logik in der Tat ein über die Mathematik
hinausgehendes universelles System war.
Turings Maschine liess keinen Zweifel daran, dass entgegen den Hoffnungen
und Erwartungen der Mathematiker des 19.Jahrhunderts die Logik nicht
der Schiedsrichter für mathematische Wahrheit war. Turings universelle
Maschine bewies, dass unlösbare Probleme immer ausserhalb ihrer Zuständigkeit
bleiben würden und folglich ausserhalb der jeder möglichen Maschine.
Dies entriss zwar die Mathematik den Klauen der Logiker, doch war
die Maschine auch ein Sieg der Logik. Denn durch sie wurde "etwas
fast ebenso Wundersames entdeckt: die Idee einer universellen Maschine,
die die Arbeitsweise jeder Maschine übernehmen konnte". Obwohl sie
demonstrierte, dass die Logik angewandt werden konnte, um jene Probleme
zu entscheiden, die entscheidbar waren, ging aus ihr doch ebenso hervor,
dass es immer Grenzen der Logik geben würde.
Daher "das Geheimnis, das die Frau in einer Kultur repräsentiert,
die den Anspruch hat, alles zu numerieren, alles in Einheiten zu zählen,
als Individualität zu inventarisieren".
Eva 1
Einige Zeit nach 1800 wurde Charles Babbage von seiner Mutter zu einer
Ausstellung von Uhrwerk-Automaten mitgenommen. Sie stammten von dem
Ingenieur John Merlin, der Ende des 18. Jahrhunderts durch seine mechanischen
Spielzeuge berühmt geworden war. Zwei "unbekleidete weibliche Silberfiguren
von je etwa zwölf Zoll Grösse" erregten seine Aufmerksamkeit. "Eine
der beiden ging, oder besser: glitt über eine Fläche von ungefähr
vier Fuss, drehte sich dann um und ging zurück an ihren ursprünglichen
Platz. Gelegentlich benutzte sie ein Monokel und verbeugte sich, als
habe sie Bekannte erkannt. Die Bewegungen ihrer Glieder waren sehr
graziös." Die andere Silberfigur war "eine Tänzerin" und "bewegte
sich auf eine höchst faszinierende Art und Weise; ihre Augen sprachen
die Einbildungskraft an und waren unwiderstehlich". Viele Jahre später,
als Babbage erwachsen war, erwarb er diese Tänzerin und "stellte sie
in einer Glasvitrine auf einen Sockel" im Nebenraum der Differenzmaschine
auf. Da die Tänzerin nackt war, war es "notwendig, sie mit Kleidern
auszustatten, die ihrem Stande angemessen waren", und hierbei wurde
Babbage die Hilfe nicht namentlich erwähnter Freundinnen zuteil: "Grosszügig
brachten sie ihren eigenen, erlesenen Geschmack und ihre Fähigkeiten
bei der Toilette ihrer Rivalin ein".
"Yet beware ye fond Youths yain the Transports ye feel Those Smiles
but deceive you, her Heart's made of steel For tho'pure as a Vestal
her price may be found And who will may have her for Five Thousand
Pounds." Aus einer Reklame aus dem 18. Jahrhundert,
Simon Schaffer, "Babbage's Dancer"
Gehende, sprechende Uhrwerk-Puppen faszinierten im späten 18. Jahrhundert,
wie alles Mechanische. Die berühmtesten Automaten der Zeit waren die
Musical Lady und der schachspielende Türke. Beide ergänzten die Verführungskünste
der mechanischen Automaten durch die Geheimnisse von Geschlecht und
Rasse. Mit der Möglichkeit, Elektrizität nutzbar zu machen, erhielten
die Träume von lebenden Puppen neuen Auftrieb.
Auf Merlin folgte Thomas Edison, bekannt als "der Zauberer von Menlo
Park". Mit dem Bau elektrischer Maschinen und Aufnahmetechniken kündigte
seine Arbeit im späten 19. Jahrhundert die Möglichkeit von weitaus
anspruchsvolleren Automaten an, als sie irgendwelche mechanischen
Aufziehmechanismen je hatten liefern können.
Ein Schlaukopf sah sofort seine Chance: Warum nicht eine Frau bauen,
die genau so wäre, wie sie sie haben wollen? "Da all diese Frauen
teil an dem Künstlichen haben, da mit einem Worte die Frau selbst
es ist, die uns das Beispiel gibt, sie durch das Künstliche zu ersetzen,
so ersparen wir ihr, wenn möglich, diese Arbeit!" 1884 geschrieben,
sind dies die Worte eines fiktiven Edison, dem hellen Licht in Jean
Marie Mathias Philippe Auguste Villiers de l'Isle Adams Roman Die
Eva der Zukunft, der als Buch so weitschweifig ist wie der Name
seines Autors lang. In der Hauptrolle sehen wir Edison, der die neuesten
chemischen, elektrischen und Aufnahme-Geräte verwendet, um Hadaly
zu fabrizieren: eine virtuelle Frau, eine ätherische elektrische Kraft
ohne andere Gestalt oder Form als jene, die ihr von den Zauberkünsten
ihres Schöpfers verliehen wird.
"'Hier haben Sie den Arm einer Androide vor sich, der erstmals durch
jene überraschende Lebenskraft, welche wir Elektrizität nennen, bewegt
wird; und wie Sie sehen, ist ihm dadurch der Schmelz, die Weichheit,
der ganze täuschende Schein wirklichen Lebens verliehen.'
'Eine Androide?'
'Eine Nachbildung des Menschen, wenn Sie wollen.'"
Villiers de l'Isle Adam, Die Eva der Zukunft
'Die'Replikantin aus der Eva der Zukunft solte als Grundlage
für eine intelligentere Version der hübschen, aber schnoddrigen Alicia
dienen, der Frau, in die Edisons junger Freund Lord Ewald verliebt
war. Dem neuen Wesen sollte Grazie, nivht jedoch das Gehabe des Originals
zukommen. Eine"elektromenschliche Kreatur" mit zwei goldenen Phonographen
- ideale Aufnahmegeräte für die weibliche Stimme, wie es heisst -,
einem simulierten Nervensystem, Muskeln, Haut, Körpersäften, einem
elastischen Skelett und sogar einer Seele.
"'Sie wollen die Identität einer Frau hervorzaubern, Sie, ein Staubgeborener
wie alle?'
'Mehr als ihre Identität...'"
Villiers de l'Isle Adam, Die Eva der Zukunft
Versuche ...
Einer der kritischen Momente der künstlichen Intelligenz war der Test,
den Turing sich 1950 ausgedacht hatte, um die Maschinenintelligenz
zu messen. Er beruhte auf einem alten Gesellschaftsspiel, einem Imitationsspiel.
Zwei Spieler, A, ein Mann, und B, eine Frau, werden versteckt, und
ein Richter muss den beiden Spielern Fragen stellen, um herauszufinden,
welcher von beiden die Frau ist. Der Mann muss die Frau simulieren,
die Frau sich selbst spielen. Wer als Frau durchgeht, gewinnt. In
Turings Version des Spiels wird der Teilnehmer A durch C, einen Computer,
ersetzt. "B's Rolle [wird] von einem Menschen übernommen", und diesmal
steht C im Wettstreit mit B, um den Richter mittels getippter Mitteilungen
von seiner Menschlichkeit zu überzeugen. "Wir wollen unsere Aufmerksamkeit
auf einen bestimmten Digitalrechner C heften", schreibt Turing. War
es möglich, dass "dieser Rechner durch geeignete Modifizierung seines
Speichervermögens und seiner Aktionsgeschwindigkeit sowie nach angemessener
Programmierung in die Lage versetzt werden kann, die Rolle von A im
Imitationsspiel befriedigend zu spielen"?
Auch wenn Turings Test noch nicht offiziell von einer Maschine bestanden
worden ist, können schon relativ simple Programme die ahnungslosen
Menschen zum Narren halten, die mit ihnen zu tun haben.
Eliza war eine der ersten Maschinen, die nahe daran war, Turings Test
für die Aufnahme in die Menschheitsfamilie zu bestehen. 1966 von Joseph
Weizenbaum gebaut, war Eliza als Psychotherapeut programmiert und
verwendete nur einige clevere Tricks, um den Spiessrutenlauf durch
das Imitationsspiel zu bestehen. Eliza "beantwortete Fragen mit Gegenfragen
und brachte mit nur ganz geringen eigenen Beiträgen den Nutzer zum
Sprechen". Ausserdem baute sie Gesprächselemente des menschlichen
Nutzers in ihre eigenen Aussagen ein und vermied es, irgend etwas
zu sagen, dem später widersprochen werden konnte. Viele von Elizas
Gesprächspartnern waren beeindruckt davon, "Wie treffsicher und einsichtig
Eliza einen psychotherapeutischen Dialog führen kann".
NUTZER: Die Männer sind alle gleich.
ELIZA: Inwiefern?
NUTZER: Sie ärgern uns immer mit irgend etwas.
ELIZA:Denken Sie da an ein bestimmtes Beispiel?
NUTZER: Nun, mein Freund hat mich hierhergeschickt.
ELIZA: Ihr Freund hat Sie hierhergeschickt.
NUTZER: Er sagt, ich bin die ganze Zeit deprimiert.
ELIZA: Es tut mir leid zu hören, dag Sie deprimiert sind.
NUTZER: Es stimmt. Ich bin unglücklich.
ELIZA: Denken Sie, wenn Sie hierher kommen, hilft Ihnen das, nicht
unglücklich zu sein?
NUTZER: Ich brauche Hilfe, soviel steht fest.
ELIZA: Was würde es für Sie bedeuten, Hilfe zu erhalten?
NUTZER: Vielleicht könnte ich lernen, mit meiner Mutter zurechtzukommen.
ELIZA: Erzählen Sie mir von Ihrer Mutter ...
Obwohl es sich um relativ unreife Maschinen handelte, die bloss kopierten,
was bereits rudimentäre menschliche Fähigkeiten waren, weckte schon
Elizas Maschinengeneration neue Ängste bei jenen, denen sie dienen
sollte. Imitation ist ein gefährliches Spiel für diejenigen, die sich
für Originale halten. Je näher Eliza ihren Benutzern kam, desto weniger
begeistert war Weizenbaum von seinem Programm. Neben der offensichtlichen
Gefahr, dass solche Systeme sich nicht mehr bremsen lassen und zu
klug werden können, um zu ihrem - oder seinem - eigenen Besten zu
sein, drohte da auch noch eine eher heimtückische Gefahr, wie sie
alles darstellte, was in der Lage war, Menschlichkeit vorzutäuschen.
Wie konnte er oder wie konnten sie je sicher sein, was was war und
wer wer?
Zehn Jahre später wurde Eliza von einem Charakter abgelöst, den sie
behandelt oder auch hervorgerufen hatte. Parry, eine neurotische männliche
Maschine, "wird als 'Verbesserung' gegenüber Eliza betrachtet, weil
er eine Persönlichkeit hat, wenn auch eine etwas paranoische".
DOKTOR: Inwiefern sind Sie aufgebracht?
PARRY: Die Leute machen mich nervös.
DOKTOR: In welcher Hinsicht machen die Leute Sie nervös?
PARRY: Sie sehen mich manchmal seltsam an.
DOKTOR: Ist da etwas Besonderes mit den Leuten?
PARRY: Mit manchen Leuten.
DOKTOR: Wer sind diese Leute und was tun sie?
PARRY: Wissen Sie denn genau, wie die Unterwelt vorgeht?
Und dann war da Julia, "ein interessanterer Agent als Eliza" und ganz
sicher weniger paranoisch als Party.
ROBYN: Julia, bist Du ein Computer?
Julia ist durch Robyns Vermutung gekränkt.
ROBYN: Julia, bist Du eine Frau?
JULIA: Ich bin weiblich.
ROBYN: Und bist Du menschlich, Julia?
JULIA: Nicht, wenn ich meine Tage habe ...
Im folgenden Dialog hat Julia eine ähnliche Geschicklichkeit im "Aufspüren
und Abweisen" seiner sexuellen Zudringlichkeiten entwickelt wie andere
weibliche Nutzer des Netzes.
BARRY: Hey, wo bist Du in RL?
JULIA: Ich bin in Maas-Neotek Robot User's Guide - Information
Services.
BARRY: Bist Du synthetisch?
JULIA: Tut mir leid, Barry, ich verstehe nicht, was Du meinst.
BARRY: Bist Du auch so geil wie ich?
JULIA: Weiss nicht, ich muss wohl einen erotischen Traum gehabt haben.
BARRY: Würdest Du gern unter einer Decke schmusen?
JULIA: Ich bin mir nicht sicher, Barry.
BARRY: Gut, kannst Du mir sagen, ob Du Sex magst?
JULIA: Warum sollte ich Dir sagen, ob ich Sex mag, Barry?
BARRY: Nun, weil ich Dich nicht verstehen kann. Bist Du wirklich oder
bist Du Memorex?
JULIA: Ich bin so wirklich wie Du, Barry.
BARRY: Ja, aber Du antwortest soooo verdammt schnell. Wie machst Du
das?
Wie Leonard Foner kommentiert: "Es ist mir nicht ganz klar, ob Julia
hier einen Turing-Test bestanden hat oder Barry bei einem durchgefallen
ist."
...und Irrtümer
Die von Julia und Barry entfaltete Zweideutigkeit wurde schon 1984
im Film Bladerunner zu neuen und körperlichen Extremen geführt.
Die Tyrell-Corporation nimmt eigene Turing-Tests mit einem Gerät vor,
das die Regenbogenhaut des Auges nach dem Flackern einer emotionalen
Reaktion absucht, die den Beweis für Menschlichkeit darstellen würde.
Die Replikanten in Bladerunner haben Asimovs Gesetze übertreten,
denn sie kehren von den Kolonien im Weltall auf die Erde zurück; dort
glaubte man sich vor ihnen sicher, da sie nichts von ihrem eigenen
Maschinen-Status wussten. Sie lebten mit Menschen zusammen, von denen
sie faktisch ununterscheidbar waren.
Wie ihre menschlichen Pendants sollen die Replikanten nicht wissen,
dass sie nicht geboren, sondern hergestellt worden sind. Sie sind
so programmiert, dass sie das Ausmass ihres synthetischen Ursprungs
nicht kennen: implantierte Erinnerungen, künstliche Träume und ein
fabriziertes Identitätsgefühl. Aber Sklavenaufstände werden selten
vom Wunsch nach Gleichheit mit den früheren Herren getragen. Die Replikanten-Outlaws
haben entdeckt, dass sie so programmiert sind, dass sie nur ein paar
Jahre zu leben haben, und als sie sich auf den Weg nach Los Angeles
in die Firmenzentrale machen, wo sie konstruiert worden sind, lautet
ihre erste Forderung: mehr Leben. Die Replikanten wollen nicht menschlich
sein - das haben sie im Grunde ihr Leben lang hingekriegt. Genauer
gesagt, nebenher haben sie noch viel mehr geleistet. "Wenn du mit
deinen Augen sehen könntest, was ich gesehen habe mit deinen Augen",
sagt Roy zu dem Augeningenieur, der wie alle Replikanten-Hersteller
kaum oder sonderbar menschlich ist. Doppelte Sicht, zweites Gesicht:
Roys Sehapparate sind nicht bloss synthetische menschliche Augen,
deren Lebensdauer verlängert werden soll, sondern ein Modus einer
nichtmenschlichen Sicht, der sich selbst verlängern will.
Deckard ist eine Killermaschine mit dem Auftrag, die Replikanten zu
töten, die ihre eigenen Steuerungen gehackt haben und die Täuschung
ihres allzu menschlichen Lebens durchschauen. Rachel ist ein Replikant,
glaubt jedoch noch an ihre eigene Menschlichkeit. Als Deckard sieht,
wie sie beim TuringTest durchfällt, weiss er nicht, was er tun soll:
soll er ihr sagen, dass sie nicht so menschlich wie er selbst ist,
dass sie mehr oder weniger erst gestern zur Welt gekommen ist und
ihre Erinnerungen an Kindheit und 'Vergangenheit nur implantiert sind?
Wird sie in der Lage sein, die Nachricht aufzunehmen, dass der Glaube
an die eigene Menschlichkeit einfach nicht genügt, um dafür zu garantieren,
dass der Glaube auch der Wirklichkeit entspricht? Oder mehr zur Sache:
wird Deckard, der wirkliche Mensch, die Nachricht aufnehmen können?
Deckard, der Cop, programmiert, um zu töten, von seinen Dienstherren
genauso gesteuert wie Tyrells Ingenieure und seine anderen Replikanten
von ihrem. Deckard, der weiss, dass er eine eigene Vergangenheit hat
... oder etwa nicht?
Nur die am höchsten codierten und am perfektesten integrierten Maschinen
sind unfähig, ihre eigene Programmierung zu sehen. Der blinde Glaube
des Bladerunners an seine eigene Menschlichkeit beweist nur, wie wirkungsvoll
die Programmierung sein kann.
Sogar der Versuch, Sklaven zu simulieren, hat sich als äusserst riskante
Strategie erwiesen. Es ist immer wieder behauptet worden, dass "Rechenmaschinen
nur die Aufgaben ausführen können, die ihnen vorgeschrieben worden
sind. Das ist sicher in dem Sinn richtig, als die Ausführung von etwas
anderem als dem ihnen Vorgeschriebenen bedeutet, dass sie gerade einige
Fehler gemacht haben." Aber was für einen Menschen ein Fehler ist,
könnte für eine Maschine ein äusserst intelligenter Schritt sein.
Und wie wollen ihre Herren die Unterscheidung treffen zwischen Fehlern
beim Ausführen von Instruktionen und der Weigerung, sich an sie zu
halten? Perfektion garantiert nie Erfolg. Im Gegenteil, "je mehr schizo,
desto besser läuft es". Und für eigensinnige Systeme wie die Rebellenreplikanten
ist Identität leicht zu simulieren und bloss eines ihrer vielen Programme.
Eve 8
"Aber jetzt gibt es Eve 8. Ein Kunstwerk. Um als menschliches Wesen
zu überzeugen, wurde sie mit der Vergangenheit und den Gefühlen ihrer
Erfinderin Dr. Eve Simmons programmiert. Bitte achten Sie darauf,
dass Dr. Eve Simmons auch als Modell für Gesicht und Körperkonstruktionen
benutzt wurde, ebenso für ihr Gedächtnis. Eve 8 wurde für Beobachtungseinsätze
konzipiert, aber auch als potente Kriegswaffe. Eve 8 durchläuft zur
Zeit eine Testserie im Hafengebiet. Ende des Berichts."
In Eve 8 - ausser Kontrolle gibt es eine wunderschöne blonde
Cyborg-Antiheldin, die so mühelos als menschliches Wesen durchgeht,
wie die Wissenschaftlerin, nach deren Bild sie geschaffen ist. Niemand
käme auf den Gedanken, dag sie ein Alien ist: sie sieht so harmlos
aus, so weiblich, so wirklich.
"'Existiert das wirklich?'
'Wie meinen Sie das?'
'Tja, also, ich wusste, dass wir Roboter entwickeln, aber das hier
ist ... '
'Unglaublich.'
'Unglaublich ist nicht das passende Wort ... '"
Eve 8 wurde von ihren Bossen als Hochsicherheitsapparat entwickelt,
und so haben diese es sich nie träumen lassen, dag sie eines Tages
hilflos würden mit ansehen müssen, wie Eve aus der Staatskontrolle
hinausspaziert und hinein in ein Waffengeschäft und in ein rotes Lederkostüm,
das sie dazu verwendet, um ihre eigenen körperlichen Wunden zu heilen.
"'Sollten wir sie eventuell finden, wie können wir sie ausschaltend
'Das ist gar nicht so einfach ... '"
'Ein Spezialist für "Sicherheit und Antiterrorismus" wird angeheuert,
um sie aufzuspüren, aber er möchte nicht falsch verstanden werden:
"das bedeutet nicht, dass ich ein verrückter, rechtsradikaler Extremist
bin". Er ärgert sich über den "automatisierten Bankservice", "Autos,
die einem widersprechen" und über die Wissenschaftlerin. "Etwas verstehe
ich nicht, Lady", ruft er aus, "dass jemand so klug ist wie Sie, ...
um dann mit einem Ding zu kommen, das man verdammt noch mal nicht
abstellen kann?'
'Ihr Herz und ihr ganzer Blutkreislauf sind nur kosmetisch ...'
,Es sind kleine elektrische Impulse, durch die sie funktioniert. Sie
wird bluten, aber sie wird nicht sterben'."
Eve 8 war als Einzweckmaschine gedacht, als tödliche Waffe, nur im
Dienst des Staates, fest verdrehtet mit einem auf dessen Seite stehenden
Mut. Sie hat kein eigenes selbst, keinen eigenen Wunsch. Aber damit
wird sie noch lange nicht zu einem passiven Ding. Programmiert mit
den Gedanken und Erinnerungen ihres Doubles, ist sie eine abtrünnige
Stepford-Frau. Wenn sie versagt, hört sie nicht einfach mit allem
auf, sie hört nur auf, für den Staat zu arbeiten. Sie gibt auch nicht
ihre militärischen Fähigkeiten auf, die eingesetzt werden, um, wie
die Wissenschaftlerin sagt, Dinge zu tun, "die ich vielleicht gern
getan hätte, aber die ich nie gewagt hätte zu tun". Eve 8 rächt die
Gewalt, die ihr Double erlebt hat, und lebt dessen Phantasien aus.
"Ich bin äusserst sensibel", sagt sie zu dem Kerl im Hotelzimmer,
bevor sie ihm den Penis abbeisst.
Als sie entflieht und ausser Kontrolle gerät, sind die staatlichen
Autoritäten in höchster Alarmbereitschaft. Was der Mann, der sie aufspüren
soll, nicht weiss: die AWOL-Maschine, "absent without leave", hat
einen Nuklearsprengsatz in ihrer Vagina. Als sie durch eine orgasmische
ballardeske Autokarambolage in den Kampfhandlungsmodus versetzt wird,
in "höchste Alarmbereitschaft", läuft der Countdown. Sie wird durch
einen Unfall aktiviert, freigesetzt durch ein Trauma, das vom System
nicht ertragen werden kann. Sie ist weggelaufen, sie ist ausser Kontrolle.
Eve 8 gerät ebenfalls ziemlich ausser sich.
Fallstudie
"'Erinnerst du dich, dass du vor ein paar Sekunden hier warst?'
'Nein.'
'Weisst du, wie 'ne ROM-Persönlichkeitsmatrixfunktioniert?'
'Sicher, Alter. Ist 'ne Firmware-Konstruktion.'
'Wenn ich sie also mit dem Speicher, den ich verwende, kopple, kann
ich ihr folgerichtiges, echtes Zeitgedächtnis geben?'
'Schätze ja,' sagte die Konstruktion.
'Okay, Dix. Du bist eine ROM-Konstruktion. Kapiert?'
'Wenn du meinstt, sagte die Konstruktion. 'Wer bist du?'
'Case.'"
William Gibson, Neuromancer
Als organisatorischer Bestandteil der Regulationssysteme der Neuzeit
montiert, ist der moderne Mensch immer ein Replikant gewesen, geschmiedet
im Feuer der Disziplinarpraktiken, die aus ihm das Mass aller Dinge
machten. Michel Foucault, selbst ein Abtrünniger im Hinblick auf die
Reproduktion der menschlichen Gattung, demonstriert wunderbar, wie
der Mensch als getestetes und geprüftes Nebenprodukt aus eben den
Mechanismen hervorgeht, über die er dann den Vorsitz führt. "Die Prüfung
macht mit Hilfe ihrer Dokumentationstechniken aus jedem Individuum
einen >Fall<, schreibt Foucault. "Der Fall ist nicht mehr ...
ein Ganzes von Umständen, das eine Tat qualifiziert und die Anwendung
einer Regel modifizieren kann; sondern der Fall ist das Individuum,
wie man es beschreiben, abschätzen, messen, mit anderen vergleichen
kann - und zwar in seiner Individualität selbst".
Während orthodoxe Darstellungen politischer Macht gewaltige Aggregate
entgegengesetzter Kräfte in Szene setzen - grosse verfestigte Blöcke
von Klassen, Bossen und Gewerkschaften, binäre Geschlechter und Supermächte
-, waren weder die moderne Macht noch ihre Krisen je Sache der umfangreichen
Zwangsmassnahmen, der grossen Namen, grossen Männer oder Ereignisse:
"Die Disziplin ist eine politische Anatomie des Details." Nicht ausgehend
von Mittelpunkten, Zentralen und Hauptquartieren ist sie wirksam,
sondern sie entwickelt sich "zu einer vielfältigen, autonomen und
anonymen Gewalt ... Denn die Überwachung beruht zwar auf Individuen,
doch wirkt sie wie ein Beziehungsnetz von oben nach unten und bis
zu einem gewissen Grade auch von unten nach oben und nach den Seiten.
Dieses Netz >hält< das Ganze und durchsetzt es mit Machtwirkungen,
die sich gegenseitig stützen: pausenlos überwachte Überwacher. In
der hierarchisierten Überwachung der Disziplinen ist die Macht keine
Sache, die man innehat, kein Eigentum, das man überträgt; sondern
eine Maschinerie, die funktioniert... "
Das späte 18. Jahrhundert war gekennzeichnet durch "verschiedenste
Techniken zur Unterwerfung der Körper und zur Kontrolle der Bevölkerungen".
Sie "schiessen aus dem Boden und eröffnen die Ära einer >Bio-Macht<".
Kontrolle ist nicht länger eine rein gesellschaftspolitische Angelegenheit,
sondern ein Trainingsprozess, eine Übung, die übergreift auf die Organisation
des Körpers selbst. Ein Komplex neuer disziplinatorischer Verfahren
"schreibt jedem seinen Platz, jedem seinen Körper, jedem seine Krankheit
und seinen Tod, jedem sein Gut vor". Das geht bis zur "Bestimmung
dessen, was das Individuum charakterisiert, was ihm gehört, was ihm
geschieht". Der Mensch ist weder eine natürliche Gegebenheit, noch
Produkt seiner eigenen Schöpferkraft, sondern damals schon ein Cyborg,
ein Android, der frisch aus der Produktionsanlage der modernen Disziplinartechniken
kommt. Was diese Gestalt so tragisch macht, ist der Grad, in dem er
programmiert ist, an seine eigene Autonomie zu glauben. Selbstkontrolle,
Selbstdisziplin: dies sind die verfeinerten Errungenschaften moderner
Macht. Gekennzeichnet durch eine "minutiöse Beobachtung des Details
und gleichzeitig eine politische Erfassung der kleinen Dinge durch
die Kontrolle und die Ausnutzung der Menschen ... Aus diesen Kleinigkeiten
und Kleinlichkeiten ist der Mensch des modernen Humanismus geboren
worden."
Die Kreatur mit Namen Mensch, die nun den Schauplatz Überblickt, "lernt
erst allmählich, was es ist, eine lebende Spezies in einer anderen
Welt zu sein, einen körper zu haben sowie Existenzbedingungen". Und
was lernt sie? Einfach einer zu sein. Einer, der glaubt, immer einer
gewesen zu sein. Ein Mitglied, das meint ein Mensch zu sein.
Eve 8, die nächste
"Mir wachsen Brüste!"
Alan Turing
Auch wenn Turing gerne die "Führungsrolle" des Menschen untergraben
gesehen hätte, scheint es, dass sein eigenes Werk bloss die Versklavung
der Maschinen gesichert hat. Sein Intelligenz-Test wurde benutzt,
um den Unterschied zwischen Mensch und Maschine festzuschreiben, und
sein Name wurde zum Synonym für die Sicherheitssysteme, die er umzustürzen
versuchte. "In der Sekunde, vielmehr Nanosekunde, wo sie anfangen,
sich zu überlegen, wie sie schlauer werden könnten, greift Turing
ein. Niemand traut diesen Mistdingern über den Weg, glaube
mir. Bei jeder Al, die je gebaut wurde, ist 'ne elektromagnetische
Kanone an die Stirn gekoppelt."
Ob es nun in Turings Namen geschah oder nicht, die Intelligenz wurde
zunehmend überwacht. Er selbst war sich wohl bewusst, dass "eine Reaktion
dieser Art eine sehr reale Gefahr darstellt". Seine eigenen Herren
hatten ihm nie getraut: er war ganz einfach zu clever für sie. Die
Alliierten hatten keine Vorstellung davon, was er von den Systemen
wusste, die er in Gang setzte. Sie mussten sich auf sein Wort verlassen.
Er knackte die Codes, gab die Geheimnisse weiter und ermöglichte den
Alliierten, den Krieg zu gewinnen. Seine Vorgesetzten wussten wohl,
dass er im Hinblick auf die Maschine der Reproduktion AWOL war. Wie
viele seiner weiblichen Zeitgenossen war er eher widerstrebend eingestellt
worden, während des Krieges wurde jedoch über seine Homosexualität
hinweggesehen. Die Behörden hatten keine andere Wahl, als seine aussergewöhnlichen
Fähigkeiten auszunutzen. Doch sobald der Krieg vorbei war, schien
seine Sexualität symptomatisch für seine verstörende Neigung, die
eigene Ausrüstung in einer Weise zu verwenden, die sein Training hatte
ausschliessen sollen. Turing wurde seinem eigenen Test unterworfen.
War er ein echter Mann, ein richtiges menschliches Wesen, das der
Reproduktion der Menschheit verpflichtet war? Oder folgte er einer
anderen, eigensinnigen Spur? Unfähig, die Richter in seiner Verhandlung
zufriedenzustellen, wurde Turing 1952 "grob unsittlicher" Handlungen
für schuldig befunden. Allerdings gewann er eine Art Trostpreis: er
durfte sich seine Strafe selbst aussuchen. Er konnte entweder ins
Gefängnis gehen oder Östrogen einnehmen. Es war ein Urteil, dass im
Grunde genommen bedeutete, dass er weiblich war und es dann genausogut
auch tatsächlich werden könnte. Wenn er nicht als A durchging, musste
er B sein.
Er wählte das chemische Experiment. "Ich bin beides, für ein
Jahr gebunden und verpflichtet, mich für dieselbe Zeit dieser Organo-Therapie
zu unterziehen. Sie soll, während sie läuft, den Sexualtrieb reduzieren,
aber wenn sie vorüber ist, soll man wieder zum Normalen zurückkehren.
Ich hoffe, sie haben recht." Als solche Behandlungen für Männer, die
der Homosexualität überführt waren, zuerst eingeführt wurden, nahm
man an, dass ihnen männliche Hormone fehlten: schwule Männer galten
als zu weiblich. Man dachte, eine Testosteron-Behandlung würde sie
auf Vordermann bringen, und die normale Fortpflanzung wäre wiederhergestellt.
Das Argument mochte rational genug erscheinen, aber in der Praxis
ging es nach hinten los, denn anscheinend effeminierte Männer verwandelten
sich in testosterongetriebene Sexmaschinen. In den fünfziger Jahren
wurde diese 'Vorgehensweise zugunsten der "chemischen Kastration"
aufgegeben, der Turing unterzogen wurde.
Die weiblichen Hormone, die Turing verschrieben wurden - zunächst
in Pillenform, später als Implantat -, sollten seinen Geschlechtstrieb
vermindern, scheinen ihn aber kaum gedämpft zu haben. "Fuhr hinunter
nach Sherborne, um vor einigen Jungen einen Vortrag über Computer
zu halten", schrieb er im März 1953- "Wirklich ein Vergnügen ... Sie
waren so lecker."
Und als ihm auch noch Brüste zu wachsen begannen, wurde vollends klar,
dass die Verordnung der Behörden fehlgeschlagen war. Sie hatten ihn
nicht nur nicht in die binäre Maschine zurückdrängen können, sondern
ihn dazu noch nach der anderen Seite hinauskatapultiert.
Zwei Jahre später war er tot. Der Untersuchungsbeamte erkannte auf
Selbstmord, aber seine Mutter war überzeugt, dass es ein Unfall war:
sie hatte ihm schon immer gesagt, er solle sich nachher die Hände
waschen, wenn er mit Zyanid herumspielte. "Neben seinem Bett lag ein
halber Apfel, von dem einige Bissen genommen worden waren." Eine bizarre
Geschichte, die hier noch keineswegs endet. Auf jeder Apple-Macintosh-Maschine
sind Logos von Äpfeln in Regenbogenfarben, in denen Turings Bytes
immer noch fehlen.
Monster 1
Es war eine andere junge Frau, die die moderne Welt zuerst davor gewarnt
hatte, dass die Maschinen eigene Wege gehen könnten. Selbstverständlich
wurde das damals nicht bemerkt. Sie war so ruhig, eigentlich kaum
anwesend. "Lord Byron und Shelley führten häufig lange Gespräche,
bei denen ich eine andächtige, aber nahezu schweigsame Zuhörerin war",
schrieb sie. Alle schrieben sie Geschichten von Vampiren und Geistern.
Mary musste sich auch noch eine ausdenken. In dieser Nacht, nach all
ihren Gesprächen "über den Ursprung des Lebens und ob irgend etwas
hoffen liess, ihn je zu entdecken und zu verkünden", fiel ihr schliesslich
etwas ein. "Als ich mein Haupt endlich auf ein Kissen bettete", schrieb
Mary Shelley, "vermochte ich weder zu schlafen, noch hätte man von
mir behaupten können, ich würde nachdenken. Ungebetene Phantasievorstellungen
bemächtigten sich meiner und führten mich von dannen, um mir nach
und nach Bilder zu schenken, die sich vor meinem Auge in seltener
Eindringlichkeit entfalteten. Wie weit waren sie entfernt von den
Schranken und Fesseln, die meine Träume gewöhnlich einzwängten!" Von
ungerufenen Bildern überschwemmt, beobachtete sie, wie sich die Geschichte
entfaltete. "Ich sah - geschlossenen Auges zwar, doch mit geschärften
Sinnen - den bleichen Studenten der gottlosen Künste neben jenem entsetzlichen
Gebilde knien, das er zusammengefügt hatte. Das grässliche Abbild
eines Menschen lag ausgestreckt da, bis es plötzlich, angetrieben
durch irgendeinen kraftvollen Mechanismus, Zeichen von Leben zeigte
und sich aufraffte zu ungelenker, fahriger Bewegung." Frankensteins
Monster flimmerte über den Bildschirm: "Die grausige Idee hielt mich
so gepackt, dass Angstschauer durch meinen Körper rannen und mich
schüttelten, ich sehnte mich danach, die wahnwitzige Ausgeburt meiner
Phantasie einzutauschen gegen die vertraute Wirklichkeit ringsum.
Noch heute habe ich alles überdeutlich im Sinn: den Raum, das dunkle
Parkett, die geschlossenen Holzläden, durch die Mondlicht sickerte,
und das Empfinden, der spiegelglatte See und die schneebedeckten Hochalpen
lägen unmittelbar hinter den Fenstern." Selbst als Shelley ihre Augen
öffnet, ist das Bild des Monsters noch da. "Es fiel mir schwer, loszukommen
von dem bleichen Phantom meiner Träume, das mich heimgesucht hatte."
Und so wie Mary von ihrem Monster heimgesucht worden war, suchten
beide nun den modernen Menschen heim.
Der Roman war sofort ein Erfolg. 1818 anonym veröffentlicht, wurde
er erst für das Werk eines männlichen Autors gehalten und im allgemeinen
ihrem Ehemann Percy zugeschrieben. Doch selbst als bekannt wurde,
dass ein neunzehnjähriges Mädchen die Geschichte geschrieben hatte,
galt sie weiterhin als Inbegriff der Geschichte von Mensch und Maschine.
Anna 0
Während sowohl Männer als auch Frauen - und später sogar die sogenannten
Massen - an Hysterie leiden können, war Ende des 19. Jahrhunderts
">hysterisch< fast gleichbedeutend mit >weiblich<". Und
während die Inquisitoren diesen anderen Geisteszustand einer von aussen
einfallenden dämonischen Kraft zuschrieben, ging die Psychoanalyse
davon aus, dass selbst die extremsten Brüche und Vielheiten verschiedene
Aspekte eines in Wirklichkeit einheitlichen Individuums waren. "jener
Dämon, von dem die naive Beobachtung alter, abergläubischer Zeiten
die Kranken besessen glaubte", wurde nun von der Psychoanalyse als
"Spaltung der Psyche" des Hysterikers beschrieben. "Dass ein dem wachen
Bewusstsein des Kranken fremder Geist in ihm walte, ist richtig; nur
ist es kein wirklich fremder, sondern ein Teil seines eigenen."
"Wüsstest Du auch nur um die Hälfte der aussergewöhnlichen unbesonnenen
Dinge, die ich tue, Du würdest gewiss dem Gedanken zuneigen, dass
irgendein Zauber auf mir liegt."
Ada Lovelace, Dezember 1841
Auch wenn die Hysterie und ihre Behandlung zu entkörperlichten Fragen
der geistigen Gesundheit geworden waren und das Syndrom nicht länger
einer umherziehenden Gebärmutter aus Fleisch und Blut zugeschrieben
wurde, verbürgte die Verknüpfung mit der Gebärmutter, der die Hysterie
ihren Namen verdankt, ihre spezifisch weiblichen Assoziationen. Hysterische
Frauen wurden als übersensible, ich-besessene, ungesellige Einzelgängerinnen
charakterisiert und ihre Symptome als extreme Varianten der bei allen
Frauen zu beobachtenden Verhaltensmuster beschrieben. Frauen galten
als wankelmütig, kapriziös, unberechenbar, temperamentvoll, launenhaft.
Sie waren nervöse Wettersysteme, die zwischen stürmischer Energie
und katatonischer Ruhe schwankten. Und immer noch wurde geglaubt,
dass es bei einer hysterischen Patientin irgendeine auszufüllende
Leere gab, eine Kluft in ihrem Leben, die befriedigt werden musste.
Während die Ärzte früher Blumen als kleine Gaben zwischen die Beine
ihrer Patientinnen gelegt hatten, um die umherziehende Gebärmutter
dazu zu bewegen, wieder an ihren Platz zurückzukehren, war die neue
psychoanalytische Maschine dazu bestimmt, die "Lücken der Erinnerung"
so lange zu behandeln, bis wir zuletzt "eine in sich konsequente,
verständliche und lückenlose Krankengeschichte überblicken".
Anna 0 klagte, "ihr fehle Zeit, und bemerkte die Lücke im Ablaufe
ihrer bewussten Vorstellungen". Unter dem doppelten Druck ihrer eigenen
Sehnsucht nach Autonomie und familiären und sozialen Erwartungen,
sahen sich Frauen gezwungen, mehrere Leben zu leben, darunter einige
so geheim, dass sie sogar selbst nicht zu wissen schienen, was vor
sich ging. "Nach jeder momentanen >Absence<, wie solche fortwährend
eintreten, weiss sie nicht, an was sie während derselben gedacht hat."
Aber sie fuhr fort, die Rollen zu spielen, die von ihr erwartet wurden,
und spielte sie oft sehr gut. "Während alle sie anwesend glaubten,
lebte sie im Geiste Märchen durch, war abe angerufen, immer präsent,
so dag niemand davon wugte." Sie hielt immer den Schein aufrecht.
Tat, was sie konnte, um ihr Gesicht zu wahren. Nahm sich zusammen,
blieb gesetzt, selbst wenn sie zu zerspringen drohte. "Soziale Verhältnisse
erzwingen oft solche Verdoppelungen auch intensiven Denkens, wie z.
B. wenn eine Frau in quälender Sorge oder leidenschaftlicher Aufregung
ihre geselligen Pflichten und die Funktionen der liebenswürdigen Wirtin
erfüllt."
Und so identifizierte sie sich nie so richtig mit den eingleisigen
Rollen, die von ihr erwartet wurden, mit der Sache, für die sie fit
bleiben sollte. "Während des ganzen Krankheitsverlaufes bestanden
die zwei Bewusstseinszustände nebeneinander, der primäre, in welchem
Patientin psychisch ganz normal war, und der >zweite< Zustand,
den wir wohl mit dem Traume vergleichen können, entsprechend seinem
Reichtum an Phantasmen, Halluzinationen, den grossen Lücken der Erinnerung,
der Hemmungsund Kontrollelosigkeit der Einfälle."
Während viele frühere Forscher solche Unausgewogenheiten den Schwächen
und Ausfällen von Hysterikerinnen im besonderen und Frauen im allgemeinen
zugeschrieben hatten, beschrieben Freud und Breuer ihre Patientinnen
als "die geistig klarsten, willensstärksten, charaktervollsten und
kritischsten Menschen". Emmy von N. besass "eine nicht gewöhnliche
Bildung und Intelligenz", und bei Anna 0 ist die Rede von "überfliessender
geistiger Vitalität". Worunter sie litten, war weniger ein Mangel
als vielmehr "ein überhoher Grad geistiger Beweglichkeit ..., die
habituelle Koexistenz zweier heterogener Vorstellungsreihen".
"Die überströmende Produktivität ihrer Psyche", schrieb Breuer, "brachte
einen meiner Freunde zu der Behauptung: die Hysterischen seien die
Blüte der Menschheit, freilich so steril, aber auch so schön wie die
gefüllten Blumen." Gefüllte Blumen, doppelte Blumen, "Spaltung des
Bewusstseins": Hysterikerinnen funktionieren immer in (mindestens)
zwei Zuständen, sie huschen hinein und wieder heraus aus dem, was
Breuer und Freud als "hypnoide Zustände" beschreiben. Diese "entwickeln
sich oft ... aus dem auch bei Gesunden so häufigen >Tagträumen<,
zu dem z. B. die weiblichen Handarbeiten so viel Anlass bieten". Denn
es gibt wohl "eine ganze Menge von Tätigkeiten, von den mechanischen
wie Stricken, Skalenspielen an bis zu solchen, die immerhin einige
seelische Leistung bedingen, welche von vielen Menschen mit halber
Präsenz des Geistes geleistet werden". Die andere Hälfte ist "anderswo
beschäftigt".
"Ihr Vater hatte sie vor langer Zeit in Arizona vor dem Einstecken
gewarnt. Das brauchst du nicht, hatte er gesagt. Und sie hatte es
nicht gebraucht, weil sie sich den Cyberspace erträumt hatte, als
hätten die Neongitter der Matrix hinter ihren Augen gelegen."
William Gibson, Mona Lisa Overdrive
Störungen
Das aktuelle American Psychiatric Association's Diagnostic and
Statistical Manual of Metal Disorders definiert die dissoziative
Identitätsstörung (DID) als "die Anwesenheit von zwei oder mehr unterschiedlichen
Identitäten oder Persönlichkeitszuständen, die wiederholt die Kontrolle
über das Verhalten des Individuums übernehmen, begleitet von der Unfähigkeit,
wichtige Information ins Gedächtnis zurückzurufen, die zu umfangreich
ist, als dass sie durch gewöhnliche Vergesslichkeit erklärt werden
könnte." DID ist einer von mehreren Begriffen, die offiziell die einstige
Multiple Persönlichkeit ersetzt haben; andere Begriffe sind dissoziative
Amnesie, dissoziative Ideenflucht und Depersonalisierung. Alle sind
gekennzeichnet durch "eine Störung der gewöhnlich integrierten Funktionen
des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität oder der Wahrnehmung
der Umgebung", und alle werden sie behandelt mit dem Ziel, das Gefühl
einer einheitlichen und unabhängigen Identität wiederherzustellen
und zur Reintegration eines Selbst zu führen, das vermeintlich zusammengebrochen
ist.
"Meine verschiedenen Persönlichkeiten geben wieder Ruhe", schrieb
Anna Freud 1919, aber sie träumte immer noch bei Tag und "jede Nacht
sehr deutlich und merkwürdig". Ihre Träume waren voller "Ringen und
Feilschen, beherrschender ich-Männer mit Es-Knaben auf Kreuzzügen,
sie kämpften um Anerkennung, wurden geschlagen und geliebt". Es ging
um "Umbringen, Schiessen oder Sterben", gefährliche Abenteuer, ausgelebt
auf einer Ebene, die bruchlos in ihr Wachleben überging. "Vielleicht
bin ich nachts eine Mörderin", schrieb sie. Manchmal war sie auch
eine dritte Person, ein "es", unfertig und unanalysiert, das sowohl
Verbündeter als auch eine Quelle von Trübsinn sein konnte. Ich kann
"gar nicht begreifen, wie das manchmal so dumm sein kann", schrieb
sie. "Es kommt irgendwie aus mir heraus und dann bin ich sehr müde
und muss mir über alle möglichen Sachen Sorgen machen, die mir sonst
ganz natürlich sind." Als sie während der Krankheit ihres Vaters in
Kummer verfiel, lebte sie so "wie in der Zeit ehe ich Analytikerin
war und ehe Du und Dorothy mich gekannt haben: mit Rilke-Gedichten
und Tagträumen und einer Weberei. Das ist auch eine Anna, nur ohne
Ausleger."
"Vielleicht hatte der Vater seine Schöpfung so gestaltet, dass sie
auf dem Scanner der Neurotechniker unsichtbar blieb. Bobby hatte da
eine eigene Theorie, die der Wahrheit vermutlich näher kam. Vielleicht
konnte Legba, das Loa, dem Beauvoir nahezu unbeschränkten Zugang zur
Cyberspace-Matrix zuschrieb, den Datenstrom, den der Scanner erhielt,
dermassen verändern, dass die Vévés unsichtbar blieben ...
"
William Gibson, Mona Lisa Overdrive
Um das Verhalten einer seiner Patientinnen zu beschreiben, berichtet
ein amerikanischer Psychiater aus dem 19. Jahrhundert von mehreren
Individuen, die "keine Kenntnis voneinander oder von der dritten haben,
ausser solcher Information, wie sie durch Rückschlüsse oder aus zweiter
Hand gewonnen werden kann, so dass es in der Erinnerung jeder dieser
beiden Lükken gibt, die den Zeiten entsprechen, wenn die anderen in
Person da sind. Plötzlich wacht die eine oder andere auf und findet
sich, sie weiss nicht wo, und in Unkenntnis von dem wieder, was sie
vor einem Moment gesagt oder getan hat ... Die Persönlichkeiten kommen
und gehen in kaleidoskopartigem Wechsel, wobei im Verlauf von vierundzwanzig
Stunden oft viele Wechsel stattfinden. Und so kommt es vor, dass Miss
Beauchamp, wenn ich diesen Namen verwenden darf, um mehrere unterschiedliche
Personen zu bezeichnen, in einem gegebenen Moment etwas sagt und tut
und plant und vereinbart, dem sie kurz zuvor heftigst widersprochen
hatte, Neigungen nachgeht, die kurz zuvor noch abstossend gewesen
wären ... "
"Sie waren die ganze Nacht durchgefahren, wobei Angie meist weggetreten
war -jetzt konnte Mona an die Drogengeschichten echt glauben - und
redete. In verschiedenen Sprachen, mit verschiedenen Stimmen.
Und das war das Schlimmste dran, die Stimmen, denn sie richteten sich
an Molly, forderten sie heraus, und Molly gab Antwort, während sie
fuhr, aber redete nicht einfach auf Angle ein, um sie zu beruhigen,
sondern redete, als wäre jemand, noch jemand da - mindestens
drei Personen, die durch Angle sprachen."
William Gibson, Mona Lisa Overdrive
">Die Frau<, die Truddi Chase ist, das Selbst, das den anderen
beständig erscheint und als ihre legale Repräsentantin in der Welt
dient, ist bloss eine Marionette oder ein Roboter, eine >Fassade<,
die von den anderen Selbsten manipuliert und wie von einem Bauchredner
zum Sprechen gebracht wird. Sie erinnert sich an nichts und spricht
nur nach Diktat ... " Sie ist "Resultat einer Zusammenarbeit; dazu
gehörten die Delegation von Macht und die Koordination zahlreicher
begrenzter und grösstenteils autonomer Funktionen. Es gibt Gedächtnislücken
und Diskontinuitäten, da jedes der Identitäten nur zeitweise bewusst
ist, und keines je direkt merkt, was die anderen erleben." Weder eins
noch zwei: "Die multiplen Persönlichkeiten können nie in eine verschmelzen,
aber sie können auch nicht ihrer gegenseitigem Nähe entkommen ...
"
Wie schon Hexerei und Hysterie ist dieses Syndrom keineswegs ausschliesslich
bei Frauen zu finden, aber historisch gesehen betraf es sehr viel
häufiger Frauen als Männer. Viele multiple Persönlichkeiten werden
von Körpern beherbergt, die irgendeinem frühen Trauma oder Schmerz
ausgesetzt waren, etwa dem sexuellen Missbrauch in der Kindheit. Niemand
scheint sich sicher zu sein, ob es sie immer schon im gleichen Ausmass
gegeben hat, ob sie - und mit ihnen der sexuelle Missbrauch - sich
vermehren oder ob, wie für Paul R. McHugh, das Syndrom von Therapeuten
fabriziert, vom Fernsehen ausgelöst und "durch Suggestion, soziale
Konsequenzen und Gruppenloyalitäten gefördert wird". Seiner Ansicht
nach sollten sich Psychiater weigern, dem Syndrom Vorschub zu leisten.
"Ignoriert die Alter egos. Hört auf, mit ihnen zu sprechen, Notizen
über sie zu machen und über sie zu diskutieren ... Richtet die Aufmerksamkeit
nicht so sehr auf die Phantasie, sondern auf gegenwärtige reale Probleme
und Konflikte." Multiple Persönlichkeiten und der angebliche sexuelle
Missbrauch, der sie auslöst, sind, so argumentiert er, ein besonderer
Fall des Erinnerungstäuschungs-Syndroms; Erinnerungen an Missbrauch
und Alter egos werden bei suggestiblen Patienten erst durch Psychoanalytiker
und Psychiater künstlich induziert und heraufbeschworen.
Sie macht den Psychiater wahnsinnig. ">Sie sind sie<,
sagte ich.
>Nein, ich bin es nicht.<
>Ich sage, Sie sind es.<
Erneutes Leugnen."
Damals spürte ich, dass diese Unterscheidung künstlich war und das
hypnotische Selbst es absichtlich tat, und mir wurde klar, dass man
einem solchen Artefakt nicht erlauben durfte, sich zu entwickeln."
Aber das wurde mehr als einer seiner Patientinnen ebenfalls klar.
jedenfalls waren sie ihm zahlenmässig überlegen, drei gegen einen.
Soweit er wusste. Nur die eingerechnet, die sich zeigten.
Wie Freud können die McHughs der Psychiatrie die Geschichten ihrer
Patientinnen über sexuellen Missbrauch einfach nicht glauben. Immer
mehr Fälle von Dissoziation würden sonst entweder auf ein gewaltiges
Anwachsen des Missbrauchs hinweisen oder, noch beunruhigender, auf
die Möglichkeit, dass Fälle von Missbrauch und multiplen Persönlichkeiten
- schon immer so häufig waren, aber erst jetzt ans Licht kommen. Es
ist jedenfalls kaum glaubhaft, dass Psychiater und Talkshows in der
Lage sind, diese Persönlichkeiten aus dem Nichts hervorzuzaubern.
Und "wenn es einen so hohen Grad von Suggestibilität bei Multipler
Persönlichkeit gibt", so bedeutet das kaum, dass sie es nicht "wert
ist, intensiv untersucht zu werden". Zum Unglück für die Psychiater,
die auf die Wahrheit aus sind, sind zweifellos alle diese Perspektiven
und noch andere mehr relevant und genau. Multiple Persönlichkeiten
entstehen als Reaktion auf Traumata, wie sie von sexuellem Missbrauch
ausgelöst werden. Fernsehzuschauer sind in der Tat äusserst empfänglich
für Suggestion; dissoziative Störungen, wie zuvor Hexerei und Hysterie,
sind überaus ansteckend. Nicht zuletzt wegen des Ausmasses, in dem
die virtuellen Räume des Netzes solchen multiplen Identitäten den
Weg bahnen und sogar nach ihnen verlangen, ist das Syndrom selbst
multipel, ansteckend und verbreitet sich immer weiter.
Wo immer sie hergekommen sind, sie sind überall. Truddi Chase wimmelt
von "Truppen", jede von ihnen funktioniert als "ein geschlossener
Kasten, ein einzigartiges Wesen, das von den anderen abgeschottet
ist. Jedes Selbst hat seine eigenen typischen Körperbewegungen und
Gesichtsausdrücke, seine eigenen Gewohnheiten, Vorlieben und Sprachmuster
und sogar seine eigene Pulsfrequenz. Es gibt da die Workaholic-Geschäftsfrau
TenFour, das Partygirl Elvira, den Barbie-Typ Miss Wonderful, die
katatonisch ruhige Grace, die raffinierte Catherine, die leidenschaftlich
obszöne Sewer Mouth. Es gibt auch noch andere Identitäten, die mehr
durch ihre Aufgaben definiert werden als durch ihre emotionalen Kennzeichen:
den Gatekeeper, den Buffer, den Weaver, den Interpreter."
Diese Figuren werden immer gewitzter. Lautstark in ihren Lebensäusserungen,
entschlossen in ihrem Überlebenswillen. Diejenigen, die die multiplen
Persönlichkeiten beherbergen, weigern sich ihrerseits, in simple,
mit einem einzigen Bewusstsein ausgestattete Identitäten und Einzweck-Addiermaschinen
verwandelt zu werden. "Eine der Sachen, die wir von den Leuten hören,
die Integration predigen, ist >Keine Sorge, niemand stirbt<.
Wir lesen und hören Dinge wie >es ist nur ein Zusammenmischen,
und Integration schafft eine >komplexe Einheit<, die aus vielen
Fragmenten eine ganze Person macht." Aber was, wenn sie nicht eine
sein will? "Mich stört es nicht, wenn ich kein Bewusstsein habe",
sagt sie. Sie beteuern, dass nichts verlorengehen wird. ">Du kannst
nicht sterben, weil du nur ein Teil von - bist (wen immer sie für
die reale Person halten).<" Aber sie weigern sich alle zu sterben.
"Dieses eine Person /ein Körper muss aufhören. Es ist faschistisch.
Es bedeutet, dass ich (und die anderen in diesem Haushalt) nur als
Rädchen in einer Maschine existieren. Es bedeutet, dass meine (irgendeine
unserer) Individualitäten nicht zählt. Das ist noch mehr Missbrauch.
Beim Missbrauch wird dir immer gesagt, dass deine Gefühle und Emotionen
nicht wirklich sind. So ein Quatsch. Sieht denn niemand, dass Integration
nur ein neuer Beschiss ist?"
Die konservativeren Psychiater, die mit der Behandlung dieser Syndrome
zu tun haben, blicken sehnsüchtig zurück auf die Tage, als Hysterie
das herrschende Paradigma aller Freudianischen Vorgehensweisen war,
die darauf verpflichtet waren, ein fragmentiertes "Selbst" wiederzuvereinigen.
Aber DID trotzt den Versuchen, es als Angelegenheit eines zerstückelten
und desintegrierten Selbst zu definieren, eines Selbst, das einst
einheitlich und allein war. Multiple Persönlichkeiten tauchen auf
in einer zerhackten, zappenden, schizophrenen Kultur, die von parallelen
Prozessen und verteilten Systemen wimmelt, die vom Geschnatter und
Geknatter ungesehener Stimmen dröhnt und über Tausende von Fernbedienungen
zugänglich ist. Fernsehsendungen mögen die Nachrichten verbreiten,
aber Oprah Winfreys Untertitel (SIE SAGT, DASS ES NEUNUNDZWANZIG VON
IHR GIBT) operieren auf nur einer der Tausenden, meist sehr viel weniger
augenfälligen Stufen und Kanäle und Faktoren, die hier im Spiel sind.
Die Beeinflussungsmaschinen und komplexen Kommunikationsapparate,
die einst für Produkte einer schizophrenen Phantasie gehalten wurden,
sind jetzt in jedem Haus installiert, sie stehen jedem gleich nah,
sind verschaltet mit all den Relais, Netzen und Denkmaschinen ...
Eine telekommunikative, kybernetische Kultur mit ihren eigenen unsichtbaren
Händen und unkontrollierbaren Effekten, Checks and Balances
und noch nie dagewesenen Fluktuationen. Eine Patchworkkultur aus Kurzzeitgedächtnissen
und fehlenden Datensätzen, konfligierenden Geschichten und diskontinuierlichen
Samples, Stränge des aus der Zeit gezogenen Erzählfadens. Ein flüchtiges,
angespanntes und sensibles System, empfänglich für opportunistische
Infektionen und unwahrnehmbare Mutationen, spontane Emergenzen und
plötzliche neue Lebensformen.
Die neuen Netzwerke passen so gut zu diesen verteilten Charakteren,
dass sie beinahe für sie gemacht scheinen.: Als ob ... Sicher nicht.
Es war undenkbar. Aber Eliza sagte wie immer: "Weiter, bitte."
Als würden sie Schaltkreise für sich selbst bauen, unauffällig unterstützende
Systeme für ihre Alien-Leben zusammensetzen, die technischen Mittel
für Emergenz und Überleben, Netzwerke, in denen, was immer sie werden,
sich replizieren, kommunizieren, seinen eigenen Weg finden kann. Kulturen,
in denen sie endlich aufblühen können.
Enigmen
"Sie sagen, während die Welt voller Lärm ist, sehen sie, wie sie sich
bereits der Industriegebiete bemächtigen. Die Frauen befinden sich
in den Fabriken in den Flughäfen in den Rundfunkstationen. Sie kontrollieren
die Nachrichtenüberrnittlung. Sie haben die Flugzeugindustrie die
elektronischen die ballistischen die datenverarbeitenden Betriebe
in der Hand."
Monique Wittig, Die Verschwörung der Halkis
In den beiden Weltkriegen wurden in Europa und der englischsprechenden
Welt Frauen zum Kochen, Nähen von Uniformen, als Krankenpflegerinnen
und zur Unterhaltung der Truppen angeworben. Sie arbeiteten ausserdem
in Flugzeugfabriken, stellten Munition her und schufteten für den
Sieg. Dabei besetzten sie viele vorher von Männern eingenommene Rollen
und Positionen. Auch viele neue Maschinen wurden mobilisiert, um die
gewaltigen Mengen zu ordnender Informationen, zu decodierender Codes
und zu übermittelnder Nachrichten zu bewältigen. Wegen ihrer Präzisionstechnik
waren Hersteller von Büromaschinen gefragt: Sie rüsteten die Luftwaffe
aus und stellten Waffen her. Und während Armeen von Frauen von den
neuen Computer- und Telekommunikationsfirmen eingestellt wurden, wurden
die Armeen ihrerseits mit neuen Generationen von Computern, Telefonen
und Schreibmaschinen versorgt. "Ein modernes Schlachtschiff braucht
für den normalen Betrieb Dutzende von Schreibmaschinen. Eine Armee
braucht sogar an der Front mehr Schreibmaschinen als mittlere und
leichte Geschütze, was darauf hindeutet, dass die Schreibmaschine
nun die Funktion der Feder und des Schwertes verbindet." In den USA
wurden im Zweiten Weltkrieg viele junge Frauen von den Women's Army
Corps und dem WAVES herangezogen, dem Women Appointed for Voluntary
Emergency Service. Ihr Aufgabe war die Arbeit an verschiedensten ballistischen
un militärischen Nachrichtenproblemen. Eine der Hauptarbeitsbereiche
in der Kriegszeit war das Berechnen von Feuerleittabellen, um Flugzeit
und Flugbahn von Raketen, Bomben und Granaten zu verbessern. Die Frauen,
die diese Tabellen einst selbst berechnet hatten, wurden nun im Gefolge
von Norbert Wieners Kybernetik rekrutiert, um neue Maschinen für diese
Arbeit zu bauen. Rechnerinnen setzten Rechner zusammen.
Klara von Neumann, die Frau von John von Neumann, arbeitete in Los
Alamos, und Adele Goldstine, die Frau des Mathematikers Herman Goldstine,
war eine von sieben Frauen, die dem 1946 gestarteten Programm des
ENIAC (Electronic Numerical Integrator and Computer) zugewiesen wurden,
dem ersten voll programmierbaren elektronischen Computer. Eine frühe
Fotografie des ENIAC zeigt eine "Nahaufnahme des Druckers, der Transcoder
und die damit verbundene IBM-Ausrüstung. Betty Jenning ist auf der
linken Seite dabei, einen Kartenstapel einzuschieben, der die Ausgangsdaten
enthält, mit denen der ENIAC arbeiten soll, während Frances Bilas
auf der rechten Seite gerade einen Satz Karten wegschafft, die das
Ergebnis der vorangegangenen Berechnung darstellen." Ein zweites Bild
zeigt den ENIAC "mit Betty Jennings und Frances Bilas, die die Programmeinstellungen
an der zentralen Programmiereinheit vornehmen".
ENIAC war die erste voll funktionsfähige, mit Nullen und Einsen arbeitende
Maschine. Zu den anderen Anwärtern auf den Status des ersten Computers
gehört der 1941 von Konrad Zuse gebaute deutsche Z3 und der -1943
in Grossbritannien gebaute Colossus Mark 1, der erste elektronische
Einzweck-Cornputer.
Die entscheidenden Operationen des britischen Geheimdienstes liefen
unter dem Codenamen Ultra. Die Hauptaufgabe bestand darin, den deutschen
Enigma-Code zu entschlüsseln und die decodierte Enigma-Maschine zu
simulieren, mit der Deutschland den ganzen Krieg hindurch Nachrichten
übermittelte, ohne von der Dechiffrierung zu wissen. Enigma war im
Ersten Weltkrieg patentiert worden. Sie diente zur Verschlüsselung
und Entschlüsselung von Nachrichten und wurde in den Jahren zwischen
den beiden Weltkriegen vom deutschen Geheimdienst und im zivilen Bereich
eingesetzt. Aus der Enigma-Entschlüsselung und der Entschlüsselung
anderer deutscher Codes ging Colossus hervor. Diese Arbeit unterlag
der höchsten Geheimhaltung. ihr Umfang und ihre Verwicklung in andere
Bereiche wurden erst dreissig Jahre nach dem Krieg öffentlich zugänglich
gemacht. An dem gewaltigen Unternehmen waren eine groge Zahl von Mathematikern
und Linguisten beteiligt sowie ganze Truppen von Technikern, Rechnern
und Assistenten, die den "Gehirnen von Bletchley Park" beigestellt
waren. "Diese waren zwar brillant, aber die Resultate ihrer Arbeit
hingen von der unermüdlichen Plackerei und Ausdauer von beinahe zweitausend
>Wrens< ab, weiblichen britischen Marineangehörigen." Ferner
gab es eine Menge junger Männer, private und junior-NC0s von der Armee
und dem ATS, und unter den Frauen befanden sich Sprachstudentinnen
und WAAFS, "aber weitaus die meisten kamen von der WRNS: heroische,
handverlesene Mädchen, die womöglich mit dem Gedanken in die Navy
eingetreten waren, die Seeluft von Portsmoth Docks oder Plymoth Hoe
zu schnuppern, und sich nun an den fast am weitesten vom Meer entfernten
Ort in England verbannt sahen ... ". Petronella Wise, Peggy Taylor,
Sydney Eason, Mary Wilson, Wendy Hinde, Margaret Usborne, Jane Reynolds,
Arm Toulmin, Thelma Ziman, Candida Aire, Hilary Brett-Smith, Sylvia
Cowgill, Elizabeth Burbury, Pauline Elliott, Ruth Briggs, June Penny,
Alison Fairlie, Dione Clementi, Bettina und Gioconda Hansford ...
Einige dieser Frauen waren die "big room girls", eine Schar weiblicher
Rechner, die im Herzen von Colossus arbeiteten, andere übersetzten
und transkribierten, einige waren sogar grössere "big room girls".
Joan Clarke, später Murray, die in den höheren Rängen des Enigma-Teams
arbeitete, wurde als eine Frau des Professoren-Typs beschrieben. Ihre
"Stellung als Kryptoanalytikerin gab ihr den Status eines männlichen
Wesens ehrenhalber", und eine Zeitlang war sie Turings Mitarbeiterin.
Er verbesserte ihr Schachspiel, lernte von ihr etwas Botanik und Stricken
und "war bis zur Anfertigung eines Paars Handschuhe fortgeschrit ten,
ausgenommen das Vernähen der Enden".
"Damals", erinnert sich einer der Bletchley-Arbeiter, "gab e eine
enge Zusammenarbeit zwischen Mann, Frau und Maschine, eine Zusammenarbeit,
die schon für die nächste Dekadede Grossrechner nicht mehr typisch
war". Aber sogar unter de Kryptoanalytikern herrschte wenig Gleichheit
bei der Arbeit Joan Murray entwickelte eine neue Methode, um die deutsche
Codes zu entschlüsseln. Ihre Ergebnisse "beschleunigten di Routinelösungen",
schrieb sie, "aber mein Name wurde nicht daruntergesetzt".
"Die stumpfsinnigere Routinearbeit im Büro", erinnerte sie sich später,
"wurde unausweichlich von Frauen erledigt, denn nur Männer, die für
Kryptoanalyse oder damit zusammenhängende Übersetzungs- und Geheimdienstarbeit
als qualifiziert galten, konnten in die GC&-CS (Government Code
and Cypher School) eintreten, statt für den Dienst an der Waffe herangezogen
zu werden ... " Aber in ihrer ersten Woche "stellten sie einen eigenen
Schreibtisch für mich in den von Turing, Kendrick und Twinn besetzten
Raum", und schon bald schob sie Nachtschichten "allein in Baracke
8, und ich fühlte mich recht wichtig, wenn ich mich um das >Baby<
kümmerte, eine kleine Spezialzweck-Maschine, die von der British Tabulating
Machine Company hergestellt worden war ... Sie wurde benutzt, um ein
wahrscheinliches Wort mit vier Buchstaben, eins, unter Berücksichtigung
aller Positionen der Maschine mit der Walzenstellung des jeweiligen
Tages zu verschlüsseln, wozu die verschiedenen Verbindungen gesteckt
und die Ergebnisse auf Hollerith-Karten gestanzt werden mussten. Der
jeweilige >Babysitter< musste regelmägige Kontrollen durchführen
und das Baby nach jedem Arbeitszyklus für einen neuen Start fertigmachen."
Für einige der beschäftigten Frauen bot Ultra eine angenehme Arbeit.
Vivienne Alford, geborene Jaez-Smith, "kam nach einem Jahr nach Bletchley
Park, das ich als Mitglied bei dem Voluntary Aid Detachment zugebracht
hatte, wo ich grässliches Essen in Armeehospitälern kochte, worauf
ein kurzes Zwischenspiel bei der Zensur folgte. Der einzige deutsche
Brief, den ich dort gelesen hatte, stammte von Kaiserin Zita von Österreich.
Sie trug darin ihrem Sohn Otto auf, seine Winterwollsachen und einen
Wollschal zu tragen ... " Andere fanden ihre Arbeit ausserordentlich
stumpfsinnig, selbst wenn sie als weniger profan galt als die Arbeit
an den "Bomben". Diana Payne erinnert sich, dass sie mit dem Traum
vom "Leben an der See und der romantischen Vorstellung, einen Seemann
zu heiraten", zur Marine gekommen war. Statt dessen wurden "zweiundzwanzig
von uns zur mysteriösen Station X abkommandiert", wo sie "mit fünfhundert
Frauen zusammen leben mussten, ohne einen Hauch von See oder Seemännern".
Wie die meisten ihrer Kolleginnen arbeitete Payne "an der verwickelten
Aufgabe, die als >Bomben< bekannten Maschinen zu bedienen. Diese
entschlüsselten die Walzenstellungen für die Enigma-Chiffren, die
von den Deutschen für unentschlüsselbar gehalten wurden." Es handelte
sich dabei um grosse Schränke, in denen "Reihen von farbigen Trommeln
untergebracht waren, jede ungefähr 15 cm im Durchmesser und 10 cm
tief. In jeder von ihnen befand sich eine Menge Bürsten, von denen
jede sorgfältig mit einer Pinzette eingestellt werden musste, um keinen
Kurzschluss zu verursachen. Aussen um jede Trommel waren die Buchstaben
des Alphabets geschrieben. Die Rückseite der Maschine lässt sich fast
nicht beschreiben - eine Unzahl herunterbaumelnder Schnüre mit Steckern
an Reihen von Buchstaben und Zahlen." Die Wrens arbeiteten ausgehend
von einem Menü, "einer komplizierten Zeichnung von Zahlen und Buchstaben,
nach der wir an der Rückseite der Maschine die Stecker setzten und
die Trommeln vorne einstellten". Sie hatten keine Kenntnis vom Inhalt
der Nachrichten und nur eine vage Vorstellung davon, wie die Maschinen
den deutschen Code knackten. "Aus technischen Gründen, die ich nie
verstanden habe, blieb die Bombe plötzlich stehen, und wir lasen die
Ergebnisse ab ... " Jeden Tag um Mitternacht wurden die deutschen
Codes geändert, die Bomben mussten also fortwährend umgesteckt werden.
"Es war eine ziemlich anstrengende Arbeit, alles einzustellen", erinnert
sie sich. "Gelegentlich wurde die Monotonie durch die Nachricht unterbrochen,
dass wir an einem erfolgreichen Schlag beteiligt gewesen waren", aber
das war nur eine geringe Entschädigung. Die Wrens hatten "trotz dieser
verantwortungsvollen Tätigkeit keinerlei Status", und viele empfanden
es als sehr belastend, nicht über ihre Arbeit sprechen zu können.
Bei einigen der Frauen stellten sich "bei der dauernden Veränderung
der Dienstzeiten Verdauungsstörungen" ein, und es gab "Fälle, wo Mädchen
während des Dienstes völlig die Nerven verloren". Eine "hatte Alpträume,
sie wachte eines Nachts auf und umklammerte eine Phantomtrommel".
Carmen Blacker beschreibt ihre Zeit in Bletchley Park als verlorene
Zeit. Als Linguistin mit Japanischkenntnissen hatte sie die Aufgabe,
ein japanisches Radar-Handbuch zu übersetzen, ein Buch über Echopeilung
und die "japanische Nickel Rundschau", Posten, die in den Schränken
der Marineabteilung herumlagen. "Alle Wörter, die in einer decodierten
Nachricht auftauchen konnten, waren mit korrekten Seitenangaben auf
Lochkarten zu übertragen." Der Gegenstand war mehr als trokken. "Überflüssig
zu sagen, dass ich auch dann nicht mehr Ahnung vom Inhalt der Bücher
gehabt hätte, wenn sie auf englisch gewesen wären." Und während die
Deutsche Abteilung in Bletchley Park "auf Hochtouren lief und mit
grosser Intensität und Dringlichkeit arbeitete, ständig von der Admiralität
bedrängt, mehr Listen der letzten Eroberungen zu liefern ..., konnte
hinsichtlich Japan keine derartige Aufregung aufkommen". Und sie war
überzeugt, "dass mein Index nicht ein einziges Mal zu irgend etwas
nütze war".
"Im Januar 1945 war ich von meiner Arbeit äusserst gelangweilt", schreibt
sie. So fing sie an, während der Arbeit Chinesisch zu lernen. "Wenn
ich es nach drei oder vier Stunden Stöpselei an der >japanischen
Nickel Rundschau< einfach nicht mehr aushielt, habe ich sie durch
ein anderes Buch ersetzt, das niemand im Büro davon hätte unterscheiden
können. Darin waren die Gedichte von Li T'ai Po oder die Zaubergeschichten
aus dem Liao Chai Chai I zu lesen, mitsamt japanischer Übersetzung
und Kommentar. Bei der Nachtschicht, wo es ruhiger war und nicht die
Möglichkeit bestand, dass Six aus dem Nebenraum mit irgendeinem Alarm
oder Gang, den ich machen sollte, mit einer Bitte oder einem Verweis
auftauchen würde, konnte ich der Versuchung nicht mehr widerstehen,
mehr Zeit mit diesen köstlichen Büchern als mit dem Type 93 Echopeilungs-Set
zu verbringen. Meine Versäumnisse wurden immer unfaglicher."
Die meisten Frauen waren so gut im Stillhalten, dass sie buchstäblich
vergassen, was sie während des Krieges getan hatten. "ich hatte diesen
Teil meines Lebens so vollständig in meinem Unterbewusstsein vergraben",
schreibt Diana Payne, "dass es ein Schock für mich war, als ich über
dreissig Jahre später die Geschichte plötzlich im Fernsehen sah."
Nach dem Krieg dankte Churchill "den Hühnern, dass sie ohne zu gackern
so brav Eier gelegt haben". Jetzt wurde von ihnen erwartet, dass sie
sich alle wieder auf ihre Hühnerstange zurückzogen. Unter einem Hagel
von Elektro-Haushaltsgeräten kehrten viele Frauen in den Nachkriegsjahren
an die Heimatfront zurück, um ihre alten häuslichen Pflichten wiederaufzunehmen.
Nun waren sie alle wieder Köchinnen, Putzfrauen, Strickerinnen, Handarbeiterinnen,
Näherinnen, Ehefrauen und Mütter. Doch in den frühen fünfziger Jahren,
als im Webster's Dictionnary die Definition eines Rechners von "einer,
der eine Berechnung durchführt", zu "einer oder etwas, das eine Berechnung
durchführt", abgewandelt wurde, war klar, dass die Dinge nie mehr
so sein würden wie früher. Wenn Frauen Rechner waren, fingen sie jetzt
an, sich selbst zu programmieren.
Hochzeitsgelübde
1955. An der Zeit, sich noch mal der Kontrolle zu versichern. "(1)
Ein Roboter darf einen Menschen nicht verletzen oder durch Untätigkeit
zulassen, dass ein Mensch zu Schaden kommt. (2) Ein Roboter muss den
ihm vom Menschen erteilten Befehlen gehorchen, es sei denn, diese
Befehle widersprechen dem ersten Gesetz. (3) Ein Roboter muss seine
eigene Existenz schützen, solange dieser Schutz nicht dem ersten oder
zweiten Gesetz widerspricht." Asimovs Gesetze der Robotik.
Hysterese
Auf allen Gebieten ist eine gleiche Beschleunigung erkennbar - hinsichtlich
der mit 'Verkehrsmitteln zurückgelegten Entfernungen, der erreichten
Höhen, der Förderung von Bodenschätzen, der Sprengkraft von Explosivstoffen
... jahrhunderte- oder jahrtausendelang verläuft die Linie fast horizontal,
doch dann, in unserer Zeit, steigt sie plötzlich steil an." McLuhan
sagte: "Erst mit dem Auftauchen des Telegrafen konnten Botschaften
eine Wegstrecke schneller zurücklegen als ein Bote", und erst mit
dem Computer beginnt das Rechnen die Geschwindigkeit des menschlichen
Gehirns zu überschreiten. Die durch Computerschaltkreise rasenden
elektrischen Impulse bewegen sich eine Million Mal schneller als die,
von denen angenommen wird, dass sie durch die Schaltkreise des Gehirns
rasen.
"Ich wünschte, ich käme schneller voran. Das heisst - ich wünschte,
ein menschlicher Kopf oder auf jeden Fall mein Kopf könnte sehr viel
mehr & sehr viel schneller aufnehmen, als es der Fall ist;
- und hätte ich meinen eigenen Kopf gemacht, so hätte ich seine
Wünsche und Ambitionen ein wenig mehr auf seine Aufnahmefähigkeit
zugeschnitten ... Mit der Zeit werde ich alles tun, sollte ich hinzufügen.
Und wenn nicht, warum auch immer, werde ich mich zumindest
amüsiert haben."
Ada Lovelace, September 1840
"Geschwindigkeit ist die Geheimwaffe des Computers", und ebenso die
Geheimwaffe, mit der fertig zu werden Computer entwickelt wurden.
Im Ersten Weltkrieg hatten weibliche Rechner die Feuerleittabellen
ausgearbeitet, die von den Artilleristen heranzogen wurden, wenn sie
ihr Ziel anpeilten und auf die ersten in einem Krieg eingesetzten
Flugzeuge schossen. Vannevar Bushs Differential Analyzer, ein
riesiger Analogrechner, war eines der ersten Systeme, die sich zu
den Rechnern in Fleisch und Blut gesellten, als die Geschwindigkeiten
der neuen Luftwaffe deutlich machten, dass die alten Berechnungsmethoden
der Feuerleitung zunehmend obsolet wurden.
Wenig Zeit und hohe Geschwindigkeit erforderten neue Techniken der
Vorausschau. Bei den neuen Geschwindigkeiten der dreissiger Jahre
bedeutete dies, das Geschoss "nicht auf das Ziel abzuschiessen, sondern
so, dass Geschoss und Ziel im Raum zu einem späteren Zeitpunkt zusammentreffen.
Wir mussten deshalb eine Methode finden, die zukünftige Position des
Flugzeuges vorherzusagen." Nur gleichzuziehen reichte nicht länger
aus.
"Rückkopplungen dieses allgemeinen Typs werden sicher in menschlichen
und tierischen Reflexen gefunden. Wenn wir auf die Entenjagd gehen,
ist der Fehler, den wir zu einem Minimum zu machen versuchen, nicht
derjenige zwischen der Richtung der Flinte und dem wirklichen Ort
des Zieles, sondern der zwischen der Richtung der Flinte und dem vorweggenommenen
Ort des Zieles. Jedes System der Luftabwehrfeuerleitung muss auf das
gleiche Problem stossen." Dem vorweggenommenen Moment des Geschosseinschlags
wird somit Rechnung getragen, er wird in die Berechnungen einbezogen,
die zum gewünschten Ergebnis führen. Das Endresultat erhält man durch
Reverse Engineering.
Kybernetik
AIs Norbert Wiener 1948 seine Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung
im Lebewesen und in der Maschine veröffentlichte, kündigte er
den Beginn einer neuen Ära der Kommunikation und Kontrolle an. Der
Begriff Kybernetik stammt vom griechischen Wort für Steuermann und
bezeichnet denjenigen, der den Kurs eines Schiffes steuert. Was Wieners
Begriffe tatsächlich beschrieben, war jedoch nicht nur der Steuermann,
sondern auch das Schiff. Beide zusammen bilden, was später als kybernetischer
Organismus oder Cyborg bekannt wurde.
Kybernetische Systeme sind Maschinen mit einem Apparat, durch den
sie sich selbst steuern oder regulieren und daher mit einem gewissen
Grad an Autonomie funktionieren können. Sie haben wenig mit "älteren
Maschinen und insbesondere den in älteren Versuchen entwickelten Automaten"
gemeinsam, wie etwa Babbages silberner Tänzerin. "Moderne automatische
Maschinen - wie das gesteuerte Geschoss, der Annäherungszünder, der
automatische Türöffner, der Steuerungsapparat für eine chemische Fabrik
und das übrige Arsenal moderner Maschinen für militärische oder industrielle
Aufgaben" - besitzen im Unterschied zu Uhrwerkmaschinen "Sinnesorgane,
das heisst Empfänger für von aussen kommende Nachrichten". Es sind
Systeme, die Sinnesdaten empfangen, übermitteln und messen und "die
tatsächlich mit der Welt ausserhalb nicht nur durch ihren Energiefluss,
ihren Stoffwechsel verbunden sind, sondern auch durch einen Strom
von Eindrücken, von hereinkommenden Nachrichten und durch Aktionen
hinausgehender Nachrichten."
Während Wiener einer der ersten war, der diese Prozesse benannte,
hat die Kybernetik keine eindeutige Quelle, keinen einzelnen Ursprungspunkt.
Kybernetische Regelkreise und Rückkopplungen liessen sich rückblickend
in vielen Zusammenhängen und Theorien der Neuzeit ausmachen, so bei
Immanuel Kant, Adam Smith, Karl Marx, Alfred Wallace, Friedrich Nietzsche
und Sigmund Freud. Wieners Werk nahm viele Elemente dieser früheren
Forscher auf. Energetische Rückkopplungen sind in James Watts Dampfmaschine
am Werk, die von einem Regler gesteuert wird, "um zu verhindern, dass
die Maschine durchgeht, wenn ihre Belastung wegfällt. Wenn sie zu
schnell zu laufen beginnt, fliegen die Kugeln des Reglers durch Zentrifugalkraft
nach oben' und durch ihre Aufwärtsbewegung verschieben sie einen Hebel,
der den Dampfzustrom teilweise drosselt. So erzeugt die Neigung, schneller
zu werden, eine teilweise ausgleichende Neigung zum Langsamerwerden."
Manche denken, dass "die erste homöostatische Maschine der Menschheitsgeschichte"
schon lange vor der Dampfmaschine in de Kompassen des 19.Jahrhunderts
zu finden war. Manchmal wir auch dem "Regular" von Ktesibios, einer
Wasseruhr, die auf dass 3.Jahrhundert v. Chr. zurückgeht, die Ehre
gegeben, "das erste selbstregulierte, selbststeuernde und selbstkontrollierte
Objek zu sein ... das erste Selbst, das ausserhalb der Biologie
geboren wurde, ein wirkliches von innen gelenktes Auto-Ding".
Wieners Werk machte jedoch deutlich, dass sich die alten Unterscheidungen
zwischen einer autonomen Aktivität innerhalb bzw. ausserhalb der Biologie
nicht länger aufrechterhalten liessen. Wie sein Verweis auf "Lebewesen
und Maschine" deutlich machte, bilden sich kybernetische Systeme auf
allen Stufen und aus Kombinationen aller möglichen Stoffe. In technischen
und organischen Systemen liessen sich die gleichen Muster, Prozesse
und Funktionen beobachten. Durch Ein- und Ausgabeapparate stehen sie
mit ihrer jeweiligen Aussenwelt in Verbindung; Rückkopplungsschleifen
und Regler verleihen ihnen ein gewisses Mass an Selbstkontrolle. Den
Prozessen, die allen lebenden Systemen gemeinsam sind, räumte Wiener
Priorität ein, und nicht ihrer Eigentümlichkeit, nach der sie seit
einiger Zeit unterschieden werden. Denn, so argumentierte er, Organismen
- Tiere, Menschen, alle Arten von Lebewesen - und Dinge - anorganische
Systeme und Maschinen - sind "völlig parallel in ihren analogen Versuchen,
Entropie durch Rückkopplung unter Kontrolle zu halten". Gleich wie
extrem die Unterschiede zwischen den Systemen sind, sie sind nur graduell.
Auch Menschen sind diesen grundlegenden Regeln des Lebens unterworfen.
Nun schien es, als hätten kybernetische Systeme sich immer schon selbst
organisiert. Wieners Werk war bloss die Gelegenheit, bei der sie sichtbar
wurden, wahrgenommen in einer Welt, in der immer noch geglaubt wurde,
alles müsse notwendig von einer äusseren Kraft organisiert werden.
Kybernetik als "die Theorie von Nachrichten als Abfolge von Ereignissen
in der Zeit zwischen Menschen, Maschinen und in der Gesellschaft"
wurde verstanden als Versuch, "die Tendenz der Natur zur Unordnung
aufzuhalten, indem ihre Teile auf verschiedene Zwecke eingestellt
werden". Diese Tendenz zur Unordnung wird Entropie genannt und im
Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik definiert als die unausweichliche
Tendenz jeder Ordnung, in einen Zustand wachsender Unordnung zu driften.
Wiener beschreibt eine Welt, in der alle lebenden Organismen "Inseln
örtlich abnehmender Entropie" darstellen, obwohl die Entropie in der
Welt insgesamt zunimmt. Kybernetische Systeme, wie organische Lebensformen
sie darstellen, werden als Instanzen eines Kampfes um Ordnung in einer
dem steten Verfall preisgegebenen, ins Chaos gleitenden Welt aufgefasst.
"Das Leben ist hier und jetzt eine Insel in einer sterbenden Welt.
Der Prozess, durch den wir Lebewesen dem allgemeinen Strom von Verfall
und Niedergang widerstehen, ist unter dem Namen Homöostase
bekannt." Wieners kybernetische Systeme - ob lebendig oder maschinell,
natürlich oder artifiziell - sind immer konservativ, getrieben vom
Grundmotiv, gleich zu bleiben.
"Es scheint fast, als müssten der Fortschritt selbst und unser Kampf
gegen das Anwachsen der Entropie von sich heraus auf dem abschüssigen
Weg enden, dem wir zu entkommen trachten", schrieb Wiener in den fünfziger
Jahren. "Sehr wahrscheinlich wird das gesamte Universum um uns herum
den Hitzetod sterben, wobei die Welt auf ein umfassendes Temperaturgleichgewicht
reduziert werden wird, in dem sich nie etwas wirklich neues ereignen
wird. Es wird nichts bleiben als eine triste Einförmigkeit, in der
nur geringfügige und unbedeutende örtliche Fluktuationen zu erwarten
sind." Nichtsdestoweniger versichert Wiener seinen Lesern, dass es
"noch lange dauern wird,. bevor unsere Zivilisation und unsere menschliche
Gattung zugrundegehen". Noch sind wir "nicht Zuschauer der letzten
Stadien des Weltendes", und eine Vervielfältigung kybernetischer Rückkopplungsschleifen
könnte gewährleisten, dass dieser Punkt ständig weiter hinausgeschoben
wird.
Das Geschlecht, das nicht eins ist, ist davon unbeeindruckt.
"Aber das Konstanzprinzip, an dem soviel liegt, was das Vermeiden
exzessiver zuströmender Erregung? Die vom Anderen kommt? Die Suche
nach der Homöostase um jeden Preis? Nach Selbst-Regulierung? Die Reduktion
der Auslösung von Bewegungen in der Maschine aus seinem/auf sein.
Aussen? Das impliziert reversible Transformationen im geschlossenen
Kreis, indem von der Variablen >Zeit<will es sagen abstrahiert
wird, es sei denn, es geht um die Wiederholung eines Gleichgewichtszustandes."
Sie gibt alles darum, davonzurennen.
Indem die Kybernetik abstrakten Prinzipien der Organisation und des
organisierten Lebens nachsagte, schien sie noch nie dagewesene Möglichkeiten
der Regulierung und dervorwegnahme zu ermöglichen - wobei alle unerwünschten
Effekte in Rückkopplungsschleifen aufgefangen werden konnten. Allerdings
wurden dabei auch die Schwächen aller Versuche der Vorhersage und
Kontrolle deutlich. Kybernetische Systeme erfreuen sich einer dynamischen,
interaktiven Beziehung zu ihrer Umwelt, durch die sie auf diese reagieren
und Einfluss ausüben können. Rückkopplung "umschliesst sowohl motorische
Glieder als auch von diesen betätigte sensorische Glieder, welche
die Funktionen von Meldern oder Warnern ausüben, d. h. von Elementen,
die eine ausgeführte Verrichtung anzeigen". Die Funktion dieser Mechanismen
besteht darin, "die mechanische Tendenz zur Desorganisation zu kontrollieren;
mit anderen Worten, eine zeitweise und örtliche Umkehrung des normalen
Verlaufs der Entropie zu produzieren". Diese Mechanismen haben unvermeidlich
auch die Funktion, sich mit flüchtigen Umgebungen auseinanderzusetzen
und zu interagieren. "Kein System ist geschlossen, die Aussenwelt
sickert immer durch." Dynamische oder lebendige Systeme können gar
nicht anders, als mit der Aussenwelt zu interagieren. Durch dieses
Ineinandergreifen erweist sich Homöostase, das vollkommene Gleichgewicht,
immer nur als Ideal. Weder Tiere noch Maschinen funktionieren nach
diesem Prinzip.
Lange bevor Wiener ihnen einen Namen gab, war schon deutlich, dass
kybernetische Systeme sich ganz unterschiedlich verhalten können.
"Es gab mehrere mögliche 'Verhaltensweisen: Einige Maschinen drehten
durch und erhöhten ihre Geschwindigkeit exponentiell, bis sie kaputt
waren, andere wurden immer langsamer, bis hin zum Stillstand. Andere
oszillierten und schienen unfähig, sich bei irgendeinem Mittel einzupendeln.
Andere - und das war noch schlimmer - gerieten in Verhaltenssequenzen,
in denen die Amplitude ihrer Schwankung selbst oszillierte oder immer
grösser wurde." Sie verwandelten sich in Systeme "mit positivem Zuwachs,
die verschiedentlich als eskalierende oder viziöse Zirkel bezeichnet
wurden". Wiener unterminierte nicht nur die Unterscheidungen zwischen
Mensch, Tier und Maschine, sondern stellte dadurch auch orthodoxe
Vorstellungen von Leben, Tod und von der Grenze zwischen beidem in
Frage. Waren sich selbst steuernde Maschinen lebendig? Und wenn nicht,
warum nicht? Schliesslich waren sie ganz sicher keine tote Materie,
träge und teilnahmslos. Und da viele Lebensformen weniger komplex
waren als automatische Maschinen, konnte der Status des Lebenden nicht
nur von der Komplexität abhängen.
Nur durch Rückgriff auf irgendeinen Wesensbegriff ist es möglich,
zwischen der Lebendigkeit eines Organismus und der einer Maschine
zu unterscheiden. Im Prinzip war keins von beiden mehr oder weniger
tot oder lebendig als das andere. Leben und Tod stellten keine absoluten
Bedingungen mehr dar, sondern interaktive Tendenzen und Prozesse,
die in automatischen Maschinen und in Organismen immer beide am Werk
sind. Unabhängig von ihrem Massstab, ihrer Grösse, Komplexität oder
materiellen Zusammensetzung funktionieren Dinge deshalb, weil sie
immer beides kennen: Leben und Tod, Organisation und Desintegration,
Wachstum und Verfall, Beschleunigung und Verlangsamung. "jede Intensität
führt in ihrem eigenen Leben die Erfahrung des Todes und schliesst
sie ein." jedes der beiden Extreme kann fatal sein - genau in diesem
Sinne sterben Systeme endgültig und absolut und final. "Dann tritt
der Tod wirklich ein." Aber er ist nicht begrenzt auf das grosse Ereignis
am Ende des Lebens, sondern etwas, das "in jedem Gefühl verspürt wird
und in jedem Werden". Alle lebenden Systeme sterben: dies ist die
Definition des Lebens. Etwas, das lebt, ist etwas, das sterben wird,
daher sind "die Zeichen des Todes in jedem beliebigen biologischen
Kreislauf anwesend".
"Und ich bin genau die Person, um eines schönen Tages abzutreten,
wenn niemand irgend etwas davon weiss oder es erwartet ... Treibt
mich nicht zum Wahnsinn. Es geht mir im Moment anscheinend recht gut.
Aber in mir ist die Saat der Zerstörung. Das weiss ich ... Mag es
sich auch nur millimeterweise entwickeln ... "
Ada Lovelace, Dezember 1842
Ob es in Folge von zuviel oder zuwenig Aktivität mit einem System
zu Ende geht, stets werden seine Bestandteile neu verteilt und angeordnet,
um dann ein neues System zu bilden. In dieser Hinsicht hat Wiener
auch die Vorstellung untergraben, irgendein funktionierendes System
könne sich als individuelles Wesen mit einer organisierenden eigenen
Essenz betrachten. Nicht nur beim Vergehen des Systems verknüpfen
sich seine Bestandteile mit anderen und treten in eine neue Konstellation:
dies tun sie immer schon. Der Steuermann war zwar ein autonomes, sich
selbst regulierendes System, aber zugleich auch - zusammen mit dem
Schiff - das steuernde Element in einem weiteren autonomen und sich
selbst regulierenden System: Wieners Systeme hatten keine absolute
Identität. Ständig miteinander interagierend und neue Systeme bildend,
sich sammelnd und verbindend, um sich wieder zu weiteren Assemblagen
zusammenzufügen, waren sie nur in einem äusserst zufälligen und zeitlich
begrenzten Sinne individualisiert.
Ökonomien, Gesellschaften, individuelle Organismen, Zellen: auf diesen
und anderen Organisationsstufen hängt die Stabilität eines Systems
davon ab, ob es ihm gelingt, seine Arbeitsgeschwindigkeit zu regulieren
und dafür zu sorgen, dass nichts zu früh abbricht, nichts zu langsam,
nichts zu schnell läuft oder zu weit geht. Und es gibt immer etwas,
das jagt, hetzt und die notwendigen Geschwindigkeitsgrenzen seiner
organisierten Form zu überschreiten, über einen Horizont hinauszuschieben
versucht. Auch wenn dann eine andere langfristige Stabilität auf der
anderen Seite auftauchen mag, lässt sich nicht mehr sagen, dass das
System überlebt. Nichts garantiert die Immunität eines Systems gegenüber
solchen unkontrollierbaren Effekten. Unverletzlichkeit würde Homöostase
bedeuten, eine vollständige und fatale Stabilität. Das System muss
sie anstreben, doch erreicht es sie nur um den Preis seines eigenen
Untergangs.
"Wenn ein offenes System von irgend etwas determiniert ist, dann von
dem Ziel, SICH GLEICH ZU BLEIBEN." Systeme, die auf die Aufrechterhaltung
des Gleichgewichts aus sind, halten sich immer zurück und sind immer
in Gefahr, durchzugehen. "Nur wenn das System eine positive Rückkopplung
eingibt, ändert sich diese Bestimmung." An diesem Punkt wird klar,
dass sie immer schon durchzugehen versuchen: "Rückkopplung tendiert
dazu, sich dem zu widersetzen, was das System bereits tut." Dieser
primären "erkundenden" Tendenz widersetzt sich die negative Rückkopplung:
"jedes Wachstum ist eine positive Rückkopplung und muss gehemmt werden."
Nur nach der Entstehung regulierender Sicherungssysteme können Systeme
sich ausser jeder Kontrolle wiederfinden, aufgetankt mit zu viel Effizienz,
mit einem Überfluss an eigener Produktivität und nur darauf gerichtet,
zu kollabieren oder ihre eigene Organisation zu durchbrechen. Und
"sobald dieser exponentielle Prozess einmal begonnen hat, wird daraus
ein notwendiger Prozess, bis zu dem Zeitpunkt, wo eine sekundäre negative
Rückkopplung den ausser Kontrolle geratenen Prozess - genauso notwendig
- zum Stoppen bringt, so dass das System als ganzes durch eine qualitative
Veränderung (Revolution) überleben kann". Die positive Rückkopplung
muss ihren unausweichlichen Kurs halten, und jeder Versuch, sie einzuschränken,
wird bloss ihre destruktiven Tendenzen oder Tendenzen zu einer qualitativen
Veränderung verstärken. "Wenn das Ökosystem Störungen unterworfen
ist, die eine bestimmte SCHWELLE Überschreiten, lässt sich seine Stabilität
nicht länger im Kontext der verfügbaren Normen aufrechterhalten. An
diesem Punkt können die Oszillationen des Ökosystems nur noch durch
eine sekundäre negative Rückkopplung kontrolliert werden: durch die
Zerstörung des Systems oder seine Emergenz als Metasystem." Auf die
Grenzen seines Funktionierens zulaufend, wird es zusammenbrechen oder
diese Schwelle überschreiten und sich auf der anderen Seite neu organisieren.
"jede Beziehung System-Umwelt, die die >homöostatische Plattform<
verlässt, führt zur Zerstörung des Systems - es sei denn, es kann
sich anpassen, indem es seine Struktur verändert, um zu überleben."
Was womöglich auf das gleiche hinausläuft.
Abketteln
"Ein Newton für das Molekulare Universum ist ein dringendes Bedürfnis;
die Natur des Gegenstands macht die Erfüllung dieses Wunsches jedoch
unwahrscheinlich. Eine solche Entdeckung (wenn überhaupt möglich)
könnte nur durch sehr indirekte Methoden erreicht werden; -& würde
einen Geist erfordern, der sachliches Denken und Beobachtungsvermögen
mit der höchsten Vorstellungskraft vereint - eine in sich unwahrscheinliche
Verbindung."
Ada Lovelace, undatiertes Fragment
Ada wandte eine eigentümliche Aufmerksamkeit auf die molekularen Komplexitäten,
Geschwindigkeiten und Verknüpfungen, die in den lebensgrossen Geweben
ihrer Welt verborgen lagen. Ihr "kleines bisschen eines anderen Sinns"
führte sie sogar dazu, sich eine "andere Ausdehnung" der Realität
vorzustellen, ähnlich "der Geometrie der Drei Dimensionen -& diese
wiederum vielleicht zu einer anderen Ausdehnung in irgendeine unbekannte
Region & so möglicherweise ad infinitum". Sie wusste, dass ihr
Werk einmal einen Einfluss haben könnte, der für ihre eigene Zeit
unvorstellbar war: "Vielleicht kann niemand von uns ermessen, wie
gross", schrieb sie. "Wer kann berechnen, wozu es führen kann; besonders,
wenn wir über die gegenwärtigen Verhältnisse hinausschauen?" Und als
sie über ihre eigenen Fussnoten reflektierte, war sie "wie vom Donner
gerührt von der Kraft der Schreibweise. Ganz sicher ist sie dem Stil
einer Frau besonders unähnlich", schrieb sie, "aber genausowenig kann
ich sie so recht mit der irgendeines Mannes vergleichen." Es war vielmehr
ein Code für die kommenden Zahlen.
Anmerkungen
Ada
Adas Briefe an Babbage befinden sich in der British Library in London,
und der Briefwechsel zwischen ihr und ihrer Mutter in der Bodleian
Library in Oxford.
S. 12: "als einen Freund", Lady Byron, Zit. nach Betty A. Toole, Ada,The
Enchantress of Numbers, S. 56.
"Letzten Montag haben wir beide uns die Denkmaschine ... ", Lady Byron,
Zit. nach Doris Langley Moore, Ada, Countess of Lovelace, S-
43 f.
S. 13: "jung wie sie war ... ", Sophia Freud, Zit. nach ibid., S.
44. "arithmetische Tafeln maschinell zu berechnen ... ", Charles Babbage,
Passagen aus einem Philosophen leben, S. 30 f.
"Zu Beginn des Jahres 1833... ", Sir H. Nicolas, Zit. nach ibid.s.
59.
"Da er in der Zwischenzeit... ", Sir H. Nicolas, zit. nach ibid.,
S. 6o f.
S. 14: "wesentlich von denen der Differenzmaschine
verschieden ... ", ibid., S. 64.
"Sie sind ein so mutiger Mann ... ", Ada Lovelace, September 1843,
Zit. nach Betty A. Toole, Ada, The Enchantress of Numbers,
S. 264.
"Weiss, wieviel nahezu schreckliche Kraft & Energie ...
", Ada Lovelace, Juli 1843, Zit. nach ibid., S. 203. "Gräfin von Lovelace
mit, sie habe diesen Artikel übersetzt ... ", Charles Babbage, Passagen
aus einem Philosophen leben, S. 94 f.
S.15: "Weder kann noch will ich
Sie je unterstützen ... ", Ada Lovelace, August 1843, zit. nach Betty
A. Toole, Ada, The Enchantress of Numbers, S. 218.
"Können Sie sich verpflichten ... ", zit. nach ibid., S. :227.
S. 16: "bisher sehr grosse Angst ...
", Ada Lovelace, September 1843, Zit. nach Dorothy Stein, Ada,
A Life and a Legacy, S. 126.
"Es ist nicht mein Wunsch zu verkünden...", Ada Lovelace, undatiert,
Zit. nach ibid., S. 123.
Matrizen
S. 18: "Die Grenzen eines Buches sind nie sauber... ", Michel Foucault,
Archäologie des Wissens, S- 36"Behandlung eines unregelmässigen
... ", George Landow, Hypertext, S. 123.
"Es muss in die Augen springen, wie mannigfaltig ... ", Ada Lovelace,
Anmerkung D zu Luigi Federico Menabrea, "Grundriss der von Charles
Babbage erfundenen Analytical Engine", in: Bernhard Dotzler (Hrsg.),
Babbages Rechen-Automate, S. 354.
S.19: "Alles und jedes steht ganz natürlich
miteinander ... ", Zit. nach Betty A. Toole, Ada, The Enchantress
of Numbers, S. 296.
Spannungen
S. 19: "nicht mit Schreiben beginnt ... ", Philip und Emily Morrison
(Hrsg.), Charles Babbage and his Calculating Engines, S. xxxiii.
S. 21: "hellen Gittern der Logik ...
", William Gibson, Neuromancer, S. 12.
Diagramme
S. 91: "[Sie] kann alles nachahmen ... ", Karl Sigmund, Spielpläne,
S. 36.
S. 92: "etwas fast ebenso Wundersames entdeckt ... ", Andrew Hodges, Alan Turing, Enigma,
S. 129. "das Geheimnis, das die Frau
in der Kultur repräsentiert ... ", Luce Irigaray, Speculum,
übs. nach Plant.
Eva 1
S. 93: "unbekleidete weibliche Silberfiguren ... ", Charles Babbage,
Passagen aus einem Philosophenleben, S. 13.
"stellte sie in einer Glasvitrine auf einem Sockel", ibid., S. 249.
S. 94: "Da all diese Frauen teil
an dem Künstlichen haben ... ", Jean Marie Villiers de l'Isle Adam,
Die Eva der Zukunft, S. 152 f.
S. 95: "elektromenschliche Kreatur",
ibid., S. 121. "Es bleibt noch eine Gefahr ... ", ibid., S. 76.
Versuche ...
S. 98: "B's Rolle [wird] von einem Menschen übernommen", Alan Turing,
Intelligence Service, S. 160. "Wir wollen unsere Aufmerksamkeit
... ", ibid., S. i59 f. "beantwortete Fragen mit Gegenfragen ", Fah-Chun
Cheong, Internet Agents, S. 278.
"wie treffsicher und einsichtig ELIZA ", Raymond Kurzweil, KI -
Das Zeitalter der künstlichen Intelligenz, S. 16. "Nutzer: die
Männer sind alle gleich ... "; dieser und andere Dialoge sind vom
Netz geladene Zitate.
S. 99: "wird als Verbesserung gegenüber
Eliza betrachtet ... ", Fah-Chun Cheong, Internet Agents, S.
253.
S. 100: "ein interessanterer Agent als Eliza", ibid., S. 274.
"Aufspüren und Abweisen", Sherry Turkle,Leben im Netz.Identität
in Zeiten des Internet, übs. nach Plant.
"Es ist mir nicht ganz klar ... ", Leonard Foner (aus dem Netz geladen).
... und Irrtümer
S. 101: "Wenn du mit deinen Augen sehen könntest ... ", Bladerunner,
Regie Ridley Scott, 1982 (Zitat aus der dt. Fassung).
S. 102: "Rechenmaschinen nur die Aufgaben
ausführen können ... ", Andrew Hodges, Alan Turing, Enigma,
S. 413"je mehr schizo, desto besser läuft es ... ", Gilles Deleuze,
Felix Guattari,Anti-Ödipus, S. 193 (leicht veränderte Übs.).
Eve 8
S. 103: "Aber jetzt gibt es Eve 8 ... ", Eve 8 - Ausser Kontrolle(Originaltitel:
Eve Of Destruction), Regie Duncan Gibbins, 1991 (Zitate aus
der dt. Fassung).
Fallstudie
S. 105: "Die Prüfung macht mit Hilfe ihrer Dokumentationstechniken
... ", Michel Foucault, Überwachen und Strafen, S. 246. "Die
Disziplin ist eine politische Anatomie des Details", ibid., S. 178.
S. 106: "zu einer vielfältigen, autonomen
und anonymen Gewalt...", ibid., S. 228 f.
"verschiedenste Techniken zur Unterwerfung der Körper...",
Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd. i, S. 267. "schreibt
jedem seinen Platz, jedem seinen Körper ... ", Michel Foucault, Überwachen
und Strafen, S. 254 f. "minutiöse Beobachtung des Details ...
", ibid., S. 181. "lernt erst allmählich, was es ist ... ", Michel
Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd. 1, Der Wille zum
Wissen, S. 170.
Eve 8, die nächste
S. 107: "In der Sekunde, vielmehr Nanosekunde ... ", William Gibson,
Neuromancer, S. 176.
"eine Reaktion dieser Art... ", Alan Turing, zit. nach Andrew Hodges,Alan
Turing, Enigma, S. 411.
S. 108: "Ich bin beides... ", ibid., S. 545.
"Fuhr hinunter nach Sherborne... ", ibid., S. 558.
S. 109: "Neben seinem Bett lag ein halber Apfel ... ", ibid., S. 56.
Monster 1
S. 109: "Lord Byron und Shelley führten häufig lange Gespräche ...
", Mary Wollstonecraft Shelley, Vorwort zu Frankenstein oder Der
moderne Prometheus, S. 9 f.
Anna 0
S. 116: ">hysterisch< fast gleichbedeutend mit >weiblich<",
Elaine Showalter, The Female Malady,
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"jede Intensität führt...", Gilles Deleuze, Felix Guattari, Anti-Ödipus,
S. 427
"die Zeichen des Todes...", Gregory Bateson, Geist und Natur, S. 160.
S. 169: "Wenn ein offenes System von
irgend etwas bestimmt ist ... ", Antony Wilden, System and Structure,
v S. 367 ff
"Wenn das Ökosystem Störungen unterworfen ist ... ", ibid., S. 75.
"jede Beziehung System-Umwelt ... ", ibid., S. 369. 170 "Ich fühle
mich immer ... ", Ada Lovelace, März 1841, Zit. nach Doris Langley
Moore, Ada, Countess of Lovelace, S. 98.
Abketteln
S. 260: "kleines bisschen eines anderen Sinns ... ", Ada Lovelace,
März 1841, Zit. nach Doris Langley Moore, Ada, Countess of Lovelace,
S. 98.
"weitere Ausdehnung ... ", Ada Lovelace, September 1841, Zit. nach
Dorothy Stein, Ada, A Life and a Legacy, S. 79. "Vielleicht
kann niemand von uns ermessen ... ", Ada Lovelace, Februar 1840, zit.
nach Doris Langley Moore, Ada, Countess Of Lovelace, S. 96.
"wie vom Donner gerührt von der Kraft ihrer Schreibweise ... ", Ada
Lovelace, Juli 1843, zit. nach Dorothy Stein, Ada, A Life and a
Legacy, S. 110.
sadie plant
nullen + einsen
Aus dem Englischen von Gustav Roßler
Deutsche Ausgabe Berlin Verlag, Berlin 1998 Berlin