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Titel: Buy baby, buy
Autor: Sarah Mansell (London)
Sarah Mansell in einer Unterhaltung mit Rick Poynor, 1999
Buy baby, buy
Sarah Mansell
"Die Schwerpunkte des Magazins Loaded spiegeln eine junge Generation von Männern wieder, die im Schatten der weiblichen Unabhängigkeitsbewegung stehen, diese aber weder annehmen noch verstehen wollen. Was sie interessierte waren Bier, Fussball und verrückterweise Biscuits sowie Frauen, oder vielleicht noch Vögel." - Caroline Roux, Eye no. 24
Um sich besser zu verkaufen, zeigen
britische Männer-Lifestylemagazine wie Arena, GQ, Loaded
und FHM, Frauenfleisch. Ist das die Rache der Lads (Kerle) ? Oder einfach
nur ein Witz ?
Sarah Mansell: Sie sind ein Journalist, der sein
Wissen durch die jahrelange Arbeit im Bereich des Designs und der Bildenden
Kunst erwarb. Können sie als Autor und Herausgeber die britischen Magazine
beschreiben, die in den frühen bis Mitte der 80er die Männer als
Zielgruppe hatten ?
Rick Poynor: Zu Beginn bis Mitte der 80er gab es in England keine Magazine,
die ganz allgemein für ein männliches Zielpublikum bestimmt waren,
abgesehen von einigen Pin-Up Artikeln in "den oberen Regionen der Regale"
wie Mayfair oder Playboy - amerikanische Importe - sowie die
provokanten semi-porno Veröffentlichungen wie zum Beispiel Whitehouse.
Wenn man Ende der 90er nun sieht, wie viele Männermagazine sich verkaufen,
dann ist es leicht zu vergessen, was für ein Durchbruch es war, als die
Macher von The Face für junge Männer 1986 Arena auf
den Markt brachten. Sie errieten intelligenzerweise, dass es ein grosses Publikum
für ein männliches Äquivalent der Frauenmagazine gab. Eine
britische Ausgabe des amerikanischen Magazins GQ, herausgegeben von
CondŽ Nast, folgte 1988. Aber Ende der 80er fürchteten sich beide Magazine
noch davor, weibliches Fleisch zu zeigen. Eher zeigten sie auf den Titelseiten
inspirierende Männer: Architekten, Schauspieler, Sportler.
S.M.: Ich weiss, dass es Ende der 80er einen Schlag" gegen den Feminismus
und die Repräsentation der Frau gab, aber ich frage mich, woher das kam
und inwiefern es zur Schaffung einer neue Generation von Männermagazinen
beitrug.
R.P.:Ich weiss nicht, ob dieser "Schlag" wirklich so wichtig
war wie sie ihn erstellen. Wie ich schon sagte, waren die Männermagazine
anfangs recht vorsichtig. Als Arena im Winter 90/91 seine Coverstory
"Girls!" herausgab, über "die 100 beliebtesten Frauen",
war es für den normalen Leser eine wirkliche Überraschung, verglichen
mit dem, was folgte, war es noch sehr zurückhaltend. Zu diesem Zeitpunkt
wollte niemand sabbernd Bilder halbnackter Frauen betrachten, zumindest nicht
öffentlich. Das war etwas für die Brigade der "oberen Regal
Regionen" und niemand hätte zugegeben, dass er zu dieser Gruppe
gehörte, selbst wenn man heimlich zu den einhändigen Lesern gehörte.
Das Phänomen, über das wir sprechen, kam 1994 mit Loaded. Loaded
traute sich zu sagen: Ja, wir sind im Privaten so und wir sind es müde,
in der …ffentlichkeit eine Maske aufzusetzen. Wir mögen es so, also gewöhnt
euch daran. Dies war eine enorme journalistischen Leistung und sie brauchten
eine gute Portion geistreichen Witz und sie machten es einem schwer zu wiederstehen
- oder man würde aussehen wie ein prüder Langweiler, ein ausgestopftes
Hemd. In kürzester Zeit war Loaded das gefeierte Magazin der Stunde,
jeder las es und andere Herausgeber folgten. Je höher die Brustquote
stieg, desto höher stiegen die Verkaufsraten.
S.M.:Obwohl Magazine wie GQ, FHM, Maxim und Loaded
unterschiedliche Leser ansprechen, von Uppermarket bis zu den Kerlen,
so verkaufen sich doch alle durch die Präsentation von Fleisch, um genau
zu sein weiblichem Fleisch. Frauen als passiv oder verführerisch darzustellen
scheint nur zur Unterhaltung der Männer zu dienen. Glauben sie nicht,
dass das anders gewesen wäre, wenn die Industrie mehr von Frauen beeinflusst
wäre ? Besonders von Frauen, die als Herausgeberin oder Designerin arbeiten
oder beides sind ?
R.P.: Arena wurde in den 90ern von einer Frau herausgegeben: Kathryn
Flett. Die Badeanzugabbildungen nahmen während ihrer Herausgeberschaft
erheblich zu, obwohl Arena ein geschmackvolles und zurückhaltendes Modell
war - verglichen mit anderen. Maxim, eines der krassesten, wurde auch von
einer Frau herausgegeben, Gill Hudson. Im Eye Artikel, als sie über ihre
Rolle als weiblicher Herausgeber befragt wurde, antwortete sie: "Ich
versuche nicht die Menschheit zu verbessern, sondern ein Magazin zu verkaufen."
Man könnte sagen, dass diese Frauen der Männerwelt das gaben, von
dem sie dachten, dass es verlangt wurde. Was jedoch nicht erklärt, warum
sie sich dazu entschieden.
S.M.: Es gibt kein Gesetz, das besagt, dass man als berufstätige Frau
sich für den Feminismus stark machen muss. Wenn man jedoch eine Frau
ist, so kann man sich dem nicht verweigern. In einer Umgebung, die von Männern
dominiert wird oder von männlichen Ideen, ist es jedoch schwer sich durchzusetzten
und viele Frauen akzeptieren, als Sexobjekte gesehen zu werden oder haben
die Einstellung "wenn du sie nicht schlagen kannst, dann verbinde dich
mit ihnen" und benimm dich wie ein Lad oder ein "Mann" in einer
Männerwelt. Das ist woher der Ausdruck "Ladette" ("Kerlin")
zu stammen scheint. Wir sehen sie in der late-night TV Serie The Girlie
Show auf Channel 4 wie auch in ITVs Babes in the Woods - das weiblichen
Gegenparts von Men Behaving Badly, eine britische TV Serie über
zwei Frauen die eigentlich Kerle sind sowie in der Hass-Liebe-Beziehung, welche
die Medien zu Stars wie Ex-Wetteransagerinnen und der augenblicklichen Ansagerin
Ulrika Jonsson haben. Sie ist ein Guinness trinkendes Babe, das alles zu haben
scheint: zersaustes, wunderschönes, offenes, blondes Haar. Manche Frauen
versuchen der männlichen Vorstellung zu entsprechen anstatt ihr etwas
entgegenzustellen. Können sie nicht beides gleichzeitig ? Oder glauben
sie, das auch dies nur ein Medienschwindel ist ?
R.P.: Für einige Zeit schien es, dass manche junge Frauen wirklich zu
Lads werden wollten - so schwätzte die verschlafene blonde TV Ansagerin
Zoe Ball über ihre Trinkgelage etc. Es ist traurig zu sehen, dass sich
einige junge Frauen nach solchen Bildern richten, die ihnen eigentlich nicht
gut tun. Als Vorbilder scheinen diese Menschen doch so uninspirierend, so
flach und fantasielos, aber es ist doch ihre Generation, wie erklären
sie es ?
S.M.: Ich glaube, dass das Benehmen dieser Frauen, so wie es von den Medien
dargestellt wird, mit der Idee vom "Cool sein" zusammenhängt.
Die Klatschspalten sind tagtäglich voll mit den Verrücktheiten der
berühmten Paare. Das sind die wichtigen Informationen, die der Nation
zum verdauen gegeben werden. Dennoch sind diese Menschen nur Modeabhängige,
die sich nicht bewusst sind, inwiefern ihr Benehmen beeinflussbare Teenager
beeindrucken kann. Sie leben lieber in einem selbstgebauten Elfenbeinturm
als als Individuen zu gelten die herausragen und deshalb vielleicht nicht
cool sind.
An diesem Punkt beginnt die Vorstellungskraft unser soziales Benehmen zu formen,
es filtert für uns die Gesellschaft auf jeder Ebene - Musik, Fernsehen
- und zum Schluss wird es die Norm. Heute sind wir schön, wenn wir die
richtigen Kleider tragen. Die Medien sagen jedoch, dass wir auch fähig
sein müssen, sie abzunehmen. Was mich am meisten erschreckt ist jedoch
die allgemein akzeptierte Konformität. Die Popularität solcher Serien
wie Baywatch beschreibt diese Standardisierung sehr gut. Ich frage mich jedoch,
ob wir das Revival der "Miss World Wahlen" hätten vorraussagen
können. Beide Beispiele haben mit schönen Frauen zu tun, die wenig
anhaben. Was für Auswirkungen haben solche von den Medien geschaffene
Berühmtheiten wie Melinda Messenger, der englische Gegenpart von Pamela
Anderson ? Beide sind das Epitom einer von männlichen Sexfantasien geschaffenen
Barbiepuppe, mit riesigen Silikonimplantaten, einem hübschen Gesicht
und einer Menge blondem Haar. Beides sind "süsse" Frauen, die
dadurch Geld machen, indem sie ihren Mund halten. Es geht hier nicht mal darum,
ein Leben darzustellen dass eigentlich auf Nichts basiert, sondern bei dem
es nur darum geht gut auszusehen. Melinda wurde nur deshalb Fernsehansagerin,
weil sie in den Mainstream-Medien so präsent war. Wie viele junge Frauen
werden wohl glauben, das der einzige Weg um berühmt zu werden der ist,
sich Implantate einsetzen zu lassen und dann von den richtigen Menschen gesehn
zu werden ? Natürlich gibt es einige Abbildungen in den Magazinen, die
von einigen akzeptiert werden und von anderen nicht, aber wenn man seine Kleider
ausziehen muss um berühmt zu werden, dann stimmt etwas nicht.
R.P.: So, wie sie es jetzt darstellen, scheint es unser aller Ziel, besonders
das junger Frauen, zu sein berühmt zu werden, im Sinn einer Medienberühmtheit.
Dieser Wunsch nach Medienberühmtheit, unabhängig von dem, was man
eigentlich erreicht hat, als einziger Index für Selbstbestätigung,
ist doch genau das, was wir Magazinen wie Loaded vorwerfen zu unterstützen.
Die Regenbogenpresse ist sich diesem Hunger nach Berühmtheit wohl bewusst
und kann sogar aus diesem Hunger eine "Story" machen. In letzter
Zeit sehen wir immer öfters junge Frauen im Fernsehen, die unbedingt
berühmt werden wollen, über die man sich aber lustig macht, weil
sie scheinbar nicht das haben, was man zum Berühmtsein braucht. Seine
Kleider auszuziehen scheint hierbei Teil des Spiels zu sein. Wenn man berühmt
werden will, dann ist das scheinbar notwendig und manche Frauen behaupten
(zumindest in der Boullevardpresse), das es ihnen weitergeholfen hat. Also
nach was suchen wir, sicher nicht nach anderen Wegen eine "Berühmtheit"
zu werden (ein widersprüchlicher Terminus), sondern eher nach anderen
Weisen zu erkennen, wie man sich selbt schätzen lernt als erfolgreiche
individuelle Frau.
S.M.: Loaded hat gesagt, dass es postmodern sei und ein ironisches
Bild unserer zeitgenössischen Kultur wiedergibt. Jedoch scheint es die
Kultur, die es repräsentiert, nicht kritisch zu betrachten. Als Leser
bekommen wir keine Alternative zur Idee angeboten, das sich Sex verkauft.
So bieten auch Designerkleider die Möglichkeit für Sex und jeder,
der damit in Verbindung steht, gilt als schön (jedoch auch hier gibt
es eine ganz bestimmte Vorstellung von Schönheit) und natürlich
auch reich. Die Darstellung von Männern und Frauen in diesen Publikationen
ist meiner Meinung nach falsch.
R.P.: In diesen Magazinen gibt es natürlich einige Probleme, die über
die Darstellung von sexuellen Vorstellungen hinausgehen. Sie sind Konsumentenartikel,
die zur Vermarktung geschaffen wurden. Ihre Herausgeber vertreten die gleichen
Wertvorstellungen wie die Werbeindustrie, durch die sie unterstützt werden.
Deshalb ist es auch keine Überraschung, das sie gewisse Frauendarstellungen
nutzen, um sich besser zu verkaufen. Ich würde nicht gerade in solchen
Magazinen nach einer freien, kritischen Herausgeberdiskussion suchen. Deshalb
glaube ich auch nicht, dass weibliche Herausgeber diese hoch kommerziellen
Magazine als Propagandvehikel zur Unterstützung weiblicher Ideen benutzen.
Wenn sich eine Gruppe von Frauen es für wichtig halten sollte, dem etwas
entgegenzustellen, so hält sie niemand davon ab ein weibliches Magazin,
das für Männer bestimmt ist, zu schaffen, unabhängig von den
augenblicklich existierenden Marktgegebenheiten. Ich sehe jedoch nicht, dass
so etwas eingerichtet wird - sehen sie es ?
S.M.: Nein, ich sehe es nicht, aber was für mich interessant ist, ist
dass sie hinter diese Illustrationen zu sehen scheinen. Das hat nichts mit
Sexismus zu tun, sondern mit dem Verkauf von Gegenständen durch ein Magazin.
Der Punkt ist, dass wer auch immer für ein Magazin verantwortlich ist,
seien es die Herausgeber oder Werber, sie jede Möglichkeit nutzen, um
ihre Produkte und Magazine zu verkaufen. Im Augenblick ist es Sex, der den
Verkauf ankurbelt, wer weiss, was es in Zukunft ist.Der Gebrauch von Bildern
in Loaded scheint vorsichtig konstruiert zu sein: begonnen mit dem Styling,
den abgebildeten Kleidern, dem fantastischen Make-Up und sogar der Art und
Weise, wie die Modells sich der Kamera präsentieren. Die Aufmachung dieser
Maskeraden, unterstützt durch aufreisserische Überschriften, produziert
nur eine einzige Bedeutungsebene. Man könnte sagen, das wir die Zeitschriften
nur wegen des Fantasieelements kaufen. Für mich ist das Fehlen von Realität
nicht wirklich das Problem, viel mehr denke ich, dass mir diese Fantasiewelt
nur eine Möglichkeit anbietet wie ich mein Leben zu leben habe und das
wir als Verbraucher dies alle so und nur so zu machen hätten. Richtige
Frauen, die stark und erfolgreich sind, werden von diesen Magazinen ausgeschlossen.
Loaded zeigt den Männern einen James Bond Lifestyle, der schicke erotische
Begegnungen zeigt, teure Reisen, Designerkleider und Accessoires - ohne jegliche
Unannehmlichkeiten. Ich frage mich, was ein durchschnittlicher Sechzehnjähriger
über die Darstellung von Frauen in solchen Magazinen denkt. Denn diese
scheinen doch junge Männer und junge Frauen stark zu beeinflussen.
R.P.: Ich stimme ihnen zu, diese Magazine vermitteln ein sehr beschränktes
Weltbild. Sie stellen das Leben rein materialistisch dar. Sie scheinen andere
Möglichkeiten nicht wahrzunehmen oder machen sich offen darüber
lustig. Sie unterstützen eine kurzsichtige gesellschaftliche Konformität
indem sie sich so darstellen, als würden sie eine hedonistische Verbraucherfreiheit
feiern als Weg zur Selbsterfüllung. Aber was, glauben sie, macht diese
Magazine für ihre Leser so unwiederstehlich ?
S.M.: Ich glaube, sie erlauben "Männern Jungs zu sein", in
einer Welt der Erwachsenen. In einer Umwelt, die uns ermutigt, uns vom Äquivalent
der Unterwäscheseiten eines Katalogs inspirieren zu lassen und uns das
neueste Designerspielzeug zu kaufen, wer würde es wagen, etwas gegen
eine Publikation zu sagen, die unsermutigt immer mehr zu wollen, wollen, wollen.
Ich glaube jedoch nicht, dass jeder Leser der Magazine die eigentlich Message
von diesen sieht: kaufen, kaufen, kaufen. Wenn man ein Magazin wie Loaded
unterstützt ist es der erste Schritt dahin die Produkte, die es präsentiert,
zu besitzen. Dahinter steht natürlich der Wunsch, den "Fantasie"-Lifestyle
zu besitzen, den diese Objekte versprechen.Dieser mythische Lifestyle ist
nicht auf die Magazinkultur allein beschränkt. So litt die Berühmtheit
und britische Pop Star Robbie Williams nicht nur an Alkohol- und Drogensucht,
sondern machte noch parallel dazu in den Medien Kommentare über das Sexleben
anderer Menschen. Trotzdem verkauft er Millionen von Platten und wird als
der Mann gefeiert den fast jede Frau gerne ihrer Mutter vorstellen würde.
Die Popularität der Fernsehserie Men Behaving Badly unterstützt
die Vorurteile gegen und das oberflächliche Denken über Frauen und
Sex, andererseits unterstützt es Fluchen und Biertrinken.
R.P.: Nun gut, die allgemeine Reaktion auf Men Behaving Badly (ich
muss zugeben das die Serie teils schon komisch ist) schien doch folgende zu
sein: Ah! Was für eine Erleichterung, endlich eine TV Sitcom, die mal
die Wahrheit über die Männer sagt. Wie bei Loaded waren wir dazu
eingeladen, die männliche Psyche und das männliche Benehmen kennenzulernen,
natürlich vom Programm stark fehlerhaft dargestellt - aber deshalb nur
um so liebenswerter. Warum verlassen die zwei Frauen nicht die beiden Idioten
? Das beschränkte Universum des Programms möchte uns glauben machen,
dass dies das beste ist, was man kriegen kann.
S.M.: Ich glaube wenn wir uns diese beiden Charaktäre ansehen, so sehen
Männer wie auch Frauen etwas Familiäres in ihnen. Ihre Leben sind
amüsant, weil sie nicht unsere eigenen sind. Und weil sie uns so bekannt
erscheinen, so normal und irgendwie akzeptiert werden sie cool.Um den Wettkampf
des Verkaufs von Magazinen zu gewinnen ist das zur Schaustellen von Fleisch
und die stereotype Präsentation, durch die wir dargestellt werden, so
normalisiert worden, dass dadurch inzwischen das gesellschaftliche Modell
verändert worden ist. Die Darstellungen werden nicht hinterfragt sondern
einfach nur belächelt. Ihre allgemeine Akzeptanz erlaubt der Werbung
eine ähnliche Haltung einzunehmen. Die Realität ist, dass, wie Caroline
Roux es nennt, "Frauenbrüste die Auflage bestimmen", wie können
wir das je ändern ? Ist es nicht viel zu schwierig, die Bildkultur dieser
Magazine zu ändern ?
R.P.: Ja, das ist ein Problem. Die Bildkultur dieser Magazine ist Ausdruck
der Gesellschaft und gleichzeitig - wie in einem Teufelskreis - deren Trendmacher.
Es wird keine Veränderung über nacht stattfinden. Betrachten sie
einmal die Situation davor. Die Zurückhaltung, die davor in der britischen
Presse existierte und die heute von einigen als "politische Korrektheit"
belächelt werden würde, war das Ergebnis einer riesigen Medienkampagne
und - diskussion der Femministinnen in den 60ern und 70ern.Am Anfang der 80er,
als ich in den Magazinen zu arbeiten begann, mit ein paar Computerartikeln,
hatten die britischen Journalisten eine nicht-sexuelle Einstellung entwickelt.
Wie auch immer die persönlichen Meinungen aussehen mochten. Dies war
von der National Union of Journalists festgelegt worden, der die meisten angehörten.
Ich erinnere mich daran, dass ein männlicher Herausgeber eine Werbeanzeige
für eines der führenden Computermagazine ablehnte, weil es das Bild
einer leicht gekleideten Dame zum Verkaufen von Hardware benutzte. Die Werberedakteure
mussten zu den Werbern zurückgehen und ihnen sagen, dass wir die Anzeige
so nicht veröffentlichen würden. Diese Einstellung war immer noch
da, als Arena eingeführt wurde und deshalb wurden hier anfangs nicht
einmal angezogene Frauen gezeigt. Ich glaube nicht, dass wir wieder zu einem
ähnlichen Bildgebrauch zurückkehren werden, ausser einige starke
Frauen (wie die frühen Femministinnen) zwingen uns dazu.
S.M.: Wir sprechen hier über Mainstream Publikationen und Magazindesign,
meiner Meinung nach die hier gebrauchte, hoch stilisierte Form der vorsichtig
konstruierten Bildsprache, die eine ganz spezielle Einstellung gegenüber
Frauen hat, die akzeptierte Form der Pornografie. Die hier abgebildeten Frauen
wurden wegen ihrer fehlenden Talente ausgesucht und leicht bekleidet in verschiedenen
Posen gezeigt. Legitimiert durch ein seriös erscheinendes Interview oder
einen Artikel, in dem die Sängerin oder das Starlet über seine Weltvorstellung
oder Lifestyle spricht. Anstatt Pornografie werden bekannte Gesichter aus
Fernsehen und Radio gezeigt. Die Message ist jedoch, das diese Frauen immer
dazu bereit sind, für ein oder zwei Fotos die Hüllen fallen zu lassen.
So als sei dies ganz normal für sie und Teil ihres Jobs. Durch die Präsentation
eines sexuellen Inhalts und dem Gebrauch von Einzeilern wie "Purer Sex"
und "Sie kanns" werden wir daran erinnert, dass Pornografie oder
Sex gute Verkäufer sind. In diesem Fall verkaufen sie Designerkleider
und luxuriöser Lifestyle.Ich finde diesen kontrollierten und systematischen
Ansatz verlogener als die pornografischen Magazine. Denn dieser Trick erlaubt
es, Loaded nicht nur akzeptiert zuwerden, sondern noch als cool zu erscheinen.
Während Pornografie etwas "anderes" ist, das noch immer nicht
akzeptiert werden kann. Die Scheinheiligkeit der zeitgenössischen Kultur
ist erschreckend.
R.P.: Natürlich beeinflusst Pornografie diese Männermagazine. Wie
wir schon in Eye zeigten, sind die Posen der Modelle von denen der
Softpornopublikationen abgeschaut. Einer der beliebtesten Tricks der Männermagazine
ist es einen Journalisten an einen Pornofilm-Drehort zuschicken, oder zu den
US Porn Film Awards, um die "Story" zubekommen. Das erlaubt den
Magazinen die pornografische Atmosphäre und die verbotene Erregung einzufangen
und nachzuempfinden, ohne es wirklich tun zu müssen. Das Ergebnis ist,
das eine Normalisierung stattfindet, natürlich teile ich ihr Empfinden,
dass die eigentliche Pornografie "ehrlicher" ist. Das ganze ist
jedoch sehr komplex. So sind viele Pornobefürworter Akademiker, die sich
ständig mit Antipornovertretern wie Andrea Dworkin und Catherine MacKinnon
herumschlagen, die jegliche Pornografie als unakzeptabel befinden.
.
S.M.: Um mit einer rhetorischen Frage zu enden: Kann Design je ein harmloser
Spass sein ?
R.P.: Natürlich. Aber wir leben in einer sehr zynischen und wissenden
Zeit, die ihre wahren Absichten hinter attraktiven, verführerischen
Gesichtern zu verbergen weiss. Die eigentliche Herausforderung ist herauszufinden,
wann der "harmlose Spass" etwas zu verbergen versucht, das in
keinster Weise spassig ist.
Rick Poynor (rpoynor@dircon.co.uk), lebt und arbeitet in London. Rick schreibt für Design-Magazine in der ganzen Welt, zur Zeit ist er Gastprofessor am Royal College of Art in London.
Sarah Mansell, lebt und arbeitet in London, sie setzt sich kritisch mit der Visual Culture auseinander und hinterfragt die Stereotypen des zeitgenössischen Designs.