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Titel: Not For Sale: Feminismus und Kunst in den USA der Siebziger
Jahre
Autor: Laura Cottingham, 1998
Text aus der Apex Art Brochüre zur Entstehung des Videoessay, Not For Sale
Not For Sale: Feminismus und Kunst in den USA der Siebziger Jahre
Text aus der Brochure für Apex Art zur Entstehung des Videoessay, Not For Sale
von Laura Cottingham, 1998
Zur Entstehung von Not For Sale
Es war die Sehnsucht nach Geschichte – Geschichte zu kennen, anzuerkennen,
und aktiv herzustellen, die mich motivierte, die Arbeit zu beginnen, die sechs
Jahre später in ein 90-minütiges Video mit dem Titel Not
For Sale: Feminism and Art in the USA during the 1970s mündete.
Bevor ich mit diesem Projekt begann, war die zeitgenössische Kunst mein
Hauptschwerpunkt. Obwohl die Grundlage meiner Arbeit auch in bezug auf feministische
Belange sich schon in jenem Moment etablierte, als ich in den frühen
80er Jahren – während ich noch das College besuchte – begann,
Kunstkritiken zu schreiben, dauerte es bis 1992, bevor ich Sinn darin sah,
mich der „feministischen Dekade“ zuzuwenden. Ich beobachtete einen
Nachhall der 70er Jahre in den zeitgenössischen Werken von Janine Antoni,
Cheryl Dunye, Ava Gerber, Sue Williams, Lynne Yamamoto und anderen Künstlerinnen,
was mir bewusst machte, wie wenig ich über die feministische Kunstbewegung
wusste. Im Licht des Umstands, dass die späten 60er und frühen 70er
Jahre einen Moment in der amerikanischen Geschichte darstellten, in dem Frauen
sich erstmals bewusst als politische Gruppierung verstanden, und sich für
ihr Recht einsetzten, als bildende Künstlerinnen an der kulturellen Produktion
teilzunehmen, schien es mir unbedingt notwendig, diesen radikalen Aufbruch
zu lokalisieren, ihn hinsichtlich seines Aufkommens zu situieren, und seine
Erscheinungsformen nach außen zu bewahren, bevor es zu spät war.
Die Rückkehr zu den 70ern erlaubte mir – über die Beziehung
zu meiner beruflichen Praxis als Kunstkritikerin hinaus – einen Zugang
zu meiner eigenen autobiografischen Geschichte. Als Teenager während
der 70er prägte diese Dekade meine frühesten, selbständig angenommenen
Überzeugungen. Obwohl ich zu jung war, um als aktive Zeugin der 60er
Jahre zu gelten, habe ich dennoch sehr lebendige Kindheitserinnerungen an
die Ereignisse um 68, an den Einfluss der Frauenbewegung, an die Mobilisierung
für Bürgerrechte und Black Power, Anti-Militarismus und für
die Rechte der StudentInnen, für Schwulenrechte, und an die allgemeine
Herausforderung der Autoritäten, die in den Vereinigten Staaten während
der 60er und 70er aufkam. Es bleibt einem nichts anderes, als die noch nicht
getane Arbeit, die Veränderungen, die noch geschehen müssen, die
politischen Spannungen, die immer noch ungelöst sind, wieder ins Blickfeld
zu rücken. Wo und wie befinden wir uns – individuell und kollektiv
– innerhalb dieses Prozesses, der Geschichte genannt wird?
Politik und Kunst teilen beide eine grundlegende Prämisse, die letztlich
in einer Betrachtung von Werten besteht; und auch darin, dass man gemäß
dem Umstand, welche Ressourcen verfügbar oder nicht verfügbar sind,
definiert und ausgebeutet wird. In der Überschneidung von Politik und
Kunst, durch welche das Aufkommen der feministischen Kunstbewegung ermöglicht
wurde, waren die vielfältigen und oft widersprüchlichen künstlerischen
Positionen, die von ihren Teilnehmerinnen eingenommen wurden, sehr unterschiedlich,
und eher durch eine offensichtliche Abwendung vom und Wendung gegen den Greenbergschen
Formalismus bestimmt, als von irgendeiner anderen gestaltenden Nomenklatur.
Not For Sale stellt Kunst, Künstlerinnen und Aktivitäten
der feministischen Kunstbewegung (wieder) vor. Viele zeitgenössische
künstlerische Strategien und Produktionsformen, die in den 90ern als
selbstverständlich angesehen werden – darunter Videos und Performances,
aktivismus-basierte Praktiken, kollektive Kunstprojekte, Skulptur und Malerei,
die Material und Prozesse beinhalten, die zuvor als Handwerk abgetan wurden,
die Autobiografie als Thema, archiv-basierte Installationen, und Untersuchungen
im Bereich der Identitätspolitik wurden zuerst innerhalb der weitgefächerten
Ästhetiken und Praktiken der feministischen Kunstbewegung eingeführt
und verfochten. Obwohl das signifikanteste Vermächtnis der feministischen
Kunstbewegung – die Konstruktion einer vorsätzlichen weiblichen
Subjektivität, und die Forderung, dass Frauen in der Rolle von Künstlerinnen
an der kulturellen Produktion teilnehmen sollten – oft naiv, instabil,
widersprüchlich und unvollständig war, so veränderte es dennoch
unwiderruflich die Begriffe kultureller Produktion, und die Ästhetik
der amerikanischen Moderne.
Ein Grossteil der Forschungsbasis für Not For Sale
stammt aus den privaten Archiven der feministischen Künstlerinnen der
70er Jahre, die jene für sich selbst und ihre Anhängerinnen angelegt
hatten. Das Teilen von Dia-Reproduktionen war eine der Antworten der feministischen
Kunstbewegung. Obwohl das Standardformat für die Recherche der Kunst
aus den 70ern 35mm-Dias waren, ist dieses Format in den Vereinigten Staaten
mit dem Medium Video nicht sehr kompatibel, und so wäre Not For
Sale ein ziemlich anderes Produkt, wäre es literarisch und
nicht eine virtuelle Ausstellung. Wie bei jedem historischen Projekt beeinflusste
die Art der Dokumentation – die buchstäbliche Materialität
der Dokumente, ihre Zugänglichkeit, Lesbarkeit und Reproduktionsqualität
– in großem Ausmaß nicht nur die Parameter meines eigenen
Wissensstandes als Forscherin, sondern auch die Möglichkeiten, diese
Information in die spezifischen Begriffe von, in diesem Fall Video, zu transferieren.
Weil so wenige Frauen in den 70ern für ihre Kunst kommerzielle Unterstützung
fanden, war ein beträchtlicher Teil der Kunstwerke, die ich ortete, mittels
minderwertiger technischer Verfahren reproduziert und unter ebensolchen Bedingungen
aufbewahrt worden. Selbst die Arbeiten, die mit dem damals neuen Medium von
Video und Performance hergestellt wurden, zeigten sich oft gegen den Versuch
resistent, in den 90ern auf Video historisiert zu werden, da viele Performances
absichtlich nicht aufgezeichnet worden waren (aus Rücksicht gegen eine
Ästhetik, die ausschließlich auf einer Echtzeit-Erfahrung beruhte),
während andere zeit-basierte Werke, die dokumentiert worden waren, in
einem Halbzoll Band-zu-Band-Verfahren produziert, in weiterer Folge nicht
auf ein Videoformat kopiert wurden und daher buchstäblich verloren waren
(die erste Generation an Videobändern ist – ähnlich der Polaroidfotografie
– kurzlebig), oder nur teilweise wieder hergestellt werden konnten.
Die Arbeit an Not For Sale hat mich einer Realität näher
gebracht, die hinter dem Mythos der Möglichkeiten einer revisionistischen
Geschichtsschreibung steht, besonders wenn diese zur Zielsetzung hat, politisch
marginalisierte kulturelle Produkte und Ereignisse aufzudecken. Obwohl eine
revisionistische Lesart dominanter kultureller Artefakte wahrscheinlich ist,
oder wenigstens möglich, so bleibt doch eine revisionistische Wiedergewinnung
marginalisierter kultureller Güter unwahrscheinlich und schwierig. Trotz
verschiedener Hindernisse, die sich der Historisierung in den Weg stellten,
machen die Kunst und die Künstlerinnen, die in Not For Sale
gezeigt werden, weniger als 5% des Archiv-Bildbestandes aus, den ich zusammengestellt
habe – selbst wieder nur ein kleiner Bruchteil der sozialen Aktivitäten,
der Malerei, politischer Organisationsformen, Skulptur, Podiumsdiskussionen,
Performances, Videos, bewusstseinsfördernder Sitzungen, Postsendungen,
aktivistischer Aktionen, Installationen und anderer Kunstaktivitäten
aus, die als Antwort auf und zeitgleich mit der feministischen Kunstbewegung
stattfanden, die während der 70er überall in den Vereinigten Staaten
entstand. Während meiner Recherche war mir bewusst, dass ich die Begriffe
des Ausschlusses, die gemäß einer „Mehrheitspolitik“
diktiert werden, nicht wiederholen wollte. Obwohl die meisten Frauen, die
in der feministischen AktivistInnen- und Kunstbewegung aktiv waren, weiß
und heterosexuell waren, nahmen seit dem Beginn des Second Wave-Feminismus
auch Nicht-Weiße und Lesben aktiv daran teil, und ich wollte, dass Not
For Sale dies widerspiegelt.
Obwohl es sich um eine nationale Bewegung handelte, konzentriert sich Not
For Sale vor allem auf Aktivitäten, die in und um New York und Los
Angeles stattfanden. Dennoch fehlen einige Ereignisse, die für die Zielsetzungen
von Not For Sale von offensichtlicher historischer Relevanz sind,
weil es mir nicht möglich war, vorhandene oder funktionierende visuelle
Dokumente zu finden. Darunter sind Kunstwerke sowie bedeutende öffentliche
Ereignisse, wie der erste feministische Protest gegen die Diskriminierung
von Frauen durch größere Museen. So lancierten z.B. im Jahre 1970
Mitglieder des Ad Hoc Women Artists Committee eine mutige, ausdauernde und
erfolgreiche Aktion gegen den Ausschluss von Frauen aus dem Whitney Museum
of American Art's Collection and Annual. Im selben Jahr protestierten Frauen
in Los Angeles gegen die ausschließlich mit Männern besetzte Ausstellung
"Art & Technology" im Los Angeles County Museum of Art. Die
umfangreiche schriftliche und mäßige fotografische Dokumentation
dieser Ereignisse konnten nicht einfach auf Video übertragen werden,
doch sie werden im Not For Sale-Begleitbuch (Èditions Blocnotes,
Paris) erscheinen, das zusätzliche Textbeschreibungen und Dokumentationen
sowie Reproduktionen von Kunst enthalten wird, die auf dem Videoband nicht
oder nur kurz bzw. auszugsweise zu sehen sind.
Auch meine eigenen ästhetischen und politischen Interessen bestimmten
zusätzlich den Auswahlprozess. Ich wählte Arbeiten aus, die mich
beeindruckten, und auch solche, die die dominierenden ästhetischen Tendenzen
und künstlerischen Untersuchungen der Bewegung am besten repräsentieren.
Die Teilnehmerinnen der feministischen Kunstbewegung kamen aus unterschiedlichen
künstlerischen und Bildungs-Hintergründen. Manche wollten traditionelle,
aus europäischen Vorlagen hervorgehende Medien, darunter Malerei und
Skulptur, mittels ihres feministischen Bewusstseins verändern, andere,
vor allem afroamerikanische Künstlerinnen, versuchten, nicht-europäische
Ästhetiken und Werte in das visuelle Vokabular Amerikas einzuführen.
Wieder andere vermieden das Herstellen von Objekten zugunsten performativer
Strategien vollständig, sie traten für die Videokunst als neuen
Grenzwert künstlerischer Demokratie ein, forderten eine Abschaffung der
Unterscheidung von Handwerk und Kunst, vereinigten die Ziele künstlerischer
Freiheit mit jenen des politischen Aktivismus, oder entwickelten eine Ästhetik,
die auf einem Verständnis basierte, das weibliche Erfahrung und weiblich-codierte
Arbeiten, den weiblichen Körper, Frauengeschichte und individuelle Autobiografie
als Fundamente der feministischen Kunst einführte. Obwohl die Parameter
der feministischen Kunstbewegung gemäß spezifischer historischer
Determinanten erfasst werden können, wie z.B. Ausstellungen, Versammlungen,
individuelle Produktionen, Briefe, Publikationen und andere Dokumente, war
die Bewegung zunächst weit davon entfernt, eine geschlossene Front zu
bilden. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihren Teilnehmerinnen –
von denen manche in Not For Sale offen ausgetragen werden, während
andere der Vorstellung des Zusehers/der Zuseherin überlassen werden –
sind also elementar als Definitionsgrundlage, wie auch der Konsens, der die
Bewegung über ideologische Brüche, individuelle Frustrationen, und
einem generellen Mangel an Zugang zu signifikanten ökonomischen oder
institutionellen Ressourcen in Gang setzte und am Leben erhielt. Die an der
feministischen Kunstbewegung der 70er Jahre Beteiligten waren motiviert, die
der Kunstproduktion zugrundeliegenden Lehrsätze zu verändern, darunter
die Herstellung, kritische Bewertung, Veröffentlichung, Distribution
und historische Erhaltung von Kunst über Begriffe hinaus, die vom Sexismus
diktiert werden. Man muss sich der Herausforderung, die sie eröffnet
haben, immer noch stellen.
Laura Cottingham, New York 1998