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Interview mit Shweta Shetty

(Indische Popikone, Hamburg / Bombay)


Ruby Sircar: Zuerst würde ich gerne etwas über Dein bald erscheinendes Album erfahren.

Shweta Shetty: Das neue Album wird diesen Sommer, im August, bei Orbit erscheinen, produziert von Dave Roth und Stephan Aurel. Der erste Song, der als Single im April erscheint heisst "Jaane Ja", das bedeutet Liebling in Hindi. Es wird das erste Album sein, das in Deutschland von einer indischen Künstlerin erscheinen wird. Folgen werden auch einige Videoclips zum Album. Es ist eigentlich ein englischsprachiges Album mit einigen Hindiphrasen, die aus dem englischen Text herausstechen. Die Struktur des Albums baut auf indischen Einflüsse auf, zum Beispiel einem Alaap etc. Es hat aber auch andere westliche Einflüsse, somit ist es ein indisches, ein Pop und auch ein Dancefloor Album.

RS: Popalben mit asiatischen Einflüssen sind auch von westlichen KünstlerInnen und MusikerInnen gemacht worden.

SS: Ja, KünstlerInnen wie Madonna und Prodigy haben auch schon mit indischer Musik gearbeitet, Madonna hat sogar schon ein Lied in Sanskrit produziert, aber das sind westliche KünstlerInnen, die hauptsächlich für ein westliches Publikum produzieren und indische Elemente nur zeitweilig in ihrer Musik aufnehmen. Bisher habe ich für ein hauptsächlich indisches Publikum produziert, jetzt werde ich einen neuen Markt für mich erschliessen, der nicht ausschliesslich indisch ist.

RS: Was ist Dein musikalischer Hintergrund, wie begann Deine Karriere?

SS: Ich komme aus einer süd-indischen Familie und begann mit 14 Jahren mit klassisch-indischem Gesang. Meiner Mutter lag sehr viel daran, uns die bestmögliche Ausbildung zu ermöglichen. Anfangs war es schwer, doch dann entdeckte ich die Möglichkeiten ausserhalb der klassischen Musik. Damals begann ich in Musicals aufzutreten, zur gleichen Zeit experimentierte ich auch mit Stilen ausserhalb der klassischen Musik, wie Soul und Pop. Für die Menschen im Ausland ist es oft schwer, sich Inder vorzustellen,die ausserhalb der Klischee-Vorstellungen funktionieren . Obwohl ich eine recht raue Stimme habe, ist es mir möglich,verschiedenste Höhen und Tiefen abzudecken, wahrscheinlich auch durch meine klassische Gesangsausbildung. Für viele Ausländer ist so eine Bandbreite bei einer populären indischen Sängerin unvorstellbar. Meine eigentliche Karriere begann mit A.R. Rahaman. Ich hatte das Glück ,von Anfang an für und mit jemandem wie ihm zu arbeiten. Während des letzten Jahrzehnts war er einer der wichtigsten Figuren in der populären indischen Musikindustrie.

RS: Deine Stimme ist recht ungewöhnlich für eine indische Sängerin, denkt man an Lata oder Asha, ich glaube auch, dass es A.R. Rahaman nur mit dieser Stimme wirklich möglich war, so eine Veränderung in der Struktur der indischen Filmindustrie herbeizuführen. Soweit ich mich erinnere, war der Soundtrack zu "Rangeela" nur wegen eben Deiner Interpretation so grossen Erfolg.

SS: Meine Stimme ist wirklich nicht das, was man vielleicht erwartet. Sie ist untypisch im Geschäft, denke nur an "Mangta Hain Kya" ! Zum ersten Mal war es einer Playbacksingerin erlaubt, völlig frei zu interpretieren, so wie sie es fühlte. A.R. Rahaman liess mich den Song so bearbeiten, wie ich es für wichtig hielt... in meiner Interpretation. Es war nicht der Standard in der Soundtrackindustrie, aber Publikum und Kritiker fanden es gelungen.

RS: Deine Interpretationen ermöglichten es, dass sich eine neue Frauenstimme etablieren konnte.

SS: Ich war eine der ersten InderInnen, die die Möglichkeit hatten, zum Beispiel die Songs "black" zu singen und zum ersten Mal sang eine Inderin nicht "indisch" zu westlicher Musik, sondern verband beide Elemente. Die Musik selbst war auch etwas Besonderes, zum Beispiel in "Rangeela", hier wurde indische Musik mit Rhythm 'n' Blues verbunden.

RS: Wie entwickelte sich Dein eigener Stil nach Deiner klassischen Ausbildung?

SS: Nach "Roja" war mein nächster grosser Schritt "Rangeela". Es war ein Experiment, das äusserst erfolgreich war, es ist bisher das erfolgreichste Soundtrackalbum der indischen Filmgeschichte gewesen. "Rangeela" wie auch "Roja" wurden beide von A.R. Rahaman produziert, als Rhythm 'n' Blues beeinflusste Arbeiten, danach arbeitete ich mit bhangra Elementen - zu sehen auch in "Bichoo", der im April in die Kinos kommt. Mit Bhangra zu arbeiten, fand ich aus verschiedenen Gründen interessant, unter anderem, weil es zur indischen Folk Music gehört und in Indien eine Renaissance erlebt, wie vielleicht der Schlager zur Zeit in Deutschland.

RS: Du bist in Indien sehr erfolgreich, warum hast du dich entschlossen ins Ausland zu gehen?

SS: Die Frage ist mir schon des öfteren gestellt worden: Wegen meinem Mann, er ist Deutscher. Als ich mich entschied hierher zu kommen, erwartete ich nicht, dass sich meine Karriere weiterentwickeln würde, besonders nicht in Deutschland, wo es keine wirklichen Links zu indischen Pop Musik gibt (betrachtet von der Produktionsseite). Ich hatte jedoch Glück, konnte mit Orbit in Hamburg arbeiten. Vielleicht kann meine Karriere jetzt sogar auf einer grösseren internationalen Ebene fortgeführt werden. Gleichzeitig ist es auch einfacher, ein nicht ausschliesslich indisches Publikum anzusprechen, wenn man ausserhalb von Indien lebt, da der indische Markt in Indien doch recht in sich geschlossen ist. Deshalb ist es eine gute Gelegenheit ,die Möglichkeiten in der Medienstadt Hamburg zu haben, international zu arbeiten. Man darf auch nicht vergessen, dass Deutschland nach den USA und England den grössten Musikmarkt hat.

RS: Gibt es für Dich als Frau einen Unterschied in Deinem Leben, Deiner Arbeit, hier und in Indien?

SS: Ich habe nie eine negative Erfahrung als Frau während meiner Arbeit in der indischen Musikindustrie gemacht. Vielleicht hängt das aber auch mit meiner Arbeitseinstellung und meinem Hintergrund zusammen. Meine Familie hat mich immer sehr verwöhnt. Wir hatten zu Hause immer alle Freiheiten, die wir wollten - so hatte ich auch keine arrangierte Heirat. Trotzdem waren meine Schwestern alle mit 23 verheiratet und hatten ihre eigenen Familien. Obwohl meine Eltern getrennt lebten, wohnten wir alle im selben Haus und hatten ein sehr herzliches Familienleben, vielleicht kommt daher mein starker Familiensinn und der Entschluss selbst meine Karriere für eine eigene Familie aufzugeben. Als ich mich dafür entschloss, nach Deutschland zu kommen, warnte mich meine gesamte Umgebung. Jeder meinte, es wäre unmöglich hier ohne Diener etc zu leben und die ganze Hausarbeit selber machen zu müssen. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Es macht mir sogar Spass, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen und Sprachunterricht zu nehmen. Natürlich wirst Du als bekannte Künstlerin in Indien von der Öffentlichkeit anders wahrgenso ommen, als hier, aber die Arbeitsbedingungen sind nicht wirklich verschieden. Ich glaube, es hängt immer auch davon ab, wie du Dich selbst präsentierst. So solltest Du zum Beispiel Deine Arbeitskollegen nicht gleich als Deine Familienmitglieder sehen, ein typischer Fehler in Indien. Natürlich gibt es Frauen, die gewillt sind alles für eine Karriere zu machen. Ich glaube auch, dass Frauen heute
in der Musikindustrie anders behandelt werden . Wenn Du auf einer Ebene mit A.R. Rahaman, Anu Malik oder Anand Millind arbeitest , wirst Du als gleichberechtigte Künstlerin gesehen und behandelt. Der Unterschied zu Deutschland ist vielleicht die Unpünktlichkeit, die auf Kosten der Mitarbeitenden geht. Frauen meiner Generation haben wahrscheinlich auch einen anderen Ausgangspunkt, vielleicht bedingt durch die Erziehung zur Karriere (verglichen mit SängerInnen wie Lata und Asha). Trotzdem glaube ich nicht, dass der Beginn einer Karriere heute schwieriger oder leichter als damals ist.

RS: Wie hat sich die indische Musik und Musik Clip Industrie, verglichen mit der Film- und Fernsehindustrie in den letzten Jahren entwickelt?

SS: Wie Du wahrscheinlich weisst, hat Indien den grössten Musikmarkt weltweit. Die Pop Musik war Teil dieser Industrie, zumindest als Film Soundtrack. In den letzten Jahren hat sich die Musikindustrie jedoch unabhänging davon sehr schnell entwickelt, auch unterstützt durch die Marketing -und Werbestrategien von Firmen wie T-Series. Die Musikvideos sind ein eigener kleinerer Markt, unabhängig von der Filmindustrie und ihren Soundtracks. Die Videoclipindustrie ist jedoch zusammen mit der Filmindustrie eine der schnellstwachsenden Industriezweige in den indischen Medien, vielleicht parallel zur wachsenden Mittelschicht. Diese Industrie hat einen starken finanziellen Unterbau. T-Series zahlt gute 1,5 Crore pro Clip - das ist mehr als in Europa oder der westlichen Industrie jemals ausgegeben wird. Oder sieh Dir die auf Chowpati Beach, Bombay ausgerichtete Milleniums Party an, bei der unter anderm Amir, Twinkle und ich auftraten, und wieviel Geld darauf verwendet wurde. Es ist eigentlich sehr ärgerlich, dass die Menschen ausserhalb Indiens die Bedeutsamkeit dieser Medienindustrie nicht wahrnehmen, sondern immer nur das arme Indien vorgeführt bekommen. Die Musikindustrie hat talentierte Künstler, in der klassischen und populär Musik, diese werden aber erst jetzt langsam wahrgenommen.

RS: Wie hast Du die Entwicklung von MTV Asia gesehen, die heute ein hauptsächlich indisches Programm haben?

SS: Ich war die erste indische Sängerin, die bei MTV auftrat. MTV hat heute, programmweise, Channel V übernommen, einen Fernsehsender, der hauptsächlich Hindimusik sendet. MTV ist auch populärer geworden, indem es Hindi Pop in sein Programm mit aufgenommen hat, denn die Hindi Film Soundtracks, die Vorläufer der Videoclips sind, bleiben weiterhin sehr beliebt. Ausserdem muss man bedenken, dass 950 Millionen Menschen kein Englisch sprechen und deshalb lieber Hindi als englischen Pop hören.


Übersetzung und Bearbeitung: Constanze Ruhm