Prof. Römheld Video Transkript (2001)

Auszug - Teil 1:

Die Versuche, die hier nun geplant sind, sind im Zusammenhang mit den Versuchen zu sehen, die wir in Hohenheim machen, und auch mit früheren Experimenten: es wurden hier in Deutschland und auch in Amerika sehr viele Forschungen bezüglich „Phytoremediation“ durchgeführt. Die Versuche in der Vergangenheit wurden häufig von Botanikern gemacht, die relativ wenig Praxisbezug haben. Aber es gibt doch einige Ansätze, die mehr Praxisbezug aufweisen: hier gehr es im Speziellen um besonders fähige Pflanzen, um sogenannte Superhyperakkumulatoren, die im Gegesatz zu ‚normalen’ Hyperakkumulatoren dem Boden ein 5 – 10 faches an Cadmium entziehen.

Die Schwermetallverunreinigung, hier entlang des Neckars, lässt sich auf das Ausbaggern des Neckars für die Schiffahrt zurückführen, und die anschliessende Verwertung des Baggerguts für die Landwirtschaft: das Neckarbaggergut ist unter nährstofflichen Gesichtspunkten betrachtet, ein guter Dünger, kann also als Ersatz für Mineraldünger verwendet werden. Das hat man damals auch so gesehen, ohne zu wissen, dass gleichzeitig im Neckarbaggergut Schwermetalle in Grössenordnungen enthalten sind, die die Grenzwerte weit überschreiten.

Die damit belasteten Flächen findet man entlang des gesamten Neckars, beginnend nördlich von Stuttgart – es handelt sich also um sehr viele Bereiche. Solche belasteten Flächen wie wir sie hier sehen, finden wir in anderen Ortschaften auch. Die Ursache für das im Neckarbaggergut enthaltene Cadmium ist im Wesentlichen eine Farbfabrik im Norden von Stuttgart. Heute achtet man natürlich darauf, dass kein Cadmium mehr in den Fluss gelangt, aber damals wurde das Neckarbaggergut nicht auf Schwermetalle, insbesondere Cadmium und Zink untersucht.

Wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, besteht Gefahr, dass Cadmium in die Nahrungskette gelangt, in die tierische Nahrung und dann in die menschliche Nahrung. Und diese Grenzwerte wurden mindestens zehn mal überschritten. So dass hier eigentlich keine Nahrungsmittel und kein tierisches Futter mehr angebaut werden können. Deswegen wurden die Cadmium-belasteten Flächen entlang dem Neckar aus der Produktion genommen, zum grössten Teil durch das Land Baden-Würrtemberg aufgekauft und durch Naturschutzmassnahmen konserviert, um vor allem Bodenabtrag durch Erosion zu vermeiden.


Auszug - Teil 2:

Sie können hier leicht erkennen, dass wir am Neckar sind, direkt am Neckar, hier die Weinflächen und die Ortschaft dort - ist Neckarwestheim. Und diese ganzen Streifen entlang des Neckar sind in der Vergangenheit mit Neckar- Baggergut überschichtet worden. Damals vor dem Hintergrund, dass der Neckarschlamm nährstoffreich ist, und dass das letztendlich ein Vorteil für die Landwirtschaft ist, aber gleichzeitig auch ein Vorteil für die Neckar-Schifffahrt: man muss den Neckar immer wieder ausbaggern, damit die Fahrrinne für die Schiffe tief genug ist. Nun hat man dann sehr bald festgestellt, dass das Neckar-Baggergut einen Nachteil hat, nämlich hohe Schwermetallgehalte. Und die Schwermetallgehalte sind so hoch, dass auf diesen Flächen ohne Sanierungsmassnahmen keine landwirtschaftlichen Kulturpflanzen angebaut werden dürfen, um nämlich die Belastung der Nahrungsmittelkette nicht negativ zu beeinflussen.

Um dieses Problem zu lösen und die Flächen wieder landwirtschaftlich nutzen zu können, gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Sanierung: Eine Möglich- keit ist es, wie Sie hier drüben sehen können (die sanierte Fläche liegt deutlich niedriger als die benachbarten, nicht sanierten Flächen), das Neckar - Baggergut, das man früher aufgetragen hat, wieder zu entfernen: das ist eine Möglichkeit, die sehr zeitaufwendig und nur begrenzt möglich ist.

Eine andere, vereinzelt hier durchgeführte Massnahme war es, nicht- belasteten Boden zu überschichten, so dass praktisch die Kulturpflanzen, die jetzt auf der Fläche wachsen, mit ihren Wurzeln die untere Fläche, die kontaminiert ist, nicht mehr erreichen. Das sind natürlich keine langfristigen und keine wirklichen Sanierungsmassnahmen.

Die dritte Möglichkeit, die wir in diesem Projekt, das sie hier vor uns sehen, angehen wollen, ist durch Anbau von Pflanzen, die eine sehr hohe Schwer- metallaufnahme haben, die Flächen zu sanieren, das heisst, eine Bio- Dekontamination vorzunehmen, eine Schwermetall - Extraktion durch den Anbau dieser speziellen Pflanzen, den sogenannten Schwermetall - Hyperakkumulatoren. Das sind Wildpflanzen, die an Standorten gefunden wurden, die natürlicherweise mit Schwermetallen belastet sind. Das sind also sogenannte Ökotypen, die sich natürlich gebildet haben. In Amerika wurden von Wissenschaftlern sogenannte Super - Hyperakkumulatoren selektiert und patentiert, die eine besonders hohe Fähigkeit zur Schwermetallaufnahme besitzen. Sie sind nicht speziell gezüchtet oder biotechnologisch verändert worden, sondern sie sind in der Natur vorhanden.

Diese Super Hyperakkumulatoren, die wir hier im Feldversuch nicht haben, werden aber im Gewächshausversuch im Künstlerhaus zur Saatgut- vermehrung kultiviert. Eine kleine Menge an Saatgut haben wir von Freunden aus den USA erhalten. Das Saatgut, der hier im Versuch wachsenden Rapspflanzen stammt auch aus den USA. Dabei handelt es sich auch um einen Ökotypmit hoher Fähigkeit zur Schwermetallaufnahme. Die Weidepflanzen (Salix) stammen aus Skandinavien und weisen ebenfalls als ausdauernde Pflanze ein hohes Schwermetallaneignungs vermögen auf. Die hier angebaute Maissorte besitzt eine vergleichsweise hohe Cadmium- aufnahme und stammt aus der Hohenheimer Kollektion (Institut für Pflanzenzüchtung, Universität Hohenheim).

Wie bereits erwähnt, besteht das Projekt aus vier Unterprojekten, beginnend in Hohenheim, wo wir Modellversuche machen, um insbesonders in die Rhizosphäre um die Wurzeln hineinzuschauen. Hier wollen wir sehen, was die Hyperakkumulatoren besonders auszeichnet, um diese hohe Schwer- metallaufnahme zu erreichen. Liegt das an einer erhöhten Mobilisierung oder an einer erhöhten Aufnahmekapazität? Und wie werden die Bindungsformen von den Schwermetallen verändert? Diese wichtigen Informationen sollen letztendlich helfen eine Aussage zu machen, wie schnell diese Bio- Dekontamination später in der Praxis zu einem Ziel führt.

Das sind also die Modellversuche. Dann haben wir das Gewächshausprojekt im Künstlerhaus selber, wo in einem kleinen Gefässversuch mit den schwermetallbelasteten Boden von diesen Feldern hier mit den verschiedenen Kulturpflanzen und Wildpflanzen der Schwermetallentzug bestimmt wird und gleichzeitig Saatgutvermehrung erfolgt. Dann haben wir diese zwei Feldversuche. Einen Feldversuch hier und den Feldversuch, den wir parallel in Hohenheim mit Wiederholungen durchführen, um die Ergebnisse statistisch auswerten zu können. Diesen aufwendigen Versuch unter kontrollierten Bedingungen können wir nur in der Nähe der Universität durchführen. Alle vier Teilprojekte dienen letztendlich einem Ziel: herauszufinden, in welcher realistischen Zeit wir zu einer Biodekontamination dieser hier belasteten Flächen kommen.

Kommen wir jetzt zu den Einzelheiten des Biokontaminationsversuches hier am Neckar, der parallel zum Feldversuch in Hohenheim durchgeführt wird, wie gerade erwähnt. Hier haben wir verschiedene Pflanzenarten ausgepflanzt: Unter anderem Wildpflanzen, wie hier das Hellerkraut (Thlaspi caerulescence), das bekannt ist durch seine Fähigkeit, extrem hohe Cadmium - Zinkmengen aufzunehmen. Man nennt sie Hyperakkumulatoren, die weit mehr, bis Faktor 100 mehr aufnehmen, als eine Kulturpflanze wie der Mais. So haben wir auf dieser Fläche hier diese verschiedenen Wild- pflanzenarten, sowie den Mais als eine Kulturpflanze ausgepflanzt. Bei der hier gewählten Maissorte handelt es sich um eine Sorte, die 10 bis 20 mal mehr Cadmium aufnimmt als andere herkömmliche Maissorten. Trotz dieses erhöhten Cadmiumaufnahmevermögens nimmt diese gewählte Maissorte deutlich weniger Cadmium auf, als hier diese Ökotypen (sogenannte Hyperakkumulatoren), die von Schwermetallstandorten gesammelt wurden.

Ergänzend muss ich erwähnen, dass wir im Gewächshausversuch am Künstlerhaus und in den Modellversuchen in Hohenheim die sogenannten Superhyperakkumulatoren, die in Amerika speziell für den Zweck der Sanierung patentiert wurden, mituntersuchen. Aufgrund von Saatgutmangel haben wir bei diesem Feldversuch, der vor uns liegt nur normale Hyperakkumulatoren ausgepflanzt.

Wie Sie weiter hier auf der Fläche sehen, haben wir eine Korkweide (Salix) ausgepflanzt und hier daneben eine Brassica, also eine Rapsart, die auch vergleichsweise innerhalb dieser Pflanzengattung vergelichsweise viel Cadmium aufnehmen kann; aber immer noch deutlich weniger als diese Super- oder Hyperakkumulatoren.

Weiterhin können wir bei dem Feldversuch vor uns erkennen, das vier unterschiedliche Behandlungen gewählt wurden. Der Sinn dieser Behandlung von der bodenchemischen Seite heraus ist es, die Mobilität und die Aufnahme der Schwermetalle noch zu erhöhen. Um dies zu erreichen, versuchen wir die Löslichkeit der Schwermetalle zu erhöhen: Einmal durch eine PH-Absenkung, die wir durch Zugabe von elementaren Schwefel zum Boden erreicht werden soll. Der Schwefel wird von Mikroorganismen oxidiert und dabei entsteht Schwefelsäure und das führt zu einer Boden-PH-Absenkung. In Modell- versuchen können wir schon zeigen, dass die PH-Absenkung die Schwermetallaufnahme um den Faktor 3 - 4 erhöht.

Die zweite Behandlung besteht in einer Ammoniumdüngung. Ein herkömm- licher Dünger, den man auch in der Landwirtschaft verwendet, wird zusätzlich mit einem Nitrifikationshemmstoff versetzt, was zu einer PH-Absenkung um die Wurzeln der einzelnen Pflanzen führt. Damit wird eine, um die Wurzeln begrenzte, PH-Absenkung erreicht, aber auch gleichzeitig eine erhöhte Schwermetallmobilisierung und –aufnahme. Daneben haben wir als dritte Behandlung die Anwendung eines Ammoniumdüngers ohne Nitrifikations- hemmstoff, wo wir eine wesentlich geringere Wirkung, auf die Schwermetall- mobilisation vermuten. Und die vierte Behandlung ist die Kontrolle, wo wir einen herkömmlichen Stickstoffdünger auf Nitratbasis ohne Ammonium und Nitrifikationshemmstoff und ohne elementaren Schwefel verwenden.

Ein langfristiges Ziel ist es, nicht in unserer Forschungsgruppe, sondern in anderen Arbeitsgruppen, Mais biotechnologisch in die Richtung zu verändern, dass er genauso viel Schwermetalle aufnimmt wie die bekannten Hyper- akkumulatoren. Das kann man heute biotechnologisch versuchen, aber es handelt sich um einen langwierigen Prozess. Man steht am Anfang dieses Prozesses. Aber Sie wissen ja, wie die Biotechnologie heute rasante Fortschritte macht, und da muss man abwarten. Wir machen deswegen auch bereits Versuche mit Mais, der gegenüber den bisherigen natürlichen Hyper- akkumulatoren den Vorteil einer grossen Biomassenproduktion hat, was für den bezweckten Schwermetallentzug von belasteten Flächen sehr wichtig ist.