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Titel: Jack Goldstein
Autor: Jean Fisher, 1985
Veröffentlicht in Jack Goldstein 'Feuer / Körper / Licht, (1985) Städtische Galerie Erlangen


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Jack Goldstein

Jean Fisher



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Innerhalb der Kunst, die in den USA während des letzten Jahrzehnts entstand, nimmt Jack Goldsteins Werk eine enigmatische Stellung ein, die wir vielleicht erst jetzt anfangen, als zentral für das Herausbilden jener Ideen, die das zeitgenössische Kunstschaffen prägen, zu verstehen oder anzuerkennen. Jedes Mal wenn das Werk ein anderes Medium durchlaufen hat - Performance, Film, Schallplatte, Aphorismus, photographisches oder gemaltes Bild - hat es unsere Erfahrung und unser Verständnis von der Sprache der Repräsentation und von den Mitteln, über welche das Subjekt sich in ihr identifiziert, nachhaltig gestört.
Es handelt sich um ein Werk, das sich des Kerns der amerikanischen Kulturgeschichte bewußt ist: die Suche nach Identität. Goldsteins visuelle Spekulationen über die Metaphysik des Sublimen, des Hollywoodfilms, von Weltraumtechnologien, befinden sich in völligem Einklang mit dem Bild einer Kultur, aus deren Landschaft unendlicher Horizonte eine Ästhetik des Horizonts des Unendlichen erwuchs, eine Erforschung sowohl der unermeßlichen Vielfalt von Möglichkeiten als auch der Begrenzungen menschlicher Existenz.
Trotz der Spannweite seiner Ideen wurde Goldsteins Werk von der Kritik mit seltsamem Schweigen bedacht. Mit seiner Spiegelung einer Beziehung zur Welt, die nicht mehr auf direkter Erfahrung beruht, sondern auf einer Aneinanderreihung von Bildfragmenten, die durch die Technik übermittelt werden, hat es nachdrücklich die Effizienz des modernistischen Modells von der Wahrheit des phänomenologischen Subjekts herausgefordert. Es überschreitet den von der Orthodoxie gesetzten Rahmen und die Grenzen dessen, was einem Kunstwerk und der Stellung des Künstlers gemäß der Definition modernistischer Ästhetik "eignet". Es existiert daher noch keine Sprache der Kritik, die dieses Werk adäquat artikulieren kann, weil es die Sprache selbst ist, die vom Werk im Ungewissen belassen wird. Und die "Wahrheit" von Sprache wird als eine flüchtige geschildert, stets anderswo als dort, wo wir sie suchen, stets an der Peripherie des Sehens. Wir müssen uns deshalb dem Werk Goldsteins indirekt annähern, die Grenzen suchen, die es mit einer anderen Schrift gemeinsam hat, die wie sie selbst sich an die Wahrheit der Wahrheit wendet, an die Enthüllung des in allen Erscheinungsformen Verborgenen, sei es niedergeschrieben oder vorgestellt, an das Paradox der Sprache,in welcher der Konflikt zwischen dem Ich und seinem Bild ausgetragen wird.

In Wirklichkeit beginnt die Geschichte irgendwo in der Mitte.(1)

Ein Hügel an einer Autobahn, Los Angeles, 1971: Eine Blinklampe auf der Spitze eines Hügels durchbricht die Dunkelheit der Nacht. Nach dem Rhythmus eines Herzschlages pulsierend, ist sie das einzige Zeichen des Menschen, der unter der Erde in einer Kiste begraben liegt.

Ohne Titel (Acryl auf Leinwand),1983: Das Bild stellt einen Hügel über einer in Dunkelheit gehüllten Stadt dar. Ein kaum sichtbares rotes Licht auf der Spitze fängt die Bahn eines Blitzes auf seinem Weg zur Erde ein.

Die Handlung beginnt, etwas willkürlich, "irgendwo in der Mitte": ein Auszug aus dem Text von Goldsteins Werk, in dem, vermittels einer unheimlichen Wiederkehr, einem seltsamen Echo, das über zwei zeitlich und räumlich weit auseinanderliegenden Punkten zu hören ist, ein kürzlich entstandenes Gemälde die Konfiguration einer früheren Performance dupliziert. Man könnte diese Konfiguration vielleicht als den Übergang zwischen Himmel und Erde beschreiben, vermittelt durch ein nächtliches Licht. Es ist eine elementare Szene, in der wir, wenn wir der Ellipse ihrer Assoziationen in der Sprache der Poesie folgen, in das Labyrinth von Dualitäten geführt werden, die sich in das westliche metaphysische Gedankengut eingeschrieben haben: Licht/Dunkelheit, Tag/Nacht, hier/dort, Leben/Tod, Geist/Körper, maskulin/feminin... Im Mittelpunkt dieses Strangs verdoppelter Verschiedenheiten ist Anwesenheit/Abwesenheit das Problem des Standortes der Identität des Seins, das Wesen des Ichs. Was im Zentrum des Goldsteinisches "Bildes" entsteht, ist ebenso rätselhaft - weißes Licht. Das heißt, dass im Mittelpunkt sowohl Anwesenheit als auch Abwesenheit ist, alles und nichts, ein Strahl ohne sichtbaren Ursprung oder bekanntes Ziel, ein Punkt im Raum, der einen leeren Ort bezeichnet. Wir werden im folgenden zu einer Betrachtung der möglichen Implikationen von Goldsteins Bild vom Licht zurückkehren. Was uns jetzt interessiert, ist die Konfiguration selbst, und was wir im Spiel von Ähnlichkeiten und Unterschieden in den beiden Arbeiten an Sinn und Wirkung von Goldsteins Verwendung der visuellen Sprache entdecken können.

Wer ist da?

Wann ist Ihr Geburtstag?


Die "Begräbnis"-Performance ist eine von einer Anzahl von Performances, die der Künstler während der frühen siebziger Jahre machte, und die nicht im herkömmlichen Rezeptionsrahmen stattfanden. Wie die meisten Arbeiten des Künstlers nimmt die frühe Performance einen ambivalenten Platz hinsichtlich der Konventionen des Mediums ein: ein raum- und zeitgebundener Vorgang, gestaltet jedoch entgegen der Erwartung einer subjektiven oder phänomenologischen Präsenz: etwas Un-Gesehenes, eine Un-Szene, eine Umwandlung einer Handlung vielleicht in ein transparentes Bild.
Das pulsierende Blinklicht zeigt eine Präsenz; wie alle Formen von Repräsentanz jedoch ist es von seiner mutmaßlichen ursprünglichen Bedeutung entfernt. Das scheint demnach eine fundamentale Annahme zu bestätigen, nämlich, dass die Repräsentation dem Ding, das sie repräsentiert, folgt. Es ist eine Re-Präsentation einer Einheit, die ihr vorausging, und die als virtuelle Präsenz in ihr bleibt. In der Tradition der modernistischen Ästhetik ist diese Präsenz das schöpferische Ich. Doch schon entdecken wir einen Riß in dem Gewebe, das das Repräsentierte mit der Repräsentation, den Autor mit seinem Werk verbindet. Das einsame Blinklicht ist weder Symbol noch Metapher, es ist ein Zeichen, das sich nur auf seinen eigenen Zustand als Sprache bezieht. Als solches ist es indifferent gegenüber dem Künstler, der, symbolisch als tot und begraben dargestellt, ein Ursprung ohne Leben it. Das Blinklicht wird deshalb zur Erscheinung eines nicht vorhandenen Ursprungs. Bezogen auf sein Schauspiel ist der Künstler ein ferner und blinder Zeuge, ein Ich, das vom Bild seiner selbst entfremdet und in den Polarisierungen von Geist und Körper gefangen ist.
Die Gestaltung des gemalten Bildes setzt ein ähnlich diskursives Feld voraus, deutet aber an, dass ein vollständigeres Abschneiden der Nabelschnur stattfand, die buchstäblich den Künstler mit dem "Bild" in der Performance verband. In ihrer Isolierung innerhalb eines unergründlichen Raums könnten die photographisch hergestellten Bilder von Fallschrimspringern der späten siebziger Jahre - neben den Performances die einzigen Bilder, in denen der Künstler die menschliche Gestalt verwendet - die vorübergehenden Augenblicke dieser eingebildeten Freiheit darstellen.
Innerhalb des gemalten Bildes nimmt der Blitz den Platz ein, den in der Performance sowohl das Blinklicht als auch der Künstler innehatte. Es ist die Spur einer Spur einer Spur, sie, als Licht, eine Körperlosigkeit darstellt, welche in ihrer gewaltigen Bewegung himmelwärts eher als erdwärts ein Echo findet. Es ist eine Bewegung hin zur Befreiung von der Erd/Körper-Anziehung, die in den jüngsten Bildern einer Sonnenfinsternis vollendet wird. Körperlosigkeit und Anonymität sind neu formuliert in der Art der Entstehung des Werks und im kulturellen Ursprung eines Bildes. Es existiert weder eine Geste noch eine Signatur, kein auktorialer Signifikant, der mit der Autonomie des Gemäldes als Objekt in Konflikt geraten würde, keine Oberflächengegebenheit, die spiegeln würde, was nicht Ausdruck reinen Lichts wäre, wie es dem Bild entströmt, kein anekdotenhafter Gehalt, der ein Thema, einen Ursprung, einen Ort aufschlüsseln würde, nichts, was den Betrachter vom Erlebnis des Bildes als reinem Schauspiel ablenken würde.
Sehen ist ohne Subjekt.

Ich verlor die Orientierung.
Es fand nie wirklich statt.

Zwischen der "Begräbnis"-Performance und dem Gemälde ist das "Bild" gekennzeichnet durch eine Bewegung des Auslöschens und Wiedereinschreibens, durch welche das Subjekt eher als eine Wirkung von Sprache begriffen wird als umgekehrt, wie oft angenommen wird. Sprache geht unserem Sein in der Welt voraus. Da sie aus einem, dem Subjekt vorausgehenden zeitlosen "Vorher" entstammt, kann sie jedoch nichts über ihren Ursprung aussagen. Obwohl sie die conditio humana definiert, bleibt sie stumm gegenüber der Frage, was der Mensch sei.
Goldsteins paradoxales Bild richtet sich an diese Ambivalenz der Sprache. Auf seiner Reise durch eine potentiell unendliche Kette von Reproduktions-Prozessen zum Film, zur Schallplatte oder zum gemalten Bild - eine Verdoppelung, die keine ist, eine unähnliche Ähnlichkeit - ist das "Bild" als Zeichen aus seinem Verbund mit irgendeinem realen oder subjektiven Bezug gelöst. Das Bild verweist auf keine existente Einheit, auf keine Wirklichkeit außer dem "Schatten der Ereignisse"(2). Es beginnt an einem Punkt jenseits jeden Anfangs mit einem Schatten auf einer Leinwand. Das Bild wird so zum Schatten eines Schattens, das Nachbild dessen, was nie wahrgenommen wurde, was in seiner Abwesenheit immer anwesend ist: der Wunsch. Es ist von der Welt, aber nicht in der Welt. So ist es keine Repräsentation, sondern das Abbild bereits eines Scheinbildes.
Als solches ist die rotoskopische Belebung von The Jump (1978) exemplarisch und sicher eine der eindrucksvollsten Äußerungen zur durchscheinenden Einsamkeit des Bildes. So wie Jacques Derrida den Mimen beschreibt als "ein Double, das kein Einfaches verdoppelt, das nichts vorwegnimmt, nichts wenigstens, was nicht schon doppelt ist"(3), kann man von ihm sagen, es sei ein (Schein)bild ohne Vorbild, eine Mimesis, die nichts nachahmt. Das "Bild" von The Jump ahmt in Wirklichkeit nur sich selbst nach, indem es sich in der ständigen Wiederholung des Endlos-Filmbandes wiedereinschreibt und auslöscht. In dieser mnemotechnischen Szene ist die Erscheinung des Turmspringers in einem ständig wiederholten Vorgang seines eigenen Auftauchens und Verschwindens gefangen, untergeordnet dem Schauspiel der Handlung. Für Derrida "ergänzt das Schreiben die Wahrnehmung, ehe die Wahrnehmung je vor sich selbst erscheint (sich ihrer selbst bewußt wird). "Erinnern" oder Schreiben ist der Beginn jenes Erscheinungsprozesses selbst. Das "Wahrgenommene" kann nur in der Vergangenheit gelesen werden, unterhalb und nach der Wahrnehmung"(4). In der Abwesenheit jedes erkennbaren Ursprungs wird die angenommene Ordnung des Erscheinens umgekehrt. Sein/Wirklichkeit besitzt nicht länger Priorität vor seiner Repräsentation, sondern muß, wie Goldstein festgestellt hat, von nun an als Teil der Struktur von Sprache und Bild betrachtet werden: "Es erscheint absurd, die Welt durch unsere Körper verstehen zu wollen, denn wie nehmen die Welt in uns auf, oder wir betrachten sie, oder unsere Vorstellungen von der Welt finden in den Medien, in Bildern statt... (In meinem Werk) spreche ich von der Technik als etwas, was heute die Landschaft ist. Es geht nicht mehr um Natur, es geht um eine synthetische Wirklichkeit...Denn gleichzeitig beginnen jene Dinge - die Objekte in der Welt um mich - erst wirklich, indem sie Vorstellungen jener Dinge sind"(5). Subjektivität wird geformt durch eine objektive Welt, die selbst durch Bilder vermittelt wird: nicht länger wahrgenommen als ein Ganzes, sondern, wie die Figur in The Jump, als ein ständig wechselndes Kaleidoskop von Myriaden von Fragmenten.

Schallplatten mit Geräusch-Effekten schaffen ein Bild von einem fragmentarischen Teil der Natur.
Dieser fragmentarische Teil der Natur ist als Schallplatte ein Bild anstelle ihres fragmentarischen Charakters.

Seine Aussprache macht das Verstehen schwierig.

Goldsteins Wiedereinschreiben der Repräsentation als das Bild von Sprache findet seine Entsprechung in Derridas Infragestellen des Privilegs, das dem "reinen Sprechen" in der Geschichte der westlichen Metaphysik zugestanden wurde, wogegen "Schreiben" in seiner Exteriorisierung und Entfernung vom sprechenden Subjekt zum untergeordneten Ersatz oder zu einer "Ergänzung" wird(6). Die Annahme bestand darin, dass die scheinbare Nähe von Stimme und Sein (die Intimität, sich selbst oder seinen Gesprächspartner im Augenblick der Äußerung zu hören) ein Indiz für die Präsenz des Bewußtseins seiner selbst ist, eine unteilbare Wahrheit oder Bedeutung, eine Essenz oder ein Ursprung. Derrida argumentiert, dass die Priorität, die diesem Signifikat gegeben wird, dennoch den Signifikanten vergißt, der es ermöglicht, dass Sinn artikuliert wird. Der "interiorisierte" und der gesprochene Gedanke ebenso wie das Schreiben werden übermittelt durch eine Form von Einschreibung (ein "Arche-Schreiben"), das von Sprache abhängig ist. In den Begriffen der Psychoanalyse ausgedrückt, ist Sprache eine Folie, die das Ich von sich selbst trennt und entfremdet. In einer Frühen Performance (1973) schreibt eine Person wiederholt ihren Nachnamen mit schwarzer Kreide über dieselbe Stelle an der Wand. Je mehr dieses Zeichen von Identität sich festzusetzen versucht, desto mehr löscht es sich aus, bis hin zur Anonymität. Sobald es sich der Sprache nähert, verliert das Ich sich selbst an dieses symbolische Andere, um danach zu einem Subjekt zu werden, das nur noch durch das, was vorausging und außerhalb seiner selbst liegt, ausgesprochen werden kann.
Dieser Zustand wird durch das "Bild" einer anderen Performance (1971) heraufbeschworen, in der ein lebendiger Körper mit einem Stromkabel gebunden und bewegungsunfähig gemacht wurde, das in einer Glühbirne auf seinem Herzen endet. Das einzige Zeichen der Gegenwart dieses Körpers ist das Flackern des im Dunkeln "schreibenden" Lichts. "Präsenz" kann nur wahrgenommen werden als eine Erscheinung, die Folge eines räumlichen und zeitlichen Gleitens zwischen einer Vergangenheit und einer Zukunft, einem Hier und einem Dort, einem Ich und seinem imaginierten Anderen. Wie in der "Begräbnis"- Performance ist dieses Ich blind, getrennt vom Bewußtsein seiner selbst. Präsenz - das gegenwärtige - kann nie mit sich als Augenblick der Offenbarung zusammenfallen, sondern wird immer durch die Spur des Anderen markiert, durch das nicht greifbare Spiel von Sprachunterschieden, die Derrida "différance, espacement" nennt. " , Erinnerung, oder Schreiben ist der Beginn jenes Vorgangs von erscheinen". In Goldsteins "Schatten der Ereignisse" kann es sich strukturell ausdrücken als ein unmerklicher Wechsel im Register (Shane,1975)oder als eine flüchtige Bewegung im Bild (der Richtungswechsel des gefangenen Vogels in Bone China, 1976), oder metaphorischer in den Gemälden, wo der Blitz gleichzeitig eine Erscheinung von Präsenz und die Spaltung zwischen dem Ich und seinem Anderen ist. Alles sind Wirkungen einer mnemotechnischen Spur, die einen Raum im Bild öffnet, durch welchen flüchtig der Sprechakt selbst auf seinem Weg zur Bedeutung erkannt wird. Sprache löscht sich in der Regel selbst aus im Augenblick ihres Entstehens; sie muß negiert werden, wenn das Signifikat - Gegenwart des Ichs/Identität -ihren Platz einnimmt. Aber hier hindern der Mangel an festen Determinanten, die undefinierbare Bewegung, die Bedeutung verschiebt und entfernt, das Signifikat daran, je seinen festen Platz einzunehmen.
Das Lied wird zwischen zwei Radiosendern eingefangen.

Es liegt beim Schönheitschirurgen zu definieren, was "schön" ist.
Wir können jetzt erkennen, wie Goldsteins Werk die Metaphysik der Gegenwart nachhaltig in Unruhe bringt, indem es den subjektiven Idealismus der romantischen Kunsttradition denunziert, deren gegenwärtige Manifestation der Neo-Expressionismus ist. Die modernistische ästhetische Orthodoxie wünscht in ihrer Betonung der Originalität des Kunstobjekts und der einmaligen Identität des schöpferischen Ichs, dass die Malerei, wie das Sprechen, Präsenz offenbart und Wahrheit enthüllt, die hinter der gewöhnlichen Wahrnehmung und der verbalen Sprache liegen. "Das transzendentale Prinzip, das das Besondere des Kunstwerks bestimmt, liegt in der Absicht des konstitutiven Ichs, sich zu seiner eigenen Immanenz zu reduzieren, alles zu eliminieren, was der unmittelbaren Erfahrung des Ichs als Ich nicht erreichbar ist...Aber die einzige Art, in der dieses Subjekt mit Erfolg voll und ausschließlich in seiner subjektiven Seinsweise beständig verbleiben kann, besteht in der Konzentration auf die Erarbeitung einer fiktionalen Einheit, indem es sich in eine Form projiziert, die, obwohl sie autonom und vollkommen erscheint, in Wirklichkeit vom Subjekt selbst determiniert wird."(7) Was also in der Kunst als Immanenz des schöpferischen Ichs geschätzt wird, ist, im Gegenteil, eine Projektion einer nicht authentischen, einer falschen Präsenz. Goldsteins Demaskierung der Duplizität dieses Ichs kann nicht von einer Ästhetik geduldet werden, die ihre Kohärenz der Verheimlichung eines mythisch totalisierten Subjekts verdankt und deshalb ihren Sprecher an die Zügel nehmen muß: "Wenn diese Maske einmal als solche gezeigt wurde, erscheint das authentische Wesen darunter notwendigerweise als eines, das am Rande des Wahnsinns steht."(8)
Aus der Sicht der Orthodoxie können Goldsteins jüngste gemalte Bilder nur als zweifache Übertretungen gesehen werden, da sein Zugang von einem Äußeren kommt, das räumlich nicht vom Inneren getrennt ist: es berührt das Allerheiligste der Kunst. Dies geschieht nicht wie bei der Konzept-Kunst der siebziger Jahre, die versuchte, die Grenzen der Kunst auszudehnen, indem sie sich kritischer Methoden und Medien außerhalb ihrer Traditionen bediente und über die man deshalb leicht hinweggehen konnte. Gegenüber der orthodoxen Malerei gibt Goldsteins Werk das gespiegelte Andere eines Spiegels wieder, das sich selbst nicht als solches wahrnehmen kann, und das sein Eigenbild nur durch eine Inversion der Absicht des Werks zu schützen vermag. Was so als ein Problem der Bedeutung gestellt wird, wird von der Orthodoxie als eine Verletzung der "Reinheit" der Kunst vulgarisiert.

Sie träumt von ihrem Lieblingsstar.
Er spricht mit einer fremden Sprache.

Ich erinnere mich daran, es dort drüben versteckt zu haben.
Es ähnelt dem anderen ein wenig.

Aber die Malerei wird weiterhin, wie das Subjekt, umschrieben von denselben Codes visueller und verbaler Sprache, die sie selbst als solche konstituieren. In dem Film The Portrait of Père Tanguy (1974) sehen wir eine Hand, die mit einem Stift über die Fläche eines weißen Blattes Papier malt, auf dem die Zeichnung des bekannten Van Gogh-Bildnisses erscheint. Es ist vertraut eben, weil es aus Signifikanten besteht, die bereits historisch fixiert und durch Wiederholung identifiziert sind. Wiederholung bestätigt die Wahrheit einer Sache; aber da sie sich nur über das Erinnern erkennen kann - das ist bereits die Bewegung der Spur -, löscht die Wiederholung die Möglichkeit, die Wahrheit als Essenz, als eine einzigartige Einheit zu enthüllen, aus. Goldsteins Spiel mit dem verdoppelten Bild erscheint nicht als das Enthüllen von Wahrheit, sondern als die Einsicht in die Nicht-Wahrheit dieser Wahrheit der Repräsentation. Sein Vorwurf gegen die Moderne findet ein Echo bei Michel Foucault: "Wen kümmert's, wer spricht?"(9) Worauf es ankommt ist das, was im phantasmagorischen Raum, der zwischen dem gespenstischen Bild und dem Betrachter sich auftut, und in dem diskursiven Raum, geschaffen durch das Werk in der Kultur, gesprochen wird. Goldsteins auktoriale Zurückhaltung und die nichtoriginäre Originalität des Bildes konfrontieren die Repräsentation als das Bild von Sprache, als das Bild von dem Anderen, in dem das Ich nichts anderes sein kann als die Repräsentation seiner selbst und somit niemals die Fülle des Seins erreicht. So wie die "Begräbnis"-Performance den Tod des Künstlers als Autor signalisierte, inaugurierte sie die Erscheinung des Lesers, der stets schon in den Text geschrieben ist. Für jeden Text gibt es einen Prä-Text. Die Wirkung ist Ursache eines sich immer weiter entfernenden Spiegels weiterer Wirkungen, dem es nie gelingt, den Ursprung wiederzugeben. In Wirklichkeit beginnt die Geschichte irgendwo in der Mitte...
Der Mord wurde in fünf Sprachen übersetzt.
Der Zauberer plant, ein anderes Kaninchen wieder aus dem Hut zu ziehen.


Nimm die wirkliche Person und stelle sie in eine unwirkliche Situation.
Here,(16 mm schwarz/weiß Tonfilm,10 Min. Dauer) 1973: Das projizierte Bild zeigt uns nichts als ein gleichmäßig graues Feld. Wir hören Schritte in einem Raum; eine Stimme, die "hier" ruft; und das Geräusch von Steinen, die auf dem Boden aufschlagen, dorthin geworfen, wo der Sprecher zu vermuten ist. Gegen Ende erhellt plötzlich ein Licht den Raum, und in der Stille schweift die Kamera langsam durch das Zimmer, wobei nur die am Boden verstreut liegenden Steine sichtbar werden.

Geräusch-Performance und 10" Schallplatte,1979: Die Performance findet in einem leeren weißen Raum statt, der durch eine blau bemalte Decke dramatisiert ist. Entlang einer diagonalen Raumachse übertragen verborgene Lautsprecher das Geräusch eines sich stetig nähernden Zuges. Aus der entgegengesetzten Richtung kommt das Geräusch eines Flugzeuges näher, das sich dann in der Ferne wieder verliert.

Wenn das Werk den Künstler/Autor verschwinden läßt und nach dem Betrachter/Leser ruft, dann nicht, um ein scheinbares Subjekt durch ein anderes zu ersetzen. Here präsentiert, wie die frühen Performances, ein Subjekt, das nur als ein Rest dessen, was hätte sein können, existiert. Paradoxerweise bezeichnet die Ortsbestimmung "hier" - ein Synonym für "ich" - ein Subjekt, das nicht im Sichtbaren, in der Szene lokalisiert werden kann. Der Sprecher ist "nichts" ohne einen Zeugen, der ihm antwortet. So ist das Subjekt nicht nur durch Sprache konstituiert, sondern auch dazu verdammt, Objekt eines anderen zu sein. In der Geräusch-Performance ist der Zeuge (oder Betrachter) ebenfalls ein deplaziertes Subjekt; gefangen zwischen zwei gleichzeitigen, einander widersprüchlichen Bildern, weiß "er" nicht, ob er "kommt oder geht". Anderswo suggeriert das Werk, dass es die nicht-verbale, keinen Zeugen verlangende Äußerung ist, die am ehesten die Kluft zwischen dem Ich und seinem Subjekt verdeutlicht. Auf der Schallplatte The Six-Minute Drown (1977) hören wir einen Mann im Wasser nach Luft schnappen - eine Inspiration im Augenblick der Expiration; auf einer der 10"-Schallplatten von 1979 hören wir einen jodelnden Cowboy, während die Performance Fire/Body/Light (1984) durch den Schrei eines Feuerkünstlers eingeleitet wird: Äußerungen, die bezeichnenderweise Momente des Todes oder der Lust markieren.
In diesem schwindelerregenden Raum, in dem das Subjekt sich selbst "verliert", an diesem Punkt, wo sich, mit den Worten von Maurice Blanchot, "das Hier mit dem Nirgendwo deckt, "(10) erscheint auch das Werk selbst. Für Goldstein und für Blanchot, ist nicht die Identität oder der Platz eines Subjekts, sondern das elliptische und undurchsichtige Moment der Intersubjektivität, der affektive Raum von Erfahrung: "...der , Schöpfer, - könnte das Werk nie von dem wesentlichen Nichtvorhandensein des Werkes ableiten. Nie könnte er allein bewirken, dass die reinen, einleitenden Worte dem entspringen, was ursprünglich vorhanden ist. Deshalb ist das Werk nur dann ein Werk, wenn es zur Intimität wird, die der Schreibende und der lesende miteinander teilen, einem Raum, der gewaltsam aufgerissen wird durch die Auseinandersetzung zwischen der Macht des Sprechens und der Macht des Lesens."(11)
Es ist dieser Blitzriß zwischen dem Gesehenen und dem Ungesehenen, zwischen dem Ungesehenen und der Szene, um die es in Goldsteins Werk geht. Und nur durch seine Einwirkung auf den Körper - von seiner scheinbaren Nähe bis zu seinem Verschwinden und seiner Wiederauferstehung am entlegenen Ort des Schauspiels - können wir diesen intersubjektiven Raum erforschen. In unserer Beziehung zu einem Schauspiel von Goldstein, zu einer Erscheinung, festgehalten im Augenblick ihres unmittelbar bevorstehenden Verschwindens in das Dunkel des Unbestimmten, liegt eine Wahrheit der Fiktion unserer Investition in die Erscheinung. Es ist der Augenblick der Inspiration, wo die Zeit den Atem anhält, wo ein Ereignis zum Bild wird, in dem sowohl das fiktionale "Ich" als auch das "Du" entlarvt werden als anonymer Irgendjemand oder Anderer.
Es hätte eine Lüge sein können.
Bist Du's?


Um es benennen zu können, muß man es erst sehen.
"Was geschieht", fragt Blanchot, "wenn man ein Ereignis als Bild lebt?"(12) - eine Frage, die uns auf verblüffende Weise an Goldsteins Hinwendung zu unserer gegenwärtigen vermittelten Realität erinnert. "Ein Ereignis als Bild zu leben", fährt Blanchot fort, "heißt weder, ein Bild dieses Ereignisses zu sehen, noch, dem Ereignis den unverdienten Charakter des Imaginären zuzuschreiben...das Geschehen verfügt über uns, wie wir über das Bild verfügen würden. Es befreit uns von sich und von uns selbst. Es läßt uns außerhalb, und es macht aus diesem , außerhalb, Präsenz, wo das 'Ich'sich selbst nicht erkennt."(13) Wir können nun die Geschichte von einer anderen Perspektive aus erneut beginnen und die Spuren in dem Werk neu markieren, in denen die Körperlichkeit unseres Seins in der Welt entschwindet, um am entlegenen Ort des Bildes wieder zu erscheinen. Wir können zum Beispiel mit den späten sechziger Jahren beginnen, mit den Einflüssen der minimalistischen Plastik auf Goldsteins Werk. Reste einer minimalistischen und konzeptualistischen Ästhetik sind noch vorhanden - die Auseinandersetzung mit einem intersubjektiven Raum, die Verwendung von gegebenen technologischen Elementen anstelle von handwerklichen, das Verschwindenlassen des Künstlers - aber die Konfiguration von Goldsteins Werk entwickelt sich zu etwas grundsätzlich anderem. Wenn der Minimalismus den Künstler verschwinden läßt, dann um die Subjektivität auf den Betrachter zu verlagern innerhalb einer Phänomenologie, die auf die Unmittelbarkeit der Präsenz - in wirklicher Zeit und wirklichem Raum - des betrachtenden Subjekts und des Objekts vertraut: eine Beziehung im Imaginären, die sich vorrangig mit dem Ort beschäftigt (dem Ort des Ich, dem Ort des Anderen), mit Identität und Opposition - den Ort des Anderen einzunehmen oder der Ort des Anderen zu sein. Es ist nichtsdestoweniger ein Imaginäres, umrahmt von der symbolischen, logischen Ordnung des Anderen: eine idealisierte und symmetrische "unreduzierbare Essenz" von Form, das gespiegelte Ich-Ideal eines Betrachters, wie ihn der räumliche Zusammenhang der Renaissanceperspektive impliziert. Mit ihrer betonten Materialität und Horizontalität ist die minimalistische Plastik eine Beschreibung des am Boden, an seinem Platz befindlichen Körpers.
In Goldsteins Skulpturen ist die Sprache ähnlich, doch die Syntax verlagert den rhetorischen Raum von der Erde in den Himmel. Die modularen Einheiten bewegen sich in einer unstabilen Symmetrie spiralenförmig nach oben, wobei sie über das Gerüst hinausgehen bis zu dem Punkt, wo die Struktur zusammenzubrechen droht - einem kritischen Augenblick, in dem das Objekt nicht mehr die idealisierte Ganzheit des Körpers, sondern seine Unsicherheit widerspiegelt. Sie verweist auf die mögliche Fragmentarisierung des Subjekts an den Grenzen der Sprache, wo das Signifikat als definierendes Prinzip versagt, wo selbst die Autorität des Anderen problematisiert wird. Goldsteins Verschiebung signalisiert ein Hereinbrechen des Realen(14) - dessen, was in sich selbst ohne das Subjekt existiert; wo das, was enthüllt wird, das Sehen des Sehens ist, nicht der Ort des Sehens oder "Wissens".
Wieder schnitt er sich beim Rasieren auf der rechten Seite.

Ohne Distanz hört man zu viele ununterscheidbare Dinge.

Schon deshalb gerät der Wunsch des betrachtenden Subjekts nach einem kohärenten Bild von sich selbst unter Druck; eine Spannung, die auf verschiedene Weise im gesamten Körper des Werks aufrechterhalten wird. Die frühen Filme deuten den Übergang vom Körper zum Bild an - die Ersetzung der Realität durch das Zeichen, das das Subjekt befähigt, sich von der gelebten Erfahrung zu distanzieren und seine Beziehung zur Welt zu objektivieren - aber im Werk ist dieser Ort immer unbesetzt. Sowohl in The Nail (1972) als auch in A Glass of Milk (1972) ist die Spannung des Films, und die Erwartung des Betrachters auf das letzte Bild gerichtet. Die Beklemmung, die das Seherlebnis begleitet, artikuliert sich in der Andeutung eines kaum unterdrückten Schmerzes und einer Erotik, die den wesentlichen Zustand des Körpers ausmachen. Bis 1975 wurden der Erzählcharakter des Films und die direkten Verweise auf die Körperlichkeit eliminiert, so dass ein Bild sowohl anonym als auch autonom erscheint. In Metro-Goldwyn-Mayer (1975) sehen wir zum Beispiel das vertraute Markenzeichen - den brüllenden Löwen - das den Hollywood-Film ankündigt, isoliert in einem prächtigen roten Feld und in ständiger Wiederholung dargeboten. Der Film findet also "ortlos" und "zeitlos" statt. Eine Erwartung, die uns sonst in den Erzählraum des Films hineinziehen würde, ergreift uns in einer unbequemen Lücke der Faszination außerhalb des Rahmens. Von nun an konfrontiert Goldsteins Werk den Betrachter durch die Analogie zur filmischen Beziehung - der Betrachter, entrückt und unbeweglich in einem verdunkelten Raum vor einer erhellten Leinwand; das Schauspiel, in dem die Ersetzung der Realität durch das Zeichen zum Zeichen für Zeichen geworden ist - mit der Beklemmung seiner eigenen Rolle als Zuschauer.
Indem sie eine Kombination von theatralischen und filmischen Effekten verwenden, reproduzieren die Performance-Schauspiele (1976-1984) jene Distanz zwischen dem Betrachter und dem Bild, in welcher der Unterschied zwischen Realität und Phantasie zusammengebrochen ist; aber, im Unterschied zum Film, lösen sie die Bindungen, die dieser Illusion Halt geben. Auch hier tritt der Künstler nie in Erscheinung; wo professionelle Darsteller mitwirken, wie in Body Contortionist (1976), Two Fencers (1977) und Two Boxers (1979), ist der Körper nicht das Objekt einer mitfühlenden Identifizierung, sondern wird wahrgenommen als anonymer Schatten, unvertraut und seltsam. In Two Boxers wird das "Ereignis", wie das projizierte Filmbild, zusammengehalten und umrahmt vom Licht und vom Rechteck des Boxrings, zusammengehalten von der Emotionen und Bilder hervorrufenden Militärmusik. Durch diese Manipulation von Klang und Vision verweisen uns die drei Teile des Werkes auf die drei möglichen Distanzen zu dem Schauspiel, die im wesentlichen mnemotechnisch und voyeuristisch sind: die imaginierte, die photographische und die filmische Distanz.
Und dennoch, in dieser vertrauten Beziehung zu einem Bild kommt es zu einer eigenartigen Rückwendung des Sehens, durch die sich der Voyeur auf unangenehme Weise des voyeuristischen Aktes bewußt wird. Fire/Body/Light (1984) präsentiert wiederum ein dreiteiliges "Ereignis": ein männlicher Feuerkünstler, dessen Darbietung in eine Sequenz von Filmen übergeht, die mit The Jump beginnt und mit The Ballet Shoe (1975) endet. Diese wiederum löst sich auf in den horizontalen Manövern eines weiblichen Schlangenmenschen. Im flackernden Licht und im Schatten der Flammen entzieht sich der männliche Körper den suchenden Blicken des Betrachters; was stattdessen an die Oberfläche dringt, die Erotik des Wunsches, die immer hinter dem Sehen steckt. Die weibliche Darstellerin erscheint anders. Die physikalische Beschreibung des Körpers ist schockierend, aber in ihrer enthüllenden Darstellung enthüllt sie auch nichts; wie auch immer der Körper sich dreht, wir sehen nur Teile, nie ein Ganzes, nur ein undurchdringliches Äußeres. Sich in einem "übernatürlichen" grünen Leuchten windend, ist "sie" die Erscheinung des Wunsches im Augenblick einer weiteren Wiederauferstehung. Der Körper, obwohl er gegenwärtig ist, erscheint im Prozeß der Auflösung hinter einem an der Oberfläche gleichmäßig spielenden Licht, nur um dann als leichenhafte Abwesenheit wieder zu erscheinen - die "impression", die Bazin(15) als den Zustand des photographischen Abbilds des Körpers charakterisiert. Hier erhaschen wir einen Blick auf das Ich, das vernichtet und wiederbelebt wird durch Sprache - durch ein vampirhaftes alter ego, das nichtsdestoweniger in der Duplizität des Wunsches gefangen bleibt: zu einer nostalgischen, undifferenzierten Zeit-vor-der-Sprache zurückzukehren, und in der Ewigkeit des Wortes zu leben. Auch hier, im fiebrigen Glanz von Goldsteins verdoppeltem Bild, ist die Wahrheit des filmischen Schauspiels, die Illusions-Maskerade des Wunsches, in der die chimärenhaften Leichname der Vergangenheit, des Todes und des Andersseins immer wieder neu von dem ahistorischen Raum einer nie gegenwärtigen Gegenwart in Besitz genommen werden.
Von einer anderen Zeit erinnert werden.

Fremden Geheimnisse verraten.

Goldsteins Distanz ist nicht die "Indifferenz" des kulturellen Bildes, das durch den Diskurs der Aneignung beschrieben wird - die Sprache stiehlt das Subjekt, nicht umgekehrt - sondern das "in-Differenz-sein" einer Entfremdung, die die ferne Nähe der Beziehung des Subjekts zu sich selbst und zu einem Anderen ist. "Aber die Unmittelbarkeit, die die gewöhnliche Sprache uns mitteilt, ist nur verschleierte Distanz, das absolut Fremde, das sich für das Gewohnte ausgibt, das Unvertraute, das wir für das Übliche halten, dank des Schleiers, der Sprache nun einmal ist, und weil wir uns an die Illusion der Wörter gewöhnt haben."(16)
Die unvertraute Vertrautheit, die "unheimliche"(17) Natur von Goldsteins Werk, macht den Prozeß unseres Sehens selbst zur Übertretung, als ob wir Zeuge von etwas wären, das verborgen bleiben sollte. Könnte das nicht die Erscheinung eines entfremdeten und fragmentierten Ichs sein, das von unterdrückten Ängsten und Wünschen geplagt wird, in denen der Unterschied zwischen Realität und Phantasie ausgelöscht worden ist? In der Stille der Dunkelheit und der Einsamkeit stürzt uns die Abwesenheit des Anderen, der als Zeuge unsere Anwesenheit garantiert, in den Schrecken einer Blindheit, in der das Ich sich nicht mehr durch Reflexion im Gesehenen, in der Szene reflektieren kann. Der wiederholte eindringliche Klang der Schiffsirene in The Lost Ocean Liner (1976) ist solch eine unbeantwortete Stimme, die, wie der Vogel in Bone China, in einem Körper gefangen ist, dem sie gleichzeitig entfremdet ist - ein Klang, verfolgt von der Stille. Über den grauen, einsamen Weiten des Ozeans, zwischen Verlust und Verlangen, tritt das halluzinatorische Double in Erscheinung.
Goldsteins Schallplatte ist vielleicht das perfekte Abbild des katastrophischen verdoppelten Ichs: ein greifbarer "Körper" mit einer geteilten psychischen Identität. Auf der weißetikettierten 10"-Platte (1979) hat das Geräusch fallender Bomben dein Gegenstück auf der Rückseite in dem Kreischen von Reifen eines landenden und am Boden ausrollenden Flugzeuges. Wie bei der Zug/Flugzeug-Platte ist der Zuhörer in einer raum-zeitlichen Trennung gefangen, die spiegelt, wie das Ich sich aus den Bruchstücken der Welt, die sich ihm darbieten, eine kohärente Wirklichkeit zusammensetzen muß. Das Thema erinnert an die frühe Performance mit der "brennenden Kerze" (1971), wo die flackernde Flamme verschiedene Teile eines Gesichts beleuchtet, das nie in seiner Ganzheit wahrgenommen wird, sondern aus der Erinnerung seiner Teile zusammengesetzt werden muß.
Goldstein konstruiert die LPs mit analogen Mitteln: die Orchestrierung winziger Bruchstücke von Geräuscheffekten (The Quivering Earth, 1977) oder von Musik (The Murder, Two Fencers, The Unknown Dimension, 1977), oder von beiden (Planets, 1984) zu einem einheitlichen Bild-Effekt. Diese synästhetische Eigenschaft der Schallplatten rührt teilweise her von unserem Erkennen der Geräusche als prä-existente Sprache, und des schließlichen Bildes als Scheinbild einer bereits vermittelten Realität. Sowohl The Murder als auch Two Fencers spielen auf den Soundtrack typischer Hollywood-Film-Genres an. Die Erinnerung an sie hilft uns, ein Szenario zu visualisieren. Sie beunruhigen uns aber durch die Enthüllung, dass Musik Gefühle manipulieren und objektivieren kann, von denen wir annehmen, dass sie dem Sein selbst entspringen.
Geräusch ist die Erinnerung des Bildes, das den Ursprung von seinem Objekt trennt.

Sehen ist dieses Gefühl des Verlusts, eines scheinbaren Verschwindens, das immer dahinter liegt.

Wenn Goldsteins Schauspiel uns in einem Bann hält, der beunruhigend und gebieterisch zu sein scheint, dann deshalb, weil es die Funktion des Werks ist, das Bild des Bildes in seiner ganzen Tyrannei, die es auf uns ausübt, bloßzulegen. Wie die Gefangenen in Platos Höhlengleichnis sträuben wir uns, den Blick von unseren Illusionen abzuwenden, den Zauber des Wunsches zu brechen, der uns mit seinem Spiel der nächtlichen Schatten gefangenhält. Durch alle Manifestationen des Schauspiels - die Maskerade, das Karnevalistische und das Filmische - wird der fasziniert erstarrte Betrachter im Dunkeln etwas anderes als er selbst. Unsere Furcht vor der Vergänglichkeit des Körpers zieht sich hier ins Vergessen zurück, und wir können unsere Träume von Unsterblichkeit entfalten. Ins Licht treten heißt, das Risiko einzugehen, von der absoluten Erkenntnis der Götter geblendet zu werden. Dies ist das Paradox der hochgradigen Sensibilität, auf die in Goldsteins gemalten Schauspielen angespielt wird: eine ekstatische Vision eines transzendentalen Ichs und ein elendes Ich, das den Schrecken seiner eigenen Auslöschung durch Kräfte jenseits seines Verständnisses betrachtet. In der amerikanischen Kunst des 19. Jahrhunderts wurde das Erhabene durch eine Landschaft aus Licht und Raum ausgedrückt, die Größe, Ruhe und das mögliche Katastrophale mit einer tragischen Theatralik evozierte, die wir im Post-Modernismus wiederfinden. Im späten 20. Jahrhundert wird diese Ambivalenz durch das mittelbare filmische Schauspiel der Technologie ausgedrückt, angesichts dessen das Subjekt sowohl fern als auch anonym ist, und der "Spontaneität" beraubt.18 Diese Heideggersche Furcht zu verbildlichen, die ureigenen Mittel der Technologie zu verwenden, heißt für Goldstein, ein gewisses Maß an "Kontrolle" über ihre Wirkung auszuüben. Wir können jetzt in den Bildern des Künstlers von drohenden Desastern, von Kampfflugzeugen und von "brennenden Städten" statt der wörtlichen die prometheische Dimension sehen und ihre Beziehung zu jenen kosmischen Energien, die in den jüngeren Gemälden von Blitzen, Vulkanen und Sonnenfinsternissen beschrieben werden.
Die strahlende Künstlichkeit des Schauspiels verleugnet den transzendentalen Impuls des Erhabenen, während es gleichzeitig das innere psychische Ereignis erhellt, das unsere Verbindung mit dem Erhabenen darstellt. Das Bild als Ursache und Wirkung einer entworfenen statt einer empirischen Realität, das Katastrophale, die verdoppelnden und distanzierenden Effekte, die auf den Schallplatten so realisiert werden; sie gehören zu den Charakteristika der Kunst des Erhabenen, wie sie von Paul de Man beschrieben werden: "Die bedrohliche Macht ist nicht etwas Äußeres, dem man direkt in einer unmittelbaren Begegnung gegenübertritt: sie ist vielmehr übertragen worden durch einen geistigen Akt (den man bisweilen Imagination nennt) in die Konstituierung einer Ganzheit, eines Subjekts, das in der Lage ist, über diese bedrohliche Macht nachzudenken, da es an dieser Macht teilhat, ohne mit ihr identisch gewesen zu sein...das erschreckende Element im Kunstwerk ist, dass etwas so vertrautes und Intimes auch so radikal anders sein kann."(19)
Als jemand anders erkannt zu werden.

Sehen ist der verbotene Wunsch nach dem, was jenseits des Sehens ist.

"Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören."(20) Was auf Distanz gehalten wird, was unsere Faszination an das Schauspiel in seinem erstarrten Augenblick fesselt, ist der Wunsch, den Tod als die endgültige Grenze der menschlichen Existenz kennenzulernen, ihn vorzeitig - aber aus sicherer Entfernung - zu erfahren, eine Konfiguration, die in der Performance Burning Window (1977) elegant beschrieben ist, wo flackernde Lichter hinter den roten Scheiben eines unechten Fensters die Illusion eines Feuers "außerhalb" schaffen.
In den jüngsten Gemälden wird diese Konfiguration als die Verlockung einer abgebildeten Unendlichkeit erfahren, zu der uns der Zutritt ebenso verwehrt ist; eines Sternendunkels und eines fernen Horizonts, die die Unsicherheit und die Grenzen des Sehens bezeichnen; eines aufflammenden Lichtes, auf das sich das Auge nicht konzentrieren kann; eines blendenden oder blinden Zentrums, das nichts preisgibt.
"Doch was geschieht, wenn das, was du siehst., obwohl es fern ist, dich mit fesselndem Kontakt zu berühren scheint, wenn die Art des Sehens eine Art von Berührung ist, wenn Sehen Kontakt auf Distanz bedeutet?"(21) Der Betrachter dieses Bildes macht nicht die Erfahrung des Austauschs von einem Subjekt gegen ein anderes, die charakteristisch ist für das Imaginäre, wo sich der Betrachter durch den verborgenen Fluchtpunkt in das Bild hineinversetzt. In diesem verfremdeten Raum können wir uns nicht spiegeln. Der Blitz, der die Schwärze des Himmels belebt, ist es auch, der zum Leuchten des blinden Flecks auf der Netzhaut einer anderen Sphäre wird: das unendliche Äußere ist der Spiegel eines unsichtbaren Inneren. Anderswo läßt die Sonnenfinsternis das erscheinen, was, nach Jacques Lacan, die fehlende Mitte des Bildes ersetzt, "...das Loch - eine Reflexion der Pupille, hinter welcher der Blick liegt."(22) Das Bild ist das Double des Blickes des Betrachters, gefangen in seiner Faszination von dem, was als leerer Raum hinter dem Sehen ist, dem Ort des Seins. Dreht man sich also um und betrachtet die Sonnenfinsternis, so sieht man sich dem schwarzen Loch eines Auges, eines Ichs gegenüber, das von den unergründlichen Tiefen seiner eigenen Abwesenheit hypnotisiert ist; oder dem verschleierten Sonnenauge, dessen blendendes Licht abgeschirmt werden muß, ehe es Sehen überhaupt geben kann - die Sonne, der Abgrund ohne Sprache, der Sprache erst möglich macht.(23) Das Unheimliche an Goldsteins Werk ist dieser stille, zeitlose Raum des in seine eigene Reflexion versunkenen Ichs - "der auf sich selbst gerichtete, in einen Kreis eingeschlossene Blick."(24) "Wer fasziniert ist, sieht - genau genommen - nicht, was er sieht. Es berührt ihn vielmehr in unmittelbarer Nähe; es ergreift ihn und zieht ihn unaufhörlich näher, obwohl es ihn in einer absoluten Distanz beläßt."(25)
Das Zentrum ist außerhalb des Gesichtsfeldes.

Hören gehört zum Tag wie Sehen zur Nacht.

Wie der post-modernistische Diskurs, so verschiebt Goldsteins Problematisierung des modernistischen kohärenten Subjekts die Grundlage für eine Bewertung von Erfahrung hin zur Rhetorik des Wunsches an sich; aber auch hier geht sein Werk über den Rahmen hinaus. Der Lust an der Schönheit des Bildes steht der Unmut über seine Unfaßbarkeit gegenüber. Der katastrophale Augenblick im Werk, der auf das fragmentarische Subjekt hinwies, wird wieder in eine Schwächung des Wunsches umgeformt; der Vulkan spiegelt eine Weigerung, die Flamme auszulöschen; die Sonnenfinsternis ist das stille Echo einer rein klingenden Note des ständig zurückgestellten Wunsches - der Tod, festgehalten in einer unbestimmten Zukunft. Im entkörperlichten Glühen des Bildes ist ein Wunsch, der nach keinem Objekt außer sich selbst verlangt. Die orgasmischen Effusionen von Licht, das vom Sonnenfeuer entflammte Loch, sind Bilder einer Erotik ohne Körper, deren Verzicht auf das Subjekt heilig und profan zugleich ist - heilig, weil sie nicht beschmutzt ist von den falschen Ikonen des Anderen, die uns in die narzistischen Träume von Allmacht locken; profan, weil sie den Platz einer göttlichen Abwesenheit markiert und so die Grenzen dessen aufzeigt, was das Ich von sich selbst wissen kann - die Ohnmacht des Wunsches, der sein Objekt nur im Augenblick der Auflösung des Ichs im Tode erkennt. Wenn das Bild der Leichnam des Wunsches ist, der in der Intensität seiner eigenen Unmöglichkeit schimmert, dann ist die Schallplatte das ferne Murmeln einer vom Wunsch vergessenen ewigen Vergangenheit.
Planets (Uranus, Miranda, Ariel, Umbriel, Titania, Oberon): der Traum von neulich, ein doppeltes Echo, das über die unüberbrückbare Entfernung zwischen dem Ich und seiner Erscheinung ruft. Nicht die Erscheinung ist irreführend, sondern nur das, was das Verlangen von ihr verlangt. Hier im Verschwinden des Bildes wird der Wunsch in eine Leidenschaft transformiert, die Blanchot beschreibt als "...die eisigste von allen, weil sie über eine große Niederlage triumphiert hat und fortan über sie triumphieren wird, in jedem Augenblick und immer so dass die Zeit für sie nicht mehr existiert."(26) Es ist die Leidenschaft des Nicht-Seins, die keinen Widerspruch sieht zwischen Leben und Tod. Hier wird nicht die Differenz ausgelöscht, sondern die Fiktion ans Licht gebracht, die die Differenz ins Spiel bringt; wo Anwesenheit Abwesenheit ist, da ist die innere Stimme die äußere Stimme; wo das Innere sich im Äußeren und das Maskuline sich im Femininen auflöst; wo das Ende eine Anfang ist. Es ist die Rhetorik einer Bejahung des Lebens, die den Tod als Bedingung ihres Seines umfaßt.
Ein Individuum ohne Gewißheit sein.



Anmerkungen

1 Jack Goldstein, Jeder Textabschnitt ist eingefaßt von den Aphorismen des Künstlers (1975-1984).

2 Maurice Blanchot, "The Essential Solitude", in The Space of Literature, Übersetzung von Ann Smock, Univ. of Nebraska Press, Lincoln, London 1982, S.34.

3 Jacques Derrida, "The Double Session", in Dissemination, Übersetzung von Barbara Johnson, The Univ. of Chicago Press 1981, S. 206.

4 Jacques Derrida, "Freud and the Scene of Writing", in Writing and Difference, Übersetzung von Alan Bass, Routledge and Kegan Paul, London und Henley 1978, S. 224.

5 Jack Goldstein, Niederschrift eines Rundfunkinterviews, WBFO, Buffalo, New York, 31. Oktober 1978.

6 Jacques Derrida, Speech and Phenomena. And Other Essays on Husserl's Theory of Signs. Siehe besonders: "Differance". Übersetzung von David B. Allison, Northwestern Univ. Press, Evanston 1973, S. 124-160.

7 Paul de Man, "The Sublimation of the Self", in Blindness and Insight. Essays in the Rhetoric of Contemporary Criticism; zweite, überarbeitete Auflage, Univ. of Minnesota Press 1983, S. 42.

8 Paul de Man, "The Rhetoric of Temporality", in Blindness and Insight, S. 216.

9 Michel Foucault, "What is an Author?" in Language, Counter-Memory, Practice, Übersetzung von Donald F. Bouchard and Sherry Simon, Basil Blackwell, Oxford 1977, S. 138.

10 Maurice Blanchot, "Approaching Literature's Space", in The Space of Literature, S. 48.

11 Maurice Blanchot, ebd., S. 37.

12 Maurice Blanchot, "The Two Versions of the Imaginary", in The Space of Literature, S. 261.

13 Maurice Blanchot, ebd., S. 262.

14 Anthony Wilden, Speech and Language in Psychoanalysis. Jacques Lacan, The Johns Hopkins Univ. Press, Baltimore and London 1981, S. 280.

15 André Bazin, "The Ontology of the Photographic Image", in What is Cinema? Vol. 1, Univ. of California Press.

16 Maurice Blanchot, Approaching Literature's Space, S. 40.

17 Sigmund Freud, "The Uncanny", 1919, in The Standard Edition of the Complete Works, Übersetzung von Alix Strachey, Vol. XVII, S. 224.

18 Jack Goldstein, s. Anm. 5.

19 Paul de Man, "Figural Language in Rousseau, Nietzsche, Rilke and Proust", in Allegories of Reading, Yale Univ. Press, New Haven und London 1979, S.177.

20 Rainer Maria Rilke: "Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören". Erste der Duineser Elegien.

21 Maurice Blanchot, The Essential Solitude, S. 32.

22 Jacques Lacan, "What is a Picture?" in The Four Fundamental Concepts of Psychoanalysis, Übersetzung von Alan Sheridan, W. W. Norton & Co., New York, London 1981, S. 108.

23 Jacques Derrida, Signéponge/Signsponge, Übersetzung von Richard Rand, Columbia Univ. Press, New York 1984, S. 140 ff. Siehe auch: "Plato, s Pharmacy", in Dissemination, S. 63-171.

24 Maurice Blanchot, The Essential Solitude, S. 32.

25 ebd., S. 33.

26 Maurice Blanchot, Death Sentence, Übersetzung von Lydia Davis, Station Hill Press 1978, S. 72.

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