Open haus

21 / 05 / 1999
Eröffnung : Exhibition / Installation / Architecture / Media


English

haus.0 ist das Programm des neuen künstlerischen Leiters, dem amerikanischen Künstler Fareed Armaly. Es wird unter zwei Adressen eröffnet werden: www.kuenstlerhaus.de und Reuchlinstr. 4b. Durch die Renovierung des Künstlerhauses wurde die Beziehung der einzelnen Räumlichkeiten - Eingangsbereich, Treppenhaus, dem zweiten und vierten Stockwerk - neu definiert. Diese Beziehung setzt sich auch auf der neuen Webseite fort. Die beiden Adressen unterstreichen die Betonung des Programms auf Kultur und Identität, Sie wird durch eine Sprache von Schnittstellen, Links und Suchmustern geschildert.

haus.0 ist als Netz aufgebaut, das durch Verbindungen, den Programm-'Plug-ins' erzeugt wird: Computer-Webseite, Audio-, Video-, und Bibliothek. Die 'Plug-ins' werden von jeder/jedem eingeladenen KünstlerIn weiterentwickelt, indem, er/sie bestimmte Suchmuster unter beiden Adressen einrichtet. Hier werden Suchfunktionen, Ressourcen und Präsentationsmöglichkeiten im Zuge des jeweiligen Projektgerüsts entwickelt. Diese werden vom Computerbereich und dem Browser aus navigiert. Dadurch wird der Wandel vom architektonischen Aufbau und der räumlichen Erzählung weg und hin zum Hypertext und einem neuen 'geschriebenen Raum' zum Ausdruck gebracht.

Das Künstlerhaus Stuttgart hat oft erklärt, dass es die Hardware für die künstlerische Leitung, welche gleichzusetzen ist mit der Software, bereitstellt. haus.0 stellt nun einen neuen Aspekt in dieser Beziehung dar, es führt die Browser Logik hinsichtlich zeitgenössischer Medien ein. Sie zeigt Übereinstimmungen zwischen den sich wandelnden Vorstellungen der künstlerischen Praxis und einer von Künstlern initiierten Einrichtung in einer Zeit des Übergangs auf. Die Rolle einer solchen Einrichtung ist offen. Auf der Suche das Gleichgewicht zwischen den sich verändernden Aufgabenstellungen und Ressourcen zu halten, steht sie als kulturelle Einrichtung  den Medien näher als dem  klassischen Austellungsbetrieb.

Mit der Eröffnung wird auch der haus.0 Treffpunkt eine neu installierte Bar - im vierten Stockwerk - vorgestellt. Sie war einer der beliebtesten Drehorte der Fernsehserie Melrose Place und wurde vom Künstlerprojekt 'In The Name Of The Place' in eine historische Dokumentation des Alkoholkonsums in Amerika, von 1700-2000, umgewandelt.

'In The Name of the Place' (1995-1998) ist ein komplexes Gemeinschaftsprojekt des GALA Committee. Es wurde vom Künstler Mel Chin für das Los Angeles Museum of Contemporary Art (MOCA) ins Leben gerufen. Das Gala Commitee beschäftigt sich mit dem Uncommon Sense Thema welches mit dem Einbeziehen der Öffentlichkeit arbeitet. Das Gala Committee wählte die Fernsehserie Melrose Place, die zur besten Sendezeit gezeigt wurde, als den Ort um eine 'Voraussetzung zur Zusammenarbeit zu schaffen. Diese Zusammenarbeit von einzelnen Personen, Institutionen und deren Interessen, bezog sich hauptsächlich auf das Entwickeln und der Unterbringung ortsspezifischer Kunstgegenstände in der Kulisse der Serie. Während der Zeit der Zusammenarbeit erreichte die, nun künstlerisch überarbeitete Sendung, weltweit Millionen von Zuschauern. Durch seine offene Form, Einbeziehung unterschiedlichster ästhetischer Auffassungen und einer weitangelegten Integration von Zuschauern/ Künstlern/ Fernsehproduzenten ist 'In The Name of The Place' ein Versuch, Licht auf noch unerforschtes kreatives Gebiet zu werfen, am Scheideweg zwischen Museen, Massenmedien und künstlerischer Arbeit.

Der Endpunkt des Projekts ist die öffentliche Auktion des Gemeinschaftskunstwerks. Alle Einnahmen der Auktion kommen zwei gemmeinnützigen Organisationen zugute: dem Fulfillment Fund und der Jeanette Rankin Foundation, zur Förderung der Frauenbildung .

Das haus.0 Programm beginnt s.t.o.f.F. mit einer Arbeit der amerikanischen Rockikone Lou Reed: Metal Machine Music (RCA, 1975)

Zu diesem Anlass lud haus.0 Lou Reed ein, mit einem seiner umstrittensten Soloprojekte, Metal Machine Music von 1975, teilzunehmen. Das Original ist bis heute in keiner autorisierten Wiederaufnahme erhältlich. Die erstmalige Vorstellung der Arbeit bei der Eröffnung reflektiert Lou Reeds Art der Entscheidung am Programm teilzunehmen. Er reproduzierte Metal Machine Music  noch klarer und schärfer.

Metal Machine Music sollte, so der Kritiker V.Bockris als 'das ultimative Album des konzeptionellen Punk und als Begründer des New Yorker Punk Rock' gesehen werden. Diese Aussage wurde von der allerersten Ausgabe des einflussreichen Magazins Punk bestätigt, welches Lou Reed und sein Album auf der Titelseite führten. Das Hauptthema der Produktion selbst, diskutiert eine Anhäufung verschiedener Themen die bis 1975 die Dreh-und Angelpunkte der kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen in Amerika waren und das nächste Jahrzehnt mitbeeinflussten.

Lou Reed hat seine Ideen immer durch eine spezifische amerikanische Rockform ausgedrückt, teils auch um gegen die etablierten Grenzen anzuspielen. Somit wird nachvollziehbar, warum Lou Reed darauf bestand, dass Metal Machine Music bei RCA nicht unter der Rubrik 'Klassik' veröffentlicht werden sollte, obwohl ihm dies angeboten worden war, sondern in der Abteilung "Rock". So ist es für Lou Reed auch ein besonderes Anliegen die speziellen Begrenzungen aufzuzeigen, die zwischen Publikum und dem produzierenden Künstler existieren: 'What I've always thought is that I'm doing rock and roll in drag. If you just listen to the songs cursorily, they come of like rock and roll, but if you really pay attention, then they are in a way the quintessence of the rock-and-roll song, except they're not rock and roll.'

Metal Machine Music arbeitet mit der Basis - eine Künstlerpersönlichkeit und ein elektronisches Aufnahmestudio. Zusammen ergeben sie ein geschlossenes System von Energie und Information, Feedback und Verzerrung. Sie sind weit entfernt von früheren Avantgardeversionen. Die Platte ist eine logische Erweiterung einer bitteren Hass-Liebe, die das Mainstreampublikum genauso wie die grossen Plattenfirmen betraf - in anderen Worten: zeitgenössische Musik. Sie  vebindet Lou Reeds Benutzung von gestaltverändernden und geschlechtsverzerrenden Charakteren, sowie seinen Glauben an die Aufnahme, als Ort komplexer narrativer Medienstrukturen, Musik und Identität. Wie Lou Reeds Karriere selbst, so kann auch Metal Machine Music nicht exakt auf eine der Mainstreamdefinitionen festgelegt werden. In ihr wird eine Kommunikation ermöglicht, durch die damalige Situation in Amerika und Reeds Biografie selbst. So Reed`s Worte auch in Anmerkungen zum Album Metal Machine Music:

'Realismus war das Hauptthema, die Aufnahmen waren wie Briefe, Briefe von mir an bestimmte Menschen, Menschen, für die es keine eigene Musik gab oder gibt.'

haus.0 stellt nun diese musikalische Arbeit als einen möglichen Navigator vor. Durch diesen werden Richtungen aufgezeigt, in die sich das Programm entwickeln kann.


Übersetzung: Constanze Ruhm

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