Mel Chin Interview (2000)

Interview, Autoren:Fareed Armaly und Ute Meta Bauer

Mel Chin

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Mel Chin wurde in Houston, Texas als Sohn chinesischer Immigranten geboren. Heute lebt er in New York und Athens, Georgia. Seit Mitte der 70er gilt er als einer der wichtigsten Repräsentanten einer Kunstform, die sich mit politischen und ökologischen Fragestellungen beschäftigt. Seine Ansätze reichen von skulpturalen Projekten und Kunst im öffentlichen Raum über Performances bis zu multimedialen Installationen. Seine Arbeit wurde im Rahmen von zahlreichen Einzelausstellungen gezeigt, unter anderem in renommierten Museen wie dem Hirshhorn Museum in Washington, dem Walker Art Center in Minneapolis und der Menil Collection in Houston. Die politischen Interventionen Forget Tiananmen (Washington) und Conditions for Memory im New Yorker Central Park (beide 1989) wurden auch ausserhalb der Kunstszene wahrgenommen. In den letzten Jahren beschäftigte Mel Chin sich besonders mit Themen wie Rassenhass und Diskriminierung (Gallery, eine im Mai 1992 gleichzeitig in San Francisco und Pittsburgh gezeigte Installation) sowie ökologischen Fragen (Revival Field und The State of Heaven).

 

Projekte

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Das Werk des amerikanischen Künstlers Mel Chin (*1951) nimmt innerhalb der zeitgenössischen Kunstpraxis schon seit langer Zeit einen besonderen Platz ein. Mel Chin betreibt ein eigenes Forschungsprojekt, das die Wechselbeziehungen zwischen asiatischen und westlichen Philosophien, die sich mit alchimistischen und transformatorischen Prozessen im Informationszeitalter befassen, freilegt und thematisiert.

Im Rahmen dieses komplexen dialogischen Systems entwickelt der Künstler Projekte, die auf formaler Ebene einem philosophischen Modell gleichen und auf Grundlage von ökologischen Definitionen basieren: die daraus entstehende ´Skulptur´ besteht sowohl aus diversen produktionstechnischen und kommunikativen, diskursiven Prozessen, die einer eigenen Dynamik unterliegen, wie auch aus den spezifischen, daraus resultierenden Objekten und Anordnungen, die sich als visuelle Residuen, als Marker innerhalb der alchimistischen Verwandlungsprozesse manifestieren.

Verschiedene Links zu seiner Person und diversen Projekten:

http://switch.sjsu.edu/v7n1/articles/glen02.html
http://www.nyc.gov/html/dcla/html/panyc/chin.shtml
http://web.mit.edu/lvac/www/exhibitions/WINTER/2000/knowmad.html
http://online.caup.washington.edu/courses/larc433/Phyto/Case.htm


In seinem frühen Werk beschäftigte Chin sich mit ethnischen Fragen der Identität in den U.S.A. Innerhalb elaborierter Anordnungen, in denen der Künstler sich mit dem Fernsehpublikum auseinandersetzte, ökologische Forschungsbereiche mit einbezog, oder Stadterneuerungskonzepte entwickelte, erforschte er kulturelle Ökonomien des Informationszeitalters im Licht spezifischer gesellschaftlicher Bedingungen, die vor allem auf die Struktur und Beschaffenheit von "Diversität" rekurrieren. Dies kann sowohl demographische wie auch Bio-Diversität betreffen.

Den Ursprung dieser Methode findet man zu Beginn der 90er Jahre an einem wichtigen Wendepunkt im Werk des Künstlers, als die subjektiven philosophischen Fragestellungen in Projekte eingebettet wurden, die einen größeren Zusammenhang offerierten. So konnte Chin seine eigenen konzeptuellen Modelle auf andere Systeme anwenden. Als Manifestationen seiner heterogenen Kunstpraxis entwickelten sich daraus diverse Projekte: KNOWMAD, ein narratives Videospiel, entstand in Kollaboration mit dem M.I.T. . Die virtuellen Räume des Spiels erinnern an urbane Topographien und basieren auf Teppichmustern und Ornamenten, wie sie traditionellerweise von nomadischen Wüstenstämmen verwendet werden.

'GALA Committee' / In the Name of the Place

Weiters entstand das Fernsehprojekt GALA Committee / In the Name of the Place (ausführlicher Online-Artikel auf der flagpole-Website), das als partizipatorisches Modell angelegt ist, und unter dem Titel In The Name of The Place (1997) für die amerikanische Fernsehserie Melrose Place entwickelt wurde.

In diesem Projekt konzentrierten sich Zusammenarbeit und Zusammenspiel verschiedener Individuen und Institutionen auf den Prozess von Entwicklung und Platzierung spezifischer Artefakte im 'Raum' der Serie selbst. ( 'Die Bar', eines der wichtigsten Sets der Serie, befindet sich nun als Dauerleihgabe der Twodo - Collection in der vierten Etage des Künstlerhauses.)

Das Projekt bestand aus einer zweijährigen Zusammenarbeit zwischen Künstlern und einem Fernsehsender. Zuerst war es in der Serie "Melrose Place" zu sehen, später dann im Museum of Contemporary Art in Los Angeles, auf der Kwangju International Biennale in Korea, und bei Grand Arts in Kansas City. Diese vielschichtige Zusammenarbeit wurde vom GALA Committee initiiert, einer Gruppe, die sich hauptsächlich aus Studenten der University of Georgia (link zu einer Projektbeschreibung von Phil Williams, University of Georgia) und CalArts zusammensetzte.





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(Diagramm der Struktur des Gala-Kommittee's von Mel Chin)

Ursprünglich sollten Kunstwerke für das Set dieser sehr populären Fernsehserie hergestellt werden. Zu Beginn arbeitete GALA mit den Ausstattern von Melrose Place zusammen, später jedoch entstanden eine Vielzahl von Beiträgen von Personen aus verschiedenen Bereichen, darunter Theoretiker, Kritiker, andere Künstler und - bemerkenswerterweise - die Autoren und Produzenten der Serie "Melrose Place" selbst.

Mit dem erklärten Ziel, das Fernsehpublikum mit einzubeziehen, platzierte das GALA Committee zahlreiche Ausstattungsgegenstände und Setdekorationen im Blickfeld der Kamera, die diese Aufnahmen an Millionen von internationalen Zusehern übertrug. Obwohl die Kunstwerke nicht in der Absicht hergestellt wurden, die Serie zu unterlaufen oder zu parodieren, so boten doch sowohl die Charaktere wie auch die Story selbst immer wieder Gelegenheiten zur Entwicklung von Arbeiten, die sich mit den Verhältnissen zwischen den Geschlechtern, mit Themen wie Krankheit, Gewalt, Umweltzerstörung und globalen Konflikten beschäftigten. Das Projekt vermied es, in belehrende Posen zu verfallen, und versuchte stattdessen, das Medium selbst durch Infiltration und Subversion zu verändern. Das Fernsehen sollte sich durch interaktive Methoden wieder neu erfinden. Gleichzeitig gelang es dem GALA Committee, durch diese Zusammenarbeit mit dem Massenmedium Fernsehen, zeitgenössische Public Art in einen weitreichenden kommunikativen Kontext zu rücken

Während der Kollaboration zwischen Chin und Melrose Place wurde die Serie von Millionen von Zuschauern verfolgt. In The Name of The Place stellt ein Experiment dar, eine von Chin entworfene Ökologie und Ökonomie: ein System, das aus dem Zusammenspiel von Institutionen, Massenmedien und dem Modell einer künstlerischen Praxis besteht, deren Absicht es ist, neue kreative Felder zu erschließen. Die durch die Versteigerung der für Melrose Place hergestellten Artefakte erzielten Gelder wurden an zwei karitative Organisationen verteilt, die sich besonders für die Förderung von Minderheiten einsetzen. Andere Artefakte, die aus diesem Projekt entstanden, sind inzwischen Teil eines Stadterneuerungsprojektes, das die Innenstadt von Detroit wiederbeleben soll.

Diese Arbeit reflektiert das traditionelle Mandat des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, das gleichzeitig für "Information, Erziehung und Unterhaltung" sorgen soll.