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16 / 11 / 02 – 15 / 12 / 02
Exhibition / Films / Talks / Performance

Ruta Remake (2002)
Nomeda und Gediminas Urbonas (LT)

Transaction Voice Archive

"Women's Interviews" (Excerpts)
"Ruta spielen und hören", Otto Kränzler

Siehe auch : "Transaction" Projekt, 10 / 2000

English





Transaction Voice Archive

Das Projekt “Transaction“ beschäftigt sich mit der Absenz der weiblichen Stimme und den Beziehungen zwischen zeitgenössischen Formen der Identitätspolitik im Litauen von heute. Das Projekt befasst sich besonders mit Repräsentationsformen, die sich nicht auf die vermeintlichen Sicherheiten verlassen, die ein nationaler Typus verspricht, sondern die andere Arten von Identität zulassen. Auf der Suche nach neuen Optionen ergibt sich ein Spiel zwischen Formen innerhalb einer Bewegung, die zwischen den Überresten des Homo Sovieticus und dem modernen kapitalistischen Modell stattfindet.

Das “Transaction Voice Archive“ ist eine Sammlung gesampelter Frauenstimmen aus den litauischen Medien. Das Suchverfahren für diese Sammlung basiert auf einer Kompilation aktueller Referenzen weiblicher litauischer Intellektueller und anderer Produzentinnen, die im Rahmen dieses Projekts von den Künstlern interviewt wurden. Die Projekte “Transaction“ und Ruta/Remake versammeln Schriftstellerinnen, Linguistinnen, Semiotikerinnen, Musiktheoretikerinnen, Sängerinnen und politische Aktivistinnen, um die Rolle der Stimme der Frau hinsichtlich der Konstruktion des “Opferszenarios“ (ein Begriff aus der Transaktionsanalyse) zu untersuchen. Beim Versuch, den Körper in der Stimme, und innerhalb dieses Körpers eine Form utopischer Lust zu finden, spielen beide Projekte mit der Dichotomie zwischen Ton und Stimme, zwischen Äusserung und Sprache, zwischen “Werden“ und “Sein“. In den kollektiven medialen Erinnerungen entwickelt sich so eine Bewegung, die zwischen Vergangenheit und Gegenwart navigiert.

Das daraus entstehende “Transaction Voice Archive“ zeigt soziale Konstruktion und metaphysische Eigenschaften der gesampelten Sets, die von gesprochener Sprache über Erzählungen bis zu Gesängen und Liedern reichen.





Apparatus

Eine Untersuchung dieser Stimm-Landschaft führt zum Phänomen der “Ätherwelle“, das erstmals von Lev Termin (1896 – 1980) beschrieben wurde, der im Jahr 1921 das “Thereminvox“ erfand. Dabei handelte es sich um eines der ersten elektronischen Hochfrequenzgeräte, das singenden Stimmen ähnliche Töne erzeugte.

Eine Rhythmusfrequenz-Audiobox brachte einen einzelnen Ton hervor, dessen Höhe und Lautstärke durch Bewegung und Entfernung der Hände einer SpielerIn über und um einen kreisförmigen Draht und eine vertikale Antenne bestimmt wurde.

Das Projekt Ruta/Remake fokussiert auf die Stimme/Vox, indem es zuerst das ursprüngliche Thereminvox in eine neue Version, in ein zeitgenössisches “Thera-Midi“-Gerät verwandelt. Dieses Gerät ist so beschaffen, dass die Hände einer BenützerIn zwischen Sets von akustischen Samples vermitteln, indem zwei lichtempfindliche Resistoren über ein Midi-Interface verkoppelt werden. Die Bewegung der Hand durch das Licht erzeugt Schatten, die Output und Darstellung entsprechend der Logik eines invertierten filmischen Verfahrens registrieren. Die Hand erinnert an die Abwesenheit der Stimmen, indem sie diese gleichzeitig zusammenführt. So formt und erzeugt die Hand auf eine Weise, die sie in ein Bestimmungs- und Notationsgerät verwandelt. Diese Navigation, die auf dem Thera-Midi beruht, verwandelt die BenützerIn in SpielerIn und RegisseurIn, die sich in Echtzeit durch das Archiv der Stimmen bewegt, und so die Dialoge in ein bestimmtes Muster verwandelt, das als Ton“stoff“ verwebt wird.



Muster

Zwei der Teilnehmerinnen des Projekts “Transaction”, die Psychologin Ruta Baciulyte und die Musikwissenschaftlerin und Semiotikerin Ruta Gostautiene, schlugen zwei Methoden zur Wiederherstellung der Stimmen vor. Diese Methoden führen gleichzeitig zwei Perspektiven ein – die erste führt durch die Konstruktion von Verhaltens- und sozialen Mustern, die die augenblickliche Situation im Übergangszustand der litauischen Gesellschaft verkörpern, während die zweite Methode versucht, die ursprüngliche Suche von einer Diskussion des “Timbres“ einer Stimme zum Schreiben, zum “Verweben“ umzulenken, wo das Konzept einer Soundlandschaft sich schlussendlich in einen Garten der Sprache verwandelt.

In diesem Zusammenhang schlugen Ruta Baciulyte und Ruta Gostautiene ein besonderes Webmuster namens “Ruta“ (Ruta/rue ) vor, das sich auf eine ganzjährige Pflanze mit starkem Geruch und bitterem Geschmack bezieht. In Litauen hat diese Muster eine Reihe von Bedeutungen, die im Laufe der Zeit in den Gärten und auch in der Umgangssprache zu Symbolen von Jungfräulichkeit und Weiblichkeit wurden – trotz der allgemein bekannten Wirksamkeit der Pflanze als Mittel, das Abtreibungen herbeiführte.

Die patriarchale Tradition in Litauen erzeugte einen Raum, in dem die Stimmen der Frauen verstummen – das Weben wird hier als “Schreiben“ aufgefasst, und das Singen als eine Form des Erzählens. Dieser performative Aspekt wurde ideologisch besetzt, um die Stimme der Frau mit dem Vaterland gleichzusetzen, oder um sie später in der Konsumgesellschaft zu instrumentalisieren. Während man sagen könnte, dass auch heute das Interesse zeitgenössischer Produzentinnen der weiblichen Stimme gilt, so geschieht das in Hinblick auf das Bedürfnis, Bedeutungen zurück-zugewinnen, die von der patriarchalen Gesellschaft und ihren liberalen Ideologien okkupiert worden sind.

Das “Transaction Voice Archive“ stellt ein geografisches Terrain her, das sich aus Samples konstituiert. In Ruta/Remake stellt das Ruta-Muster Grundlage für ein Notationssystem dar – einen Webrahmen, der die Stimmfäden des Archivs zu Informationslinien und Routen als ein Muster miteinander verwebt, um das Verhältnis von Stimme und Sprache zu erkunden.



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