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NICHT löschbares Feuer

04 / 11 / 01 - 14 / 12 / 01
Exhibition / Screening

NICHT löschbares Feuer
kuratiert von Constanze Ruhm

Über Jill Godmilow:
Warum ich Farocki wiederholte...
Korrespondenz zwischen Jill Godmilow und Harun Farocki über NICHT löschbares Feuer (Inextinguishable Fire)
Farockis Strategien. Technik und Struktur von NICHT löschbares Feuer
Filme von Jill Godmilow

Tom Gunning on What Farocki taught
Filmsynopsen im Video Plug-In
Das Gespräch zwischen Anna und Robert


English

Synopsen
Produktionen von Harun Farocki

Erzählen
(16mm auf DVD, Farbe, 1975, 58 Min.)

Das Interdisziplinäre als Praxis ist eine Ebene, auf der die Interessen von HaF und die meinigen sich treffen. Sehr früh schon tauchen Ideen auf von fiktionalen Forschungsprojekten im Film, oder mit Film als Forschungsinstrument, wo Leute verschiedener Disziplinen zusammenkommen, um etwas zu entdecken, eine Spur zu verfolgen, oder auch nur, um in Abenteuer zu geraten. Diese Ideen entsprechen einer Neigung von uns beiden, Kenntnisse aus verschiedenen Wissenschaften zu akkumulieren, also zum Beispiel exakte Wissenschaften wie Medizin mit Fächern zusammenzubringen, die nicht direkt auf eine Praxis zielen, wie zum Beispiel Religionswissenschaft oder Ethnologie. HaF ist noch um 1975 an der Freien Universität beim Suchen, wo die Linien zusammenfallen könnten. Ich selbst bin auf der Spur in meinen Spielfilmen. Gedacht ist an Kombinationen, die spontan und undogmatisch sich ergäben. Alles sollte Eingang finden können, wie beim Naturtheater in Oklahoma. Das Theoretisch-disparate sollte sich verbinden mit der Recherche in eine Realität, in der es um Leben und Überleben geht, die "primitive agony" bei Winnicott. Daneben und darinnen die Empfindungswelt unserer kleinen Töchter, seine (Anna und Lara), meine (Muriel). "Die Kindheit? Hier ist sie doch, wir haben sie nie verlassen." "Erzählen" ist eine Skizze dieser Situation. (Ingemo Engström)

Die Schulung
(Video, Farbe, 1987, 44 Min.)

Ein Film über ein fünftägiges Seminar, in dem leitende Angestellte lernen sollen, ,sich selbst besser zu verkaufen'. Der Managerkurs vermittelt Grundregeln von Dialektik und Rhetorik, trainiert Körpersprache, Gestik und Mimik. Eine Sache verkaufen, das ist von jeher das Prinzip der merkantilen Aktion. Die Idee, sich selbst feilzubieten, wurde durch die Verbindung von Psychologie und modernem Kapitalismus perfektioniert. (Lutz Hachmeister)

Die Umschulung
(Video, Farbe, 1994, 44 Min.)

"Die Umschulung" ist ein Lehrfilm über die Arbeit an der inneren Einheit. Das Unterrichtsgespräch, das das Verkaufsgespräch lehren soll, wird selbst schon als Verkaufsgespräch geführt. Die Maximen, die der Lehrer memorieren ließ, faßten die Paradoxien der Individualität zusammen, wie sie die Moralistik entfaltet hat. ,Das Ich ist nichts. Das Sie ist alles. Nur das Gegenüber zählt. Sie müssen Ihr Leben ändern'. Aber die Unterwerfung unter den anderen dient nur seiner Überwältigung im Verkaufsabschluß. Das Individuum existiert nur von den Gnaden der Gesellschaft. (Patrick Bahners, FAZ).

Schnittstelle
(Video, Farbe, 1995, 23 Min.)

Vom "Musée d'art moderne" in Lille beauftragt, ein Video "über seine Arbeit" herzustellen, hat Harun Farocki eine Installation für zwei Monitore geschaffen, die während der Ausstellung "Die Welt nach der Photographie" 1995 zu sehen war. Daraus ist der Film "Schnittstelle" entstanden, der - Farockis eigene dokumentarische Arbeit reflektierend - der Frage nachgeht, was es bedeutet, mit schon vorhandenen Bildern zu arbeiten, statt stets wieder neue, eigene Bilder herzustellen. Der Titel spielt mit der doppelten Bedeutung des Wortes "Schnitt" und bezieht sich dabei sowohl auf den Arbeitsplatz des Filmemachers Farocki, den Schneidetisch, als auch auf den Ort, an dem ein Mensch mittels Tastatur und Maus einen Computer bedient, die "Mensch-Maschine-Schnittstelle".

Arbeiter verlassen die Fabrik
(Video, Farbe und s/w, 1995, 36 Min.)

Über ein Jahr galt es mir, das Motiv dieses Films: ,eine Belegschaft beim Verlassen der Arbeitsstelle', in möglichst vielen Varianten aufzusuchen. Belegstellen fanden sich in Dokumentar-, Industrie- und Propagandafilmen, in Wochenschauen und Spielfilmen. Die erste Kamera in der Geschichte des Films war auf eine Fabrik gerichtet, aber nach hundert Jahren läßt sich sagen, dass die Fabrik den Film kaum angezogen, eher abgestoßen hat. (Harun Farocki)

Der Ausdruck der Hände
(Video, Farbe und s/w, 1997, 29 Min.)

Die Hand steht für Berührung - das Kino aber muß alle Sinneswahrnehmungen in Blicke umformen. Die ersten Großaufnahmen der Filmgeschichte richteten sich auf das menschliche Gesicht - die nächsten auf die Hände. Oft sollen die Hände etwas verraten, was der Ausdruck des Gesichts verbergen will - etwa, wenn die Hand ein Glas zerdrückt ohne dass im Gesicht Erregung abzulesen ist. Obwohl die Hände auch ein Kennzeichen der Person sind, stellt das Kino doch kaum je einen Menschen mit einem Blick auf die Hände vor. Wer und was ein Mensch ist, das liest der Film im Gesicht ab, und dort sucht er auch nach der Seele. Für die Hände bleibt da - das Triebhafte. Die Hände sind wie die kleinen Leute: man kann sie nicht recht voneinander unterscheiden, sie tun ihre Arbeit und verstellen sich nicht groß. Die gefilmte Hand fordert die Phantasie heraus, sie als ein krabbelndes Tierchen aufzufassen. Es gibt ein ganzes Genre, in dem die Hand ihrem Eigner den Dienst aufkündigt und sich selbständig macht. Hat sie sich losgemacht, will sie Hälse würgen und wird zur Strafe gern festgenagelt, auf einem Klavier etwa. Nun zappelt und zuckt sie und findet weniger Mitleid als eine Ratte. (Harun Farocki)

Die Bewerbung
(Video, Farbe, 1997, 58 Min.)

Schulabgänger, Studierte, Umgeschulte, Langzeitarbeitslose, ehemalige Drogenabhängige und Mittelmanager, sie alle sollen lernen, sich selbst anzubieten und zu veräußern, wofür es den Begriff ,Self-Management' gibt. Im Bewerbungsgespräch soll der ganze Mensch erscheinen, nicht nur seine meßbare Eignung, die auf Papieren vorausgeschickt wird. Der ganze Mensch fühlt sich angenommen oder verworfen. Es war Kafka, der die Aufnahme in ein Arbeitsverhältnis wie den Eintritt in Gottes Reich darstellte und auch, dass der Weg zu dem einen wie dem anderen ungewiß ist. (Harun Farocki)

Worte und Spiele
(Video, Farbe, 1998, 68 Min.)

Der wichtigste Rohstoff des neuen Industriezweigs Talk- und Gameshows ist der Alltagsmensch. Der ist billig und will sich zur Erscheinung bringen, aber hat er einen Schauwert? Die Alltagsmenschen folgen einem Aufruf, der über Bildschirmtext ergeht, nach einer Vorauswahl werden sie von Producern und Betreuern in Empfang genommen. Die Betreuer im Studentenalter erklären die Spielregel und üben den Auf- und Abtritt, erfragen und repetieren Lebensgeschichten. Wenn das Kino Träume produziert, dann produziert dieses Fernsehen Träumereien. (Harun Farocki)

Gefängnisbilder
(Video, Farbe und s/w, 2000, 60 Min.)

Farockis Material besticht durch den Ort der Aufnahmen und die Art des Blickes: Gefängnisse, Asylhäuser, Zwangsanstalten. Szenen auf Spielfilmen, aus Dokumentarfilmen und Propagandastreifen zeigen immer wieder den Häftling als Ausgesonderten, als potentiell Gewalttätigen, als möglicherweise psychisch gestörten. Der größte Teil des montierten Filmmaterials erzählt von der Zurichtung von Menschen zu Gefangenen. (Eckart Lottmann)

Die Schöpfer der Einkaufswelten
(Video, Farbe, 2001, 70 Min.)

Einkaufen ist ein alltagskultureller Akt, selbstverständlich, unvermeidlich. Der Eintritt in die Einkaufswelt, in die Malls, kann zur dantesken Höllenreise oder zum erlösenden Abendmahl werden. Jedem ist diese Erfahrung geläufig und das Erscheinungsbild der Malls gegenwärtig. Diese Selbsverständlichkeit ist das Ergebnis eines hochkomplexen Vorgangs. Die Gestaltung von Malls wird planerisch, managerial und wissenschaftlich geleitet: Es gibt Berater-Firmen, Relaunch- Analytiker, einen Zentralverband, Mall-Zeitschriften und einen jährlichen Kongress in Las Vegas mit 6000 Teilnehmern und Labors, in denen untersucht wird, wohin der Blick des Kunden fällt oder wie ein "spontaner" Kaufakt verursacht werden kann. Farockis Film "Die Schöpfer der Einkaufswelten" sucht ein Bild davon zu zeichnen - und lädt unsere Alltagsbilder magisch auf. (Antje Ehmann)

Peter Lorre - Das doppelte Gesicht
(16 mm, Farbe und s/w, 1984, 59 Min.)

Auch im filmhistorischen Bereich ist Farocki ein präziser Analytiker, dessen ebenso verblüffenden wie treffsicheren Schlussfolgerungen und Beobachtungen man sich kaum verschließen kann. Auch in dieser Schauspielerbiografie vertraut Farocki mehr auf die Bilder, die er mit nur wenigen knappen Sätzen kommentiert, um sie sodann für sich selbst sprechen zu lassen, ihnen aber durch diesen wohlausbalancierten Kontext eine ungeahnte Tiefe und Bedeutung zu geben. (Arnold Hohmann)

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